Die Bibel aus dem Urtext übersetzt?

  • Auf Wikipedia gibt es derzeit wieder eine kleinere Meinungsverschiedenheit, was in dem Artikel über die Bibel in angeblich gerechter Sprache stehen solle. Als ich eben die einleitenden Absätze des Artikels las, stutze ich bei dieser Formulierung:

    [infobox]Die Bibel in gerechter Sprache ist eine Übersetzung der biblischen Schriften (einschließlich Apokryphen) aus dem Urtext ins Deutsche [...].[/infobox]
    Ich möchte hier keine Sekunde darüber diskutieren, ob es sich um eine Übersetzung oder eine Übertragung handelt, auch nicht darüber, wie gut diese Veröffentlichung ist. (Diese Fragen wurden anderswo, auch von mir und auch in Wikipedia schon kontrovers diskutiert.) Vielmehr stutze ich bei der Formulierung "aus dem Urtext". Wenn ich richtig informiert bin, ist keinem heutigen Übersetzer der Urtext der Bibel zugänglich, sondern es gibt nur mehr oder weniger glaubhafte alte Handschriften und daneben wissenschaftliche Versuche etwas, was dem Urtext vermutlich weitgehend nahekommt, zu rekonstruieren. Daher meine ich, dass die Formulierung irreführend und lexikalisch unzulässig ist.

    Hat jemand von Euch fundierte Argumente, ob ich die Angelegenheit richtig oder falsch einschätze?

    Grüße
    Daniels

    "Prüft alles und, was gut ist,
    das behaltet. Aber was böse ist,
    darauf lasst euch nicht ein..."

    1. Thessalonicher 5, 21.22

    "Wähle das Leben, damit du lebst."
    5. Mose 30, 19

  • Welche Bibel hätte Jesus heute unterm Arm?

    Dort die Beiträge 85, 86, 87

    John Q. Public: hatte zu diesem Thema kürzlich den gegenwärtigen Stand zusammengefasst. Falls der obige Link (wie bei mir üblich) nicht funktionieren sollte, dann einfach das Thema "Welche Bibel hätte Jesus heute unter dem Arm" suchen. Falls nicht überraschender weise kürzlich der originale Urtext gefunden worden sein sollte, liefert John Q. Public sicher einen guten Überblick über den gegenwärtigen Stand der Bibelforschung bzw. der Textrekonstruktion.

    Einmal editiert, zuletzt von HeimoW (27. Mai 2014 um 10:19) aus folgendem Grund: Link repariert...

  • John Q. Public: hatte zu diesem Thema kürzlich den gegenwärtigen Stand zusammengefasst.


    Danke, Doriane! Diesen Thread kannte ich bisher weitgehend nur dem Titel nach und hatte ich nur zu kleinen Teilen mitgelesen.

    Der Link hat funktioniert. :)

    Grüße
    Daniels

    "Prüft alles und, was gut ist,
    das behaltet. Aber was böse ist,
    darauf lasst euch nicht ein..."

    1. Thessalonicher 5, 21.22

    "Wähle das Leben, damit du lebst."
    5. Mose 30, 19

    Einmal editiert, zuletzt von Daniels (27. Mai 2014 um 08:06)

  • Vielmehr stutze ich bei der Formulierung "aus dem Urtext"


    Daniels, auch ich habe schon im diesem Forum schlampigerweise das wort "Urtext" verwendet, den "Grundtext" meinend. - - JA , man sollte mit dem begriff "Urtext" vorsichtig umgehen, vermittelt doch dessen Verwendung, dass eine Übersetzung viel besser - präziser - wahrhaftiger sei als alle anderen.


    Dabei übersetzen - mit Aunahmen wie Allioli - doch alle aus dem - Grundtext beziehungsweise dessen dem Übersetzer vorliegender Fassung. Das ist oft eine - beabsichtigte ? - Propagandabehauptung.

