- Offizieller Beitrag
Hallo zusammen,
unsere heutige Predigt war eine über ein Thema, worüber ich schon sehr oft und sehr viele Predigten gehört habe: Die anvertrauten Talente/Zentner. Es kommt interessanterweise zweimal in den Evangelien vor. Einmal in Matthäus 25, direkt nach dem Gleichnis der 10 Jungfrauen. Und einmal in Lukas, gleich nach dem Zöllner Zachäus, der Jesus in sein Haus einladet. Bevor ich noch den Bibeltext hier einstelle eine Frage an euch: Obwohl die grundsätzlichen Eckpunkte des Gleichnisses gleich behandelt werden, unterscheiden sich die beiden Berichte zu den Worten Jesu in einigen Details sehr stark voneinander. Ich frage mich dann, ob Jesus das Gleichnis nicht zweimal zu verschiedenen Zeitpunkten erzählt hat und sich daher die Berichte in einigen Details so stark unterscheiden? Ist diese Vermutung nicht naheliegend? Einmal ist Jesus bei seiner Endzeitrede und das andere Mal kurz nach Zachäus.
Hier die Texte:
Mt. 25
Das Gleichnis von den anvertrauten Talenten
14 Denn es ist wie bei einem Menschen, der außer Landes reisen wollte, seine Knechte rief und ihnen seine Güter übergab.
15 Dem einen gab er fünf Talente, dem anderen zwei, dem dritten eins, jedem nach seiner Kraft, und er reiste sogleich ab.
16 Da ging der hin, welcher die fünf Talente empfangen hatte, handelte mit ihnen und gewann fünf weitere Talente.
17 Und ebenso der, welcher die zwei Talente [empfangen hatte], auch er gewann zwei weitere.
18 Aber der, welcher das eine empfangen hatte, ging hin, grub die Erde auf und verbarg das Geld seines Herrn.
19 Nach langer Zeit aber kommt der Herr dieser Knechte und hält Abrechnung mit ihnen.
20 Und es trat der hinzu, der die fünf Talente empfangen hatte, brachte noch fünf weitere Talente herzu und sprach: Herr, du hast mir fünf Talente übergeben; siehe, ich habe mit ihnen fünf weitere Talente gewonnen.
21 Da sagte sein Herr zu ihm: Recht so, du guter und treuer Knecht! Du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über vieles setzen; geh ein zur Freude deines Herrn!
22 Und es trat auch der hinzu, der die zwei Talente empfangen hatte, und sprach: Herr, du hast mir zwei Talente übergeben; siehe, ich habe mit ihnen zwei andere Talente gewonnen.
23 Sein Herr sagte zu ihm: Recht so, du guter und treuer Knecht! Du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über vieles setzen; geh ein zur Freude deines Herrn!
24 Da trat auch der hinzu, der das eine Talent empfangen hatte, und sprach: Herr, ich kannte dich, dass du ein harter Mann bist. Du erntest, wo du nicht gesät, und sammelst, wo du nicht ausgestreut hast;
25 und ich fürchtete mich, ging hin und verbarg dein Talent in der Erde. Siehe, da hast du das Deine!
26 Aber sein Herr antwortete und sprach zu ihm: Du böser und fauler Knecht! Wusstest du, dass ich ernte, wo ich nicht gesät, und sammle, wo ich nicht ausgestreut habe?
27 Dann hättest du mein Geld den Wechslern bringen sollen, so hätte ich bei meinem Kommen das Meine mit Zinsen zurückerhalten.
28 Darum nehmt ihm das Talent weg und gebt es dem, der die zehn Talente hat!
29 Denn wer hat, dem wird gegeben werden, damit er Überfluss hat; von dem aber, der nicht hat, wird auch das genommen werden, was er hat.
30 Und den unnützen Knecht werft hinaus in die äußerste Finsternis! Dort wird das Heulen und Zähneknirschen sein
Lk. 19
Das Gleichnis von den anvertrauten Pfunden
11 Als sie aber dies hörten, fuhr er fort und sagte ein Gleichnis, weil er nahe bei Jerusalem war und sie meinten, das Reich Gottes würde unverzüglich erscheinen.
12 Er sprach nun: Ein Edelmann zog in ein fernes Land, um sich die Königswürde zu holen und dann wiederzukommen.
13 Und er rief zehn seiner Knechte, gab ihnen zehn Pfunde und sprach zu ihnen: Handelt damit, bis ich wiederkomme!
14 Seine Bürger aber hassten ihn und schickten ihm eine Gesandtschaft nach und ließen sagen: Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche!
15 Und es geschah, als er wiederkam, nachdem er die Königswürde empfangen hatte, da ließ er die Knechte, denen er das Geld gegeben hatte, vor sich rufen, um zu erfahren, was jeder erhandelt habe.
16 Da kam der erste und sprach: Herr, dein Pfund hat zehn Pfund dazugewonnen!
17 Und er sprach zu ihm: Recht so, du guter Knecht! Weil du im Geringsten treu gewesen bist, sollst du Vollmacht über zehn Städte haben!
