Ist biblische Prophetie "global" auszulegen?

    • Offizieller Beitrag

    Einleitend möchte ich festhalten, dass mir eine direkte, anlassbezogene Verknüpfung aktueller Ereignisse mit konkreten prophetischen Aussagen der Heiligen Schrift als sehr riskant erscheint. Schon zu oft sind daraus Irrlehren erwachsen, oder Auslegungen, die bald darauf revidiert oder zurückgezogen (bzw. "vergessen") werden mussten. Ich will das daher hier explizit NICHT machen.

    Als ich heute den nachfolgenden Untertitel in der FAZ gelesen habe kam mir der Gedanke, ob wir nicht die Auslegung der Heiligen Schrift (insbesondere auch die der Offenbarung) nicht "global" angehen sollten, sondern regional - so wie auch die Prophezeiungen Daniels, die schon in seinem Buch ausgelegt sind, auf "regionale" Mächte beziehen. China, wie wir heute wissen ein Riesenreich in der damaligen Zeit kommt ebenso wenig vor, wie Vorfahren der Azteken oder die Mayas, die ebenfalls relevant waren.

    Zitat

    Die orientalischen Kirchen sind der Ursprung des Christentums. Jetzt werden sie von Terrorgruppen wie dem „Islamischen Staat“ ausgelöscht. Bald wird es im Mittleren Osten keine Christen mehr geben.

    Ganzer Artikel:
    FAZ

    Können wir die Zeichen der Zeit, der Verfolgung, die wir in der Offenbarung finden auf unsere Mitchristen im Nahen Osten beziehen und annehmen, der Rest der Welt wäre "prophetisch irrelevant"?

    Habt Ihr dazu Gedanken?

    .

  • Lieber Heimo.

    Bisher habe ich bei der Auslegung von Daniel und der Offrenbarung das, was sich auf die Vergangenheit bezog und schon erfüllte, immer als gut und richtig gefunden. Auslegungen auf die Zukunft sehe ich aber immer mit Vorsicht entgegen und dem Unterbewusstsein: Es könnte auch anders kommen. Dafür habe ich schon zu viele Vorhersagen in meiner Gemeinde erlebt, die dann doch anders eintrafen als erwartet oder gar nicht.

    Sicher sieht die Welt aus dem Blickwinkel eines Bruders aus Tansania oder Pakistan anders aus als aus unserem Blickwinkel. Aber das, was sich in der Vergangenheit als richtig und wahr erwies, solltre auch wahr bleiben. Was in der Zukunft auf uns zu kommt, weiß allein Gott ganz genau. Da kann man nur sagen: Nach meinem heutigen Erkenntnis Stand.....

    Wenn ich aber sehe, welchen Wirrwar andere evangelikale Richtungen mit anderen Auslegungs Prinzipien zu verkraften haben (siehe z.B.: "Alter Planet Erde, wohin?"), bin ich Gott erneut dankbar, dass ich Adventist sein darf.

    Liebe Grüße von benSalomo.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo HeimoW,
    bis lang halte ich die "traditionelle" adventistische Auslegung des Buches Daniel und Offenbarung in ihren Grundzügen für die, die sich am ehesten an den eigentlichen Text hält - und zwar weil sie sich bemüht den Gesamtkontext zu wahren. Ich halte hermeneutisch gesehen ein gesamtheitliches Vorgehen in der Auslegung für am sinnvollsten, auch wenn es möglicherweise für den Leser ("Studierenden") die anstrengendste Methode ist. Wenn man die Offenbarung liest, fallen einen die vielen Symbole und Szenarien auf, die wir auch schon bei den AT-Propheten finden - und doch decken sie sich in manchen Fällen nicht zu 100%. Die Frage ist nun, was der Autor uns damit sagen will: Fügt er den AT-Prophezeiungen etwas an Tiefe hinzu oder beschreibt er andere Ereignisse nur mit den ähnlichen Symboliken? Meine und die "traditionelle" adventistische Sicht ist erstere Variante. Johannes führt in der Offenbarung bevorzugt die AT-Themen weiter aus indem er sie erweitert und verknüpft. Die Offenbarung erscheint mir manchmal wie ein "Best of" der AT-Propheten.

    Ohne mich jetzt in Details zu verlieren, stellt sich für mich in der Gesamtschau das Buch Daniel so vor, dass es nur die Weltreiche behandelt, mit denen das Volk Gottes in direkten Kontakt stand - was interessierte einen potentiellen Daniel-Leser, der sich zu damaliger im Nahen Osten oder in Europa befand, was im Kaiserreich China passierte? Es war weder nachprüfbar und noch relevant, da sich dort - soweit ich weiß - keiner aus dem Volk Gottes befand.