    Nihil hic determino dictans : Conicio, conor, confero, tento, rogo, quero - -

    Leider kann ich nicht mit der alleinerziehenden Mutter aufwarten - -

  • Du siehst das vollkommen richtig:

    Der Urtext ist unbekannt und würde bedeuten, dass wir die Original-Handschriften vorliegen hätten, die direkt aus der Feder der Verfasser stammen.
    Wir arbeiten heute "nur" mit einem hervorragend rekonstruiertem Grundtext.

    Ein solcher Fehler geht zurück auf die Tatsache, dass der Verfasser des Artikels

    * den Unterschied zwischen Grundtext und Urtext nicht kennt
    * im Eifer des Gefechtes nicht sauber formuliert hat
    * Propaganda für die entsprechende Bibelübersetzung machen möchte

    Ich schätze mal, dass die letzten beiden Punkte zutreffend sein dürften. Unabhängig von der Ursache muss dieser Fehler korrigiert werden.

    Zur Übersetzungs- und Übertragungs-Problematik:
    Meiner Meinung nach hat jede Übersetzung oder Übertragung ihre spezifische Zielgruppe, der sie Jesus näher bringen möchte! Solange das gelingt ist das Ziel erreicht und die Bibel-Variante hat ihre (Existenz-) Berechtigung. Es spielt dabei keine Rolle ob mir die Sprache oder Übersetzungsqualität gefällt, denn sie muss schlicht zur Zielgruppe passen.
    Solange ich selbst nicht Teil der Zielgruppe bin oder den Horizont habe mich in diese hinein zu versetzen kann ich das gar nicht beurteilen. Denn es spielt keine Rolle ob mir diese Art der Übersetzung gefällt oder nicht, sie muss einfach die Zielgruppe da abholen wo sie ist!

    Für, die die das immer noch nicht verstehen: Es gibt ja aus genau dem gleichen Grund (Zielgruppenorientierung) vier Evangelien und nicht nur eines! Wenn also schon die Bibel selbst mit den Evangelien das Prinzip der Zielgruppenorientierung aufgreift um möglichst viele Menschen aus allen Völkern, Sprachen und Nationen zu erreichen ist es nur konsequent diese Idee auch bei den Übersetzungen / Übertragungen weiter zu verfolgen.
    Ich kann mir ja aus der gerade in D-Land sehr großen Liste von Bibel-Varianten die herausgreifen, die ich bevorzuge.

  • Der Wikipedia-Artikel beginnt seit gestern mit diesem Absatz:

    Zitat

    Die Bibel in gerechter Sprache ist eine Übersetzung der biblischen Schriften (einschließlich Apokryphen) aus den ursprünglichen Sprachen ins Deutsche, die in den Jahren 2001 bis 2006 von 40 weiblichen und 12 männlichen Bibelwissenschaftlern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz erarbeitet wurde. Sie erschien offiziell zur Frankfurter Buchmesse 2006.

    [quelle]Wikipedia[/quelle]

    Danke für Eure instruktiven Antworten!

    PS: @philanexandrinus: Ich habe eben zusätzlich in Wikipedia beantragt, dass die Weiterleitung von "Grundtext" auf "Urtext" gelöscht wird, mit folgender Begründung:

    Zitat

    Der Grundtext ist nicht der Urtext (Erläuterung zum Beispiel in dieser PDF) und im Artikel "Urtext" kommt das Wort Grundtext nicht einmal vor. Der Grundtext ist der Text von dem die Übersetzung ausgeht, der Urtext ist die ursprüngliche Fassung des übersetzten Textes. Von den Büchern zum Beispiel des Alten Testaments liegt keine Erstfassung, kein Urtext also, mehr vor, es liegen viele neuere Abschriften oder Fragmente von Abschriften oder Übersetzungen vor und außerdem philologische Rekonstruktionen.

    "Prüft alles und, was gut ist,
    das behaltet. Aber was böse ist,
    darauf lasst euch nicht ein..."

    1. Thessalonicher 5, 21.22

    "Wähle das Leben, damit du lebst."
    5. Mose 30, 19

    Einmal editiert, zuletzt von Daniels (28. Mai 2014 um 19:38)