18 Und der zweite kam und sprach: Herr, dein Pfund hat fünf Pfund erworben!
19 Er aber sprach auch zu diesem: So sollst auch du über fünf Städte gesetzt sein!
20 Und ein anderer kam und sprach: Herr, siehe, hier ist dein Pfund, das ich im Schweißtuch aufbewahrt habe!
21 Denn ich fürchtete dich, weil du ein strenger Mann bist; du nimmst, was du nicht eingelegt, und erntest, was du nicht gesät hast.
22 Da sprach er zu ihm: Nach [dem Wort] deines Mundes will ich dich richten, du böser Knecht! Wusstest du, dass ich ein strenger Mann bin, dass ich nehme, was ich nicht eingelegt, und ernte, was ich nicht gesät habe?
23 Warum hast du dann mein Geld nicht auf der Bank angelegt, sodass ich es bei meiner Ankunft mit Zinsen hätte einziehen können?
24 Und zu den Umstehenden sprach er: Nehmt ihm das Pfund weg und gebt es dem, der die zehn Pfunde hat!
25 Da sagten sie zu ihm: Herr, er hat schon zehn Pfunde!
26 Denn ich sage euch: Wer hat, dem wird gegeben werden; von dem aber, der nicht hat, von ihm wird auch das genommen werden, was er hat.
27 Doch jene meine Feinde, die nicht wollten, dass ich König über sie werde — bringt sie her und erschlagt sie vor mir!
Die Unterschiede in den Details machen aus meiner Sicht nichts aus, da die Hauptaussage - und darum geht es ja bei Gleichnissen - gleich bleibt. Ob jetzt aus 1 Talent 10 werden oder aus 5 Talenten 10 ist im Endeffekt nicht so wichtig. Es gibt zwei Gruppen von Knechten, solche die etwas aus dem Anvertrauten machen und solche, die daraus nichts machen.
Interessant auch was dem Herrn/Fürsten/Edelmann reicht: Es würde ihm reichen, wenn man die Talente zur Bank bringt, damit sie Zinsen abwerfen. Der Anspruch ist also im Grunde nicht sehr hoch.
Was mich aber an dem Gleichnis interessiert ist die Deutung von Talenten und der Überantwortung des Herrn ebendieser an seine Knechte. Ich habe die Texte oben markiert. Ein Talent, das hat unser Prediger Daumen mal Pi nachgerechnet, das entspräche heute 350.000 EUR. Formel: 1 Talent = 60 Minen. 1 Mine = 100 Drachmen. 1 Talent ist also 6.000 Drachmen. Ein Drachme = ein Tageslohn damals. Also haben wir es bei einem Talent mit dem Gegenwert von 20 Jahren Arbeit (gerechnet mit 6 Arbeitstagen in der Woche!) eines Durchschnittslohnempfängers zu tun. Wenn man heute von einem Durchschnittslohn von 1.500 EUR netto ausgeht, dann käme man auf ca. 350.000 EUR. Wobei ich mich da jetzt nicht festlegen würde. Seien es 400.000 oder 300.000, für die Aussage des Gleichnisses ist es egal. Ein Talent war eine Menge Schotter so viel ist fix.
Was versinnbildlicht jetzt ein Talent für uns als Aussage von dem Gleichnis? Es handelt sich meiner Meinung nach NICHT um anvertraute Gaben und Fähigkeiten. Weil in Mt. 25,15 davon die Rede ist, dass "jeder nach seiner Kraft (od. Fähigkeit)" die Talente erhält. Talente sind somit eine Art Kapital, das jeder danach zugeteilt bekommt, wie begabt/fähig er/sie ist.
Bloß welche Lehre kann man daraus ziehen? Bedeutet es, dass wenn jemand reich ist, dass er quasi von Gott aufgrund seiner Fähigkeiten VIEL erhalten hat und auch viel daraus gemacht hat?
Belohnt Gott angeborene Fähigkeiten oder angelernte/verfeinerte Begabungen?
Ist ein kapitalistisches Denken bei dem Gleichnis nicht zwangsmäßig geboten?
Wie lassen sich die unterschiedlichen Ausprägungen der Gewinnentwicklung bei den Knechten erklären. Alle hatten gleich viel Zeit gehabt um mit dem anvertrauten Kapital zu wirtschaften. Einer macht aus 5 gleich 10 Talente, ein anderer aus 2 "nur" 2. Beide verdoppeln sich und sind dem Knecht aus Lukas 19,16 dennoch in der Entwicklung weit unterlegen. Wie kann man in gleicher Zeit auf legale Art und Weise aus dem gleichen Startkapital das 10fache machen? Oder anders gefragt: Was würdet ihr heute mit 350.000 EUR machen um es innerhalb einer bestimmten Zeit zu verdoppeln oder zu verzehnfachen? Investmenttipps welcome!
Gibt's noch andere offene Fragen zu dem Gleichnis?
viele Grüße
Tricky