Heutiger Vortrag zum Reformationstag

  • Von 19:30 Uhr bis 21:00 Uhr fand der traditionelle Vortrag zum heutigen Reformationstag in der Schorndorfer Stadtkirche statt.
    Die Kirchenhistorikerin Dr. Susanne Schenk berichtete zum Thema "Laienengagement und reformatorische Vielstimmigkeit im Südwesten in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts" v.a. anhand der Vorkommnisse » in Ulm und um Ulm und um Ulm herum «. Ulm war als "Freie Reichsstadt" ein Brennpunkt des alten und neuen Glaubens und direkt dem Kaiser unterstellt. Da der Kaiser als Oberhaupt den reformatorischen Glauben verboten hatte, wandten sich 4 Ulmer Bürger in einer 14seitigen Petition an den Rat der Stadt Ulm, die die Stadt regierten. Diese baten den Rat die reformatorische Predigt - trotz kaiserlichen Verbots - zuzulassen, da es Aufgabe eines jeden Christen sei sich gegenseitig in Christus zu ermahnen. Man sollte in Zukunft das einfache Evangelium Christi gemäss der alleinigen Lehre der Bibel (»sola scriptura«) hören. Man war sich bewusst, dass dies Verfolgung und Leiden nach sich ziehen könne, aber „gegen sein Gewissen zu handeln, ist Gottlosigkeit!” schrieben die Ulmer in besagter Petition.

    In einem Bürgerbegehren der ca. 1700 Angehörigen der Zünfte stimmten 87% der Zünften-Angehörigen Ulmer für die reformatorische Predigt und so führte die Reichsstadt Ulm 1531 durch diesen Bürgerentscheid bestätigt, die Reformation ein. Gleichwohl wurden aber die Anhänger des katholischen Glaubens toleriert. Diese mussten nun - um die Messe zu besuchen - in die benachbarten Klöster wandern.

    Es bildeten sich somit in den 1530er bis 1540er Jahren insgesamt 4 christliche Richtungen in der Ulmer und südwestdeutschen Gegend (die sogenannten oberdeutschen Gebiete reichten von Strassburg bis Augsburg und von Konstanz und Basel bis nach Heilbronn und Heidelberg) heraus. Dies waren laut der zeitgenössischen Aussage eines Laupheimer Pfarrers:

      • Die „Päpstlichen”
      • Die „Lutheraner”
      • Die „Täufer”
      • Die „echten Evangelischen” [zu diesen rechnete sich auch dieser Laupheimer Pfarrer!]

      Schon sehr bald bildeten sich unter dieser 4. Gruppierung noch folgende Unterteilungen:4.1. Die „Zwinglianer”
      4.2. Die „Schwenkfelder” (= die Spiritualisten).

      Die Gruppierungen 2 - 4 beriefen sich alle in ihrer Argumentation auf die Bibel und die Worte Jesu. Vor allem in Sachen Abendmahl und Taufe traten die Unterschiede zu Tage, was ja bereits das Marburger Religionsgespräch von 1529 zu Tage förderte. Luther bestand durch die Einsetzungsworte des Abendmahls („Dies ist mein Leib! Dies ist mein Blut!”) auf die leibliche Gegenwart des Herrn unter den Gestalten von Brot und Wein, während Zwingli diese Worte nur symbolisch („in Geist und Wahrheit”) auffasste; dies hatte zur Folge, dass es 444 Jahre keinerlei Abendmahlsgemeinschaft zwischen Lutheranern und Zwinglianern („Reformierte”) gab. Erst mit der vor 45 Jahren, 1973 verfassten "Leuenberger Konkordienformel" wurde dieser Zustand überwunden.

      Die Täufer sprachen sich gegen die Kindertaufe aus und waren der biblischen Überzeugung, dass die Taufe der Bestätigungsakt des Glaubens sei. Die Anhänger Schwenkfelds beriefen sich auf Johannes 4,24 - Lutherbibel 2017 :: BibleServer Mobile.. (»Geist und Wahrheit«). Zitat: „Somit könne Christus nicht materiell als Fleisch und Blut in Brot und Wein gegenwärtig sein!”. Schwenkfeld blieb bis zu seinem Tode bei Anhängern in Ulm. Der Rat der Stadt Ulm war ursprünglich in der Abendmahlsfrage auf der Linie Zwinglis, schwenkte dann aber später auf die Linie Luthers um. Martin Bucer, Ökolampard und Ambrosius Blarer, der auch das südliche Württemberg reformierte, waren alle tätig in der Freien Reichsstadt Ulm, sodass schließlich der Rat der Stadt Ulm bereits 1531 die Reformation offiziell einführte, 1534 wurde dann schlieśslich auch im Herzogtum Württemberg die Reformation eingeführt, welche schweizerische und lutherische Gedanken in sich verband - bis heute!

      Alle diese Gruppierungen (2-4) trafen sich auch in den Häusern um zusammen die Bibel zu lesen; hieraus entwickelten sich dann unsere heutigen Hauskreise!

      Der fast einstündige Vortrag war hervorragend und sehr interessant. Schade nur dass nicht mal 100 Leute diesen wichtigen Vortrag angehört haben! Die Euphorie des letztjährigen 500 Jahre Reformations-Jubiläums 1517 - 2017 scheint 1 Jahr später verflogen zu sein!??!


      PS: Durch diese Vielstimmigkeit im Südwesten Deutschlands bedingt, sind auch unsere heutigen Wurzeln im Protestantismus erklärbar. ---> Aus den Täufern entwickelten sich die Baptisten und aus den Schwenkfeldern kamen schließlich auch die Pfingstler hervor.
      Zum Abschluss betonte Frau Dr. Schenk, dass »die Evangelische Vielstimmigkeit« daher komme, dass jeder Christ das Recht habe seine Bibel selbst auszulegen und wir deshalb - im Gegensatz zur römischen Kirche - kein offizielles Lehramt benötigen!

  • Grösssere Geschlossenheit, gegenseites Lernen, hätte die protestantische Reformation viel mächtiger gemacht und Auseinandersetzung mit den Päpstlichen verkürzt.

  • Offenbarung 3:1.2. steht:
    "... dass du den Namen hast, dass du lebst, und bist tot. Wach auf und stärke das übrige..."

    Darin sehe ich den Ruf Jesu, das, was vom "Urchristlichen" übrig ist, zu stärken und weiter zu reformieren.
    Nicht jedoch, eine oder manche der Sieben Gemeinden als "Babylon" zu brandmarken.