Zitat
>>>Zitat Stephan Zöllner<<<
1. Wenn ich die Grund-Regeln der Auslegung / Interpretation einer Textgattung […] missachte ist es schlicht unmöglich das zu erkennen was der Autor ursprünglich gemeint hat, denn der Autor hat diese Textgattung nicht umsonst gewählt.
2. Die ursprüngliche Aussage des Autors zu rekonstruieren ist aber die erste Pflicht eines jeden redlichen Auslegers (herauszufinden was der Autor ursprünglich gemeint hat) - nicht nur bei der Bibel sondern bei allen (historischen) Texten!
3. Erst wenn der erste Schritt zuverlässig erledigt ist kann man über weitere Schritte nachdenken: Sprache, Gramatik, Text, Ort, Wort, Strukturanalyse, Strukturanalogie
4. Verlässt man diese Methode oder überspringt / ignoriert fahrlässig wesentliche Schritte davon wird es prinzipiell unmöglich zu Erkennen was der Autor ursprünglich gemeint hat.
5. Geht man regelmäßig oder sogar systematisch so vor bedeutet das, dass man die Bibel missbraucht und Gott missachtet womit man höchst töricht handelt was nach dem Gleichnis der Zehn Jungfrauen auch bedeutet, dass man sein Heil leichtfertig riskiert! Denn genau darum geht es in dem Gleichnis: logisch Selbstverständliches auch auf den Glauben, die Nachfolge und die zugehörige Bibelauslegung anzuwenden!
Stephan Zöllner: Ich habe deinen Beitrag oben aus dem Strang zu „die klugen und die törichten Jungfrauen“ herausgenommen, weil meine Gedanken hierzu das Thema stören würden. Ich sehe in deiner Aussage etwas, was mich immer wieder irritiert. Auf deiner Homepage habe ich zu verschiedenen Themen gelesen und auch hier im Forum bleibst du konsequent, indem du sagst, dass man Gottes Wort nur durch eine strukturierte Analyse verstehen kann. Zuletzt eben in dem Beispiel zu den törichten Jungfrauen.
Es geht mir um das Grundsätzliche. Du sagst, ohne einen klaren Blick auf Sprache, Grammatik, Text, Ort, Strukturanalyse und Strukturanalogie zu haben, gerät man in Gefahr, Gottes Wort zu missverstehen, zu missachten oder gar zu missbrauchen.
Ich stimme dir zu, unbedingt, und wüsste auch nicht so recht, was ich dem entgegen halten sollte. Im Detail würde ich vielleicht noch einige Ergänzungen machen, ab du hast sie womöglich sowieso schon mitgedacht.
Für mich steht jedoch eine grössere Frage hinter der ganzen Interpretation biblischer Texte. Kann sich Gott den Umgang mit biblischen Texten wirklich so gedacht haben? Bis ins europäische 19. Jahrhundert hinein waren selbst in Mitteleuropa die Lese- und Schreibfähigkeiten der Bevölkerung begrenzt, noch im Mittelalter praktisch nicht vorhanden. Daher mein Gedanke Nr.1 : Konnte und kann Gott davon ausgehen, dass überhaupt jemand die Bibel lesen kann? Kann Gott Bibellesen als Weg zur Erkenntnis seines Willens erwarten?
Hier schliesst sich mein Gedanke Nr.2 an, bezüglich deiner strukturierten Analyse der Schriften. Welcher der Menschen (abgesehen fehlender Lese-Schreibfähigkeiten) in Antike, Mittelalter, früher Neuzeit und auch heute, im Juni 2014 hat denn wirklich die von dir dargestellten Fähigkeiten? Um deine Methode nachvollziehen zu können (und wie gesagt, ich bestreite sie nicht, sie ist richtig!) braucht es ein sehr gutes Niveau schulischer Vorbildung, Sprachkenntnisse, Wissen (mehr noch wissenschaftliche Kenntnisse zu Methoden) um die Analyse von Texten, eigentlich ein Theologiestudium, Geschichtsstudium, vielleicht auch noch in Altorientalistik.
Du kennst die christliche Geschichte bestens. Der katholischen Kirche wird vorgeworfen, Text und Interpretation an sich gerissen, den Menschen die Wahrheit vorenthalten zu haben. Ein Blick auf andere Kulturen zeigt, dass für die Interpretation und Vermittlung religiöser Überlieferungen immer schon „Spezialisten“ zuständig waren, die altägyptische Priesterschaft genauso wie heute Imame, Rabbiner oder anderswo Zauberer.
Um meine Gedanken zusammen zu fassen: Kann Gott von uns Menschen aller Zeitalter wirklich erwarten, dass wir Menschen lesen und biblische Schriften verstehen können? Zumindest nach der von dir beschriebenen Methode werden nur die Wenigsten intellektuell in der Lage sein, den Willen Gottes, der Offenbarung Gottes näher kommen können. Im Gegenteil, durch Fehlinterpretationen werden wir uns eher noch von Gott entfernen. Kann sich Gott die Sache so gedacht haben?
Meine gegenwärtige Konklusion: Gott offenbart sich AUCH durch die Schrift. Aber wohl nicht nur, und schon gar nicht überwiegend. Er wird uns Menschen senden, durch die er wirkt und durch die wir mehr von seinem Willen erfahren dürfen. Gott ist am ehesten dort, wo ich ihm selbst begegne, wo ich seine Gegenwart spüre. In den Schriften erkenne ich ein wenig von Gott, aber auch sehr viel Menschenhand und es wäre töricht, nur alleine darauf ein Glaubensgebäude zu errichten.
Wenn jedoch jemand die Gabe hat, mit grossem Wissen die Schriften derart strukturiert durchdringen zu können, wie du Stephan Zöllner, ja, das wäre eine grosse Gabe. Nur nicht für Jedermann. – Um auf die törichten Jungfrauen zurück zu kommen, es ist beinahe zwangsläufig, dass wir Menschen diese Parabeln nicht „richtig“ interpretieren können. Und Gott kann uns noch nicht einmal böse sein deswegen.