    Die Offenbarung hingegen hat für mich eindeutig globalen Charakter - klar, das Volk Gottes im NT agiert nun auch globaler als zu AT-Zeiten durch die Erfüllung ihres globalen Missionsauftrages ("Machet zu Jüngern alle Völker und Nationen!") und ist deshalb auch weltweit antichristlichen Kräften ausgesetzt. Ich bin sogar der Meinung, dass die globale Bedeutung der Prophetie deswegen in Richtung der Wiederkunft Jesu zunehmen muss. Begriffe wie Globalisierung und "globales Dorf" sind Wendungen, die unsere Zeit gravierend anders charakterisieren als alle Zeitalter jemals zuvor. Und genau das, sehe ich in der Offenbarung auch erfüllt bzw. sich am erfüllen, die Offenbarung durch ihre Begriffe, Symboliken und Wendungen - soll ich dies jetzt ausführen und mit entsprechenden Textstellen belegen, dass die Offenbarung eine globale Sprache spricht?

    Können wir die Zeichen der Zeit, der Verfolgung, die wir in der Offenbarung finden auf unsere Mitchristen im Nahen Osten beziehen und annehmen, der Rest der Welt wäre "prophetisch irrelevant"?


    Ich sehe die Offenbarung als "grobe" Übersicht über die letzten Dinge, die sich nicht in solchen "Details" (bitte nicht falsch verstehen!) verliert. Sie zeigt mir einen gewissen globalen Trend auf. Ich denke, es wird viel Schaden an der Glaubwürdigkeit des adventistischen Prophetie-Verständnisses angerichtet, wenn die Offenbarung konkreter gemacht wird, als sie eigentlich ist. Gewiss, diese Grenze zwischen Übersicht und Detail ist manchmal nicht leicht zu finden, aber dennoch mit viel Weisheit zu ziehen. Ich lese beispielweise von einer "Unheiligen Dreieinigkeit" - aber Freimaurertum? Höchstens ein Produkt oder Symptom dieser Mächte, jedenfalls nichts, wovon die Offenbarung explizit schreibt.

    Die Offenbarung halte ich prophetisch für da relevant, wo Christen leben - getreu den oben beschriebenen Verständnis von mir.

    Mich würde interessieren, ob du im Text Hinweise auf eine regionale Bedeutung der Offenbarung findest, insbesondere für den "Nahen Osten" bzw. die Islam-Problematik? Bislang habe ich dazu immer nur hypothetische Hinweise gehört, aber noch keine konkrete, textbezogene Auslegung gelesen. Ok, die "Sieben Posaunen" von Uriah Smith ausgenommen...

  • HeimoW
    Sowohl das Buch Daniel und die Offenbarung haben Punkte die Regional und auch global sind. Sehr vieles ist natürlich Regional. Eindeutig um Globale Ereignisse handelt es sich z.B. in Dan. 2,36 Der Stein ,wurde ein großer Berg, der die ganze Welt füllte.
    Offb16 ,14 Die Geister der Teufel gehen aus zu den Königen auf dem ganzen Erdkreis. Auch das ist eindeutig für mich globalen Al zu sehen. Allerdings dürften etliche Beschreibungen in Offb16 regional sein. Das Erdbeben in Offb16, 18 sehe ich dann wiederum als global.
    Offb16, 20 alle Insel entflohen. Das ist für mich auch global, alle Insel der Welt werden verschwinden.

  • Können wir die Zeichen der Zeit, der Verfolgung, die wir in der Offenbarung finden auf unsere Mitchristen im Nahen Osten beziehen und annehmen, der Rest der Welt wäre "prophetisch irrelevant"?


    nachdenkenswerte Fragestellung!

    Das muß eigentlich genau genommen nach den hermeneutischen Regeln vom konkreten Text her und seiner Grundaussage entschieden werden.
    Außerdem enthalten praktisch alle wichtigen biblischen Aussagen auch Inhalte, die generell übertragen werden können bzw. sogar sollen.

    Das Prinzip von Ewigem Evangelium, gegenwärtiger Wahrheit und konlkreter Anwendung auf meien Umwelt und Situation ist ja immer vorhanden!

    Was die Offenbarung anbelangt ist sie sprachlich in der Struktur sehr systematisch angelegt (vergl.: Gliederiung der Offenbarung ) und allein die Berücksichtigung dieses Musters müßte schon viel Aufschluß geben

    • Offizieller Beitrag

    Was die Offenbarung anbelangt ist sie sprachlich in der Struktur sehr systematisch angelegt (vergl.: Gliederiung der Offenbarung ) und allein die Berücksichtigung dieses Musters müßte schon viel aufschluß geben


    Ja, das sehe ich auch so. Zwar ist die Struktur nicht der alleinige Schlüssel zum Verständnis, aber eine ungeheure Hilfe. Nur hier fängt schon das erste Probleme an: Wie teile ich die Offenbarung ein? Wenn ich es richtig sehe auf deiner Homepage, hast du die Offenbarung in sechs Teile eingeteilt ("Der Thron Gottes" ist ein Einschub?). Adventistische Theologen gehen von acht (Kenneth Strand) oder sieben (Richardson & Paulien) Textblöcken aus. Alle haben wohl nach Pröbstle gemein, dass es einen Briefteil (Kapitel 1-3) und einen prophetischen Teil (4-22) gibt. Letzterer kann noch einmal in einen historischen (4-11) und einen eschatologischen Teil (15-22) unterteilt werden, wobei der Schnitt- und Höhepunkt die Kapitel 12-14 sind.

