- Offizieller Beitrag
Ich empfinde es irgendwie befremdlich, wenn Gläubige - organisiert in den unterschiedlichsten Konfessionen - Spaltungen in der Christenheit verteufeln. Ja, sorry, warum seid ihr dann noch in eurer Kirche? Ach Schuld sind die anderen, die sich abgespalten haben...
Ehrlich gesagt, ich finde es gut, dass sich jeder nach seiner Glaubensüberzeugung organisieren kann und da - wo er es für sich für nötig hält - auch klar abgrenzt. Ist das Spaltung?
Was ich aber nicht gut finde: Gegenseitiges verbales bekriegen. Dialog, klare Kante und klare Positionen ja, aber bitte sachlich und anständig. Ist das Einheit?
Die Frage von Babylonier ging aber dahin, warum Glaubensvielfalt bzw. Polarisierung überhaupt zu Streit führen müssen, d. h. warum man nicht einfach in "einer" Glaubensgemeinschaft – ohne Spaltung - eine Glaubensvielfalt so (streitlos) stehen lassen kann wie sie ist? Und das ist vielleicht sogar die Kernfrage im ganzen derzeitigen STA-Konflikt: Warum lasst ihr uns nicht einfach unseren Weg in Liebe gehen und wollt uns jetzt unser biblisch begründetes Gewissen zuchtmeistern, ist dies nicht gegen die Freiheit die in Christus Jesus garantiert wurde?
Ich denke auch, dass dies die Kernfrage ist, quasi die "Mutter aller Probleme"
Glaubensvielfalt gibt es immer nur innerhalb bestimmter - selbstdefinierter - Grenzen einer Glaubensgemeinschaft. Diese Glaubensvielfalt und die Grenzen gab es in der Adventgemeinde schon immer. Die Frauenordination ist laut weltweiter Mehrheit der Adventisten keine Frage der weltweiten Glaubensvielfalt, sondern eine Grenze (s. GK-Beschluss). Daher auch der Vereinheitlichungsversuch diesbezüglich: Wer Frauen ordiniert übertritt die Grenze, die die weltweite Gemeinde festgelegt hat. Er stellt sich damit außerhalb der weltweiten Gemeinde.
Einige europäische und nordamerikanische Verbände sehen die Frauenordination nicht als unüberschreitbare Grenze an, sondern als (notwendige) Möglichkeit innerhalb der adventistischen Vielfalt. Diese Verbände konnten sich bis jetzt mehrheitlich nicht mit ihrer Auffassung durchsetzen.
Warum gibt es diese beiden unterschiedlichen Auffassungen? Ich denke, dass unsere Kirche weltweit zum einen auf unterschiedlichen kirchenhistorischen Entwicklungsstufen steht und zum anderen sich innerhalb unterschiedlichster Kulturen behaupten muss.
Die Adventisten in Europa und den USA haben sich seit über 100 Jahren etabliert. Während es sich anfangs um eine Bewegung handelte, sind es heute "Volkskirchen". Was meine ich damit? Eine Bewegung speist sich aus einen bewussten "Übertritt" und einem klaren, abgrenzenden Bekenntnis, während sich die zahlenmäßige Größe der "Volkskirche" aus den leiblichen Kindern der Mitglieder ergibt. Während sich die Bewegung aus einen Zufluss von Außen speist, lebt die "Volkskirche" zum größten Teil vom eigenen, biologischen Nachwuchs.
Was hat das nun mit der heutigen Situation zu tun?
Bewegungen haben in der Regel ein klares Profil, d.h. feste Grenze und eine einheitliche Identität, die nicht diskutiert wird, weil sie jedem klar ist.
Volkskirchen haben in der Regel kein klares Profil mehr, d.h. eine größere Vielfalt. Die eigene Identität wird im Gegensatz zur Bewegung diskutiert.
Die Adventgemeinde in z.B. Afrika hat eher den Charakter einer Bewegung (großer Zufluss, aber auch Abfluss), während sich die Adventgemeinden in den USA und Europa zu traditionellen Volkskirchen entwickeln, ohne nennenswerten Zufluss von Außen, aber fast konstanten Mitgliederzahlen.
Es gab in der kirchenhistorischen Entwicklung irgendwann einen Punkt, an dem der ursprüngliche Missionsgedanke der Bewegung in ihrer kultuerellen Umgebung nicht mehr zündete und das Überleben der Gemeinschaft nur noch durch die eigene Reproduktion gesichert wurde. Es ist meines Erachtens nur eine Frage der Zeit, bis sich dieser Zustand auch in z.B. Afrika einstellt. Ich habe große Sorge, ob eine "Volkskirche" mit 35.000 Mitgliedern in Deutschland mittel- oder langfristig überleben kann. Eine Spaltung in "orthodox" und "progressiv" hat es in der allgemeinen Kirchengeschichte immer wieder gegeben. Einer Seite gelang meist der Neustart als Bewegung - nur welches adventistische Lager wäre es in Deutschland?
Das Problem: Eine Bewegung lässt sich nicht verordnen oder produzieren. "Volkskirchen", die so tun wollen, als wären sie eine Bewegung, merkt man es relativ schnell an - Druck, Manipulation, geistlicher Missbrauch - übertünchte Gräber eben.