[infobox]„Unter der ‚Schwarzen Pädagogik‘ verstehe ich eine Erziehung, die darauf ausgerichtet ist, den Willen des Kindes zu brechen, es mit Hilfe der offenen oder verborgenen Machtausübung, Manipulation und Erpressung zum gehorsamen Untertan zu machen.“[/infobox] [quelle]Alice Miller: Evas Erwachen, 2001[/quelle]
Zu welchen Spitzenleistungen die menschliche Vernunft fähig ist, wenn man ihr freien Lauf läßt, zeigt folgendes Zitat, das einen Ur-ur-Großvater und -- mir scheint -- mustergültigen Vordenker moderner Sozialpädagogen zu Wort kommen läßt:
ZitatAlles anzeigen[...] Ein Dreivierteljahrhundert später verfaßt Léon Faucher ein Reglement »für das Haus der jungen Gefangenen in Paris«:
»Art. 17. Der Tag der Häftlinge beginnt im Winter um sechs Uhr morgens, im Sommer um fünf Uhr. Die Arbeit dauert zu jeder Jahreszeit neun Stunden täglich. Zwei Stunden sind jeden Tag dem Unterricht gewidmet. Die Arbeit und der Tag enden im Winter um neun Uhr, im Sommer um acht Uhr.
Art. 18. Aufstehen. Beim ersten Trommelwirbel müssen die Häftlinge aufstehen und sich stillschweigend ankleiden, während der Aufseher die Türen der Zellen öffnet. Beim zweiten Trommelwirbel müssen sie aufsein und ihr Bett machen. Beim dritten ordnen sie sich zum Gang in die Kapelle, wo das Morgengebet stattfindet. Zwischen jedem Trommelwirbel ist ein Abstand von fünf Minuten.
Art. 19. Das Gebet wird vom Anstaltsgeistlichen verrichtet, worauf eine moralische oder religiöse Lesung folgt. Diese Übung darf nicht länger als eine halbe Stunde dauern.
Art. 20. Arbeit. Um Viertel vor sechs im Sommer, um Viertel vor sieben im Winter gehen die Häftlinge in den Hof, wo sie sich waschen müssen und eine Zuteilung von Brot erhalten. unmittelbar darauf formieren sie sich zu Werkstattgruppen und begeben sich an die Arbeit, die im Sommer um sechs Uhr beginnen muß und im Winter um sieben Uhr.
Art. 21. Mahlzeit. Um zehn Uhr verlassen die Häftlinge die Arbeit, um sich in den Speisesaal zu begeben; im Hof waschen sie sich die Hände und ordnen sich zu Abteilungen. Nach dem Essen bis zwanzig Minuten vor elf Uhr Erholung.
Art. 22. Schule. Beim Trommelwirbel um zwanzig vor elf formieren sich die Abteilungen, man geht zur Schule. Der Unterricht dauert zwei Stunden, die abwechselnd dem Lesen, dem Schreiben, dem geometrischen Zeichnen und dem Rechnen gewidmet werden.
Art. 23. Um zwanzig Minuten vor ein Uhr verlassen die Häftlinge in Abteilungen geordnet die Schule und begeben sich zur Erholung in den Hof. Beim Trommelwirbel um fünf vor eins formieren sie sich wieder zu Werkstattgruppen.
Art. 24. Um ein Uhr müssen sich die Häftlinge in die Werkstätten begeben haben: die Arbeit dauert bis vier Uhr.
Art. 25. Um vier Uhr verlassen die Häftlinge die Werkstätten und begeben sich in den Hof, wo sie sich die Hände waschen und zu Abteilungen für den Speisesaal formieren.
Art. 26. Das Abendessen und die darauffolgende Erholung dauern bis fünf Uhr: zu diesem Zeitpunkt kehren die Häftlinge in die Werkstätten zurück.
Art. 27. Die Arbeit endet im Sommer um sieben Uhr, im Winter um acht Uhr; in den Werkstätten gibt es eine letzte Brotzuteilung. Eine viertelstündige Lesung, die irgendwelche lehrreichen Begriffe oder einen wichtigen Charakterzug zum Gegenstand hat, wird von einem Häftling oder einem Aufseher durchgeführt, worauf das Abendgebet folgt.
Art. 28. Um halb acht Uhr im Sommer, um halb neun Uhr im Winter, müssen die Häftlinge in den Zellen sein, nachdem sie sich im Hof die Hände gewaschen haben und dort die Bekleidung kontrolliert worden ist. Beim ersten Trommelwirbel entkleiden sie sich, beim zweiten legen sie sich zu Bett. die Türen der Zellen werden geschlossen und die Aufseher machen die Runde in den Korridoren, um sich der Ordnung und Stille zu vergewissern.«[Leibesmarter und Zeitplanung] [...] definieren jeweils einen bestimmten Straf-Stil.
[quelle]Aus Michel Foucaults "Überwachung und Strafe: die Geburt des Gefängnisses."[/quelle]