    Wenn ich mich recht erinnere, dann nimmt die Offenbarung spätestens ab Kapitel 12 deutlich globale Züge an. Die Heilige Dreieinigkeit aus Drache, Erdentier und Meerestier formiert sich und mündet in einen globalen Babylon.

    Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Buße leitet?

    Der HERR hat's gegeben, der HERR hat's genommen; der Name des HERRN sei gelobt!

  • ich habe die Strukturanalyse rein aus den Inhalten des bibeltextes entnommen und ganz bewußt jede andere Quelle ignoriert.
    Mir ist es nämlich ganz wurscht - jedenfalls im Ersten Ansatz! - was andere dazu SChlaue oder Dummes schon geschrieben haben.

    Die Schrift selbst soll das Zeugnis sein!

    Diese grobe Struktur zeigt insgesamt wie die Pfeile einer Einbahnstraße in ganz genau eine Richtung: Auf Vollendung, Gericht und Reinigung also Erlösung!
    und das kann jeder Nchfolger Christi verstehen und sehnt es von Herzen herbei!

    Die Botschaft der Offenbarung ist also nicht der apokalyptische Untergang der Welt sondern das einbrechen von Gottes ewiger Wirklichkeit - eine lebendige Botschaft der Hoffnung trotz aller Wirren und des Gerichtes.

    Wenn ich das verstanden habe genügt mir das bisher völlig, denn was bringt der Streit und aufwändige Dispute über winzige Kleinigkeiten in denen wir uns schon so oft revidieren mußten.

    Ich entdecke immer Möglichkeiten der Deutung aber werde mich nie festlegen, denn das halte ich nicht nur für unklug sondern sogar für vermessen.
    Wenn Gott möchte, dass ich die Offenbarung verstehe wird ER dafür sorgen, dass es zum richtigen Zeitpunkt so weit ist. Darin die richtigen Zeitpunkte zu organisieren ist er der MEISTER!

    Bis dahin darf ich mich wichtigerem widmen: dem Leben z.B. und mich rufen lassen zum konkreten Dienst an Menschen indem sie lernen Gottes Wort zu lesen udn zu verstehen wo es WICHTIG ist. Das notwendige Beiwerk ergibt sich dann schon wenn es soweit ist!

  • .
    Die Prophezeiungen von Konfliktpotential und Konflikten z.B. im Nahen Osten, Heiligen Land kommen nicht in Daniel und Offenbarung vor, sondern in z.B. Genesis und den Propheten.

    Ein Beispiel:

    Zitat

    Genesis 16,10 Und der Engel des HERRN sprach zu ihr [=Hagar]: Ich will deine Nachkommen so sehr mehren, dass man sie nicht zählen kann vor Menge. 11 Und der Engel des HERRN sprach weiter zu ihr: Siehe, du bist schwanger und wirst einen Sohn gebären; dem sollst du den Namen Ismael geben, denn der HERR hat auf dein Elend gehört. 12 Und er, er wird ein wilder Mensch [=wie ein Wildesel sein]; seine Hand gegen alle und die Hand aller gegen ihn, und allen seinen Brüdern setzt er sich vors Gesicht [wohnt bei all seinen Brüdern zum Trotz].

    Genesis 17,20: "Aber auch für Ismael habe ich dich erhört: Siehe, ich werde ihn segnen und werde ihn fruchtbar machen und ihn sehr, sehr mehren. Zwölf Fürsten wird er zeugen, und ich werde ihn zu einer großen Nation/Volk machen."


    Die 2 Völker sitzen sich praktisch voreinander [im Gesicht] zum Trotz des jeweiligen Anderen, der dies gar nicht haben will...
    Ist das nicht 1:1 die Situation dort HEUTE ?!? :rolleyes:

    =====================

    Über die Heidenvölker gibt es viele Aussagen, z.B. diese nach der Aufzählung des Geschlechtes Jafets:

    Zitat

    Genesis 10,5 [...] von diesen haben sie sich auf die Gebiete/Inseln der Heiden verteilt, in ihre Länder, jeder nach seiner Sprache; in ihre Völkerschaften, jeder nach seiner Sippe.


    und viele weitere vorallem strafende, kriegerische, vernichtende Aussagen über die Heidenvölker in den (kleinen) Prophetenbüchern...
    ... bis zur Wiederkunft.
    .

    »Wenn euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr wirklich frei!« (Johannes 8:36)

    »Ich (Jesus) bin gekommen, damit sie das Leben haben und volle Genüge!« (Johannes 10:10b)

    Einmal editiert, zuletzt von John Q. Public (23. August 2014 um 23:12)