Vor wenigen Wochen bin ich einer zufälligen Einladung zu einem kleinen Gesprächskreis gefolgt. Ein regelmäßiges Treffen einer sehr kleinen sozialistischen Partei. Die kleine Gruppe machte einen keineswegs radikalen, eher idealistischen Eindruck. Mehr oder weniger war einer der Wortführer und gab ein kleines einleitendes Grundsatzstatement ab. Als ich ihnen zuhörte, fand ich erstaunliche Parallelen zu -- Euch! Gut, ich lasse die scherzhafte Zuspitzung. Tatsächlich fielen mir einige Parallelen zu gängigen Argumentationen fundamentalistischer oder einfach sehr gläubiger Christen auf.
- Beide Gruppen haben ein ideales Ziel, eine Art ideale Weltgemeinschaft vor Augen, das Reich Gottes oder eine gerechte Gesellschaft.
- Beide Gruppen haben ein konsistentes, in ihrer Gruppe weitgehend einvernehmlich geteiltes Weltbild von dem aus sie ihre Urteile mit großer Gewißheit ableiten.
- Beide Gruppen widmen sich dem Studium von Büchern, es gibt auch gewisse wesentliche Klassiker, bei den Christen die Bibel. Dabei versuchen die Eifrigsten unter ihnen mit quasi wissenschaftlicher Akribie ihre Lehre besser zu verstehen und ihre Weltanschauung scheinbar objektiv und unangreifbar zu untermauern. Die Adventisten studieren das Altgriechische und Hebräische und lesen theologische Schriften, die idealistischen Sozialisten lesen Bücher über Politik und Weltgeschichte, über Soziologie oder Politologie.
- Beide Gruppen berufen sich auf die vermeintlich objektiven und vermeintlich unbestreitbaren historischen Grundlagen ihrer Weltanschauung. ("Wir wissen, dass Jesus auferstanden ist." "Augenzeugen haben es überliefert." "Warum sollten Menschen einen Märtyrertod auf sich genommen haben, wenn sie nicht genau wußten, dass Jesus wahrhaftig wiederauferstanden ist." usw. usf.)
- Beide Gruppen deuten die Übel der Welt von ihrer Weltanschauung und ihrem Glauben ausgehend als Anzeichen des in ihrer Lehre vorhergesagten Niedergangs der gegenwärtigen Mißverhältnisse, die subjektive oder objektive Häufung von Übeln, Verbrechen oder gar Katastrophen werden als Symptome, des erwarteten Niedergangs und der erhofften historischen, weltgeschichtlichen oder eschatologischen Wende angesehen.
- Beide Gruppen haben Theorien über den historischen Fortgang, ja sie vermeinen, die politische und gesellschaftliche Zukunft aus ihrer Lehre vorhersagen zu können. Erst werde dies und dann werde jenes geschehen.
- Beide Gruppen glauben, es gäbe eine zentrale unverzichtbare Erlösungsinstanz. Die Christen/Adventisten in etwa: "Aber wir können allein freilich nichts erreichen, die Erlösung kommt allein von Jesus." Oder: "Nur Jesus kann/weiß/ist ..." Die idealistischen Sozialisten: "Aber nur durch die Arbeiterklasse selbst kann der Wandel herbeigeführt werden."