Vergebung - die christliche Tugend

  • Da trat Petrus zu ihm und sprach: Herr, wie oft muss ich denn meinem Bruder, der an mir sündigt, vergeben? Ist´s genug siebenmal? Jesus sprach zu ihm: Ich sage dir: Nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal. (Matthäus 18,21.22/ Luther 1912)

    Hallo ihr Lieben!

    Hiermit möchte ich ein Thema anstoßen, über das es sich immer wieder nachzudenken lohnt:

    • Was ist Vergebung?
    • Ab wann ist Schluss?
    • Ist es "reueabhängig" (was unser Zwischenmenschliches angeht; nicht Gottes Gericht)?
    • Vergeben = Vergessen?
    • Nur für Brüder und Schwestern? Wer ist der Nächste (Näheste)?
    • und viele weitere Fragen, Aspekte, Blickwinkel...


    Ich selbst bin jemand, der zumindest vom Naturell her, wenig nachtragend ist, aber es gibt ja viele andere Charaktere und Temperamente. Was haben wir also zu lernen? Wie haben wir das als Christen zu sehen? Was habt ihr für Erfahrungen an Veränderung des Herzens, die ihr berichten könnt?

    Freue mich auf eure Beiträge! Gesegneten Sabbat!

    Und vergib uns unsere Schuld, wie wir unsern Schuldigern vergeben. (Matthäus 6,12)

    Denn so ihr den Menschen ihre Fehler vergebet, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. Wo ihr aber den Menschen ihre Fehler nicht vergebet, so wird euch euer Vater eure Fehler auch nicht vergeben. (Matthäus 6,14.15)

  • Für einen unbekehrten Menschen lohnt es sich darüber nachzudenken, für einen bekehrten Menschen ist es selbstverständlich in Vergebungsbereitschaft zu leben.

  • Was ist Vergebung?


    Ich habe einen jüngeren Adventistenpastor vor einigen Monaten über Vergebung sprechen hören, er kündigte ein Vergebungsseminar an. Etwas sonderbar kam mir der psychologisierende pragmatische Ansatz vor. Erläutert wurde vor allem, dass man selber mehr davon hätte, wenn man Groll loslasse. Vermutlich können solche Nutzenargumente schnell überzeugen; aber zugleich frage ich mich, ob es primär um den eigenen Nutzen gehen darf. Zwar fragen sich vermutlich viele Leute oft "Was bringt mir das?", aber ist es deswegen allein schon gut und richtig, vorwiegend so zu argumentieren? Das Christentum als Livestyle-Lehre. Du bist halt cooler drauf, wenn Du vergibst. Geht es nur um Wellness? Jesus als Wellness-Guru und Sonntagsabend ein Besuch beim Masseur.

    "Prüft alles und, was gut ist,
    das behaltet. Aber was böse ist,
    darauf lasst euch nicht ein..."

    1. Thessalonicher 5, 21.22

    "Wähle das Leben, damit du lebst."
    5. Mose 30, 19

    Einmal editiert, zuletzt von Daniels (19. Oktober 2013 um 16:38)

  • Und vergib uns unsere Schuld, wie wir unsern Schuldigern vergeben.


    Nicht nur der Begriff Vergebung ist deutbar und kann verschieden oder falsch verstanden werden, man kann auch fragen, was Jesus im Vaterunser mit "Schuld" gemeint hat.

    Stramme Christen in Deutschland, gleichviel ob sie samstags oder sonntags in die Kirche gehen, werden heutzutage mit theologischen Deutungen aus Jahrhunderten beworfen, gebildet und verbildet. Vielleicht ergeben sich daraus nicht selten Ansichten, die verschroben oder völlig abgehoben sind, nur noch abstrakt.

    Jesus hingegen hat zu konkreten Menschen in konkreten Bedrängnissen gepredigt. Vor einer Weile habe ich einen Kommentar in diesem Sinne zum Vaterunser gelesen, demzufolge es Jesus mit dem Vaterunser wahrscheinlich gar nicht in erster Linie um die große Theologie ging, nicht um die große Vergebung und auch nicht magengeschwürverhinderndes Positives Denken, sondern um konkrete Bedrängnisse der armen Leute, zu denen er predigte: das tägliche Brot und den Erlass von Schulden.

    Man kann sich bequem zurücklehnen und zugleich einen Schuldner unnachgiebig verfolgen mit Zins und Zinseszins, Gebühr und Aufschlag und ihm dabei zugleich herablassend vergeben. Es ist so angenehm, ein guter Mensch zu sein.

    Ich denke, es lohnt sich, zu fragen, ob Jesus nicht auch -- oder gar in erster Linie -- ganz konkrete Taten forderte. Laut dem Alten Testament gab es zum Beispiel meines Wissens alle 7 Jahre einen Schuldenerlass. Vor einem Weilchen zeigte der selbe Pastor, dessen Vergebungsseminar ich hier oben kurz erwähnt habe, einen Film über eine arme indische Familie. Sie haben sich bei einem Steinbruchbesitzer ca. 500 Euro geliehen und nun arbeitet die Familie diese Schuld in dem Steinbruch ab, was offenbar Jahre, wenn nicht endlos dauert. So werden Schulden erschaffen, um Leute rücksichtslos auszunutzen, und gleiches geschieht auch hierzulade. Das sind konkrete Schuldverhältnisse im Gegensatz zu bloßen Gedankenspielen, ob ich in mir über jemanden üble Gedanken habe. Der Steinbruchbesitzer hat, vermute ich, so gut wie keine üblen Gedanken für die Leute, die er mit den konstruierten Schulden verfolgt, sie sind ihm vermutlich fast gleichgültig und kaum einen Gedanken wert; der Mann ist also vielleicht ein Vorbild, ein Musterheiliger, wenn es darum geht, abstrakt zu vergeben. Halleluja.

    Eine mögliche exegetische Frage wäre also, ob die im Vaterunser stehende Wendung eindeutig etwas Abstraktes bezeichnet, über das man Jahrhunderte verschwurbelte Bücher schreiben kann, ohne dass sich etwas konkret ändert, oder, ob damit ganz konkret auch oder vor allem finanzielle Schulden gemeint sind.

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    das behaltet. Aber was böse ist,
    darauf lasst euch nicht ein..."

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    5. Mose 30, 19

    3 Mal editiert, zuletzt von Daniels (19. Oktober 2013 um 16:47)

  • Hallo Daniels,

    danke für den Beitrag.

    Dass Jesu Aussagen an die Menschen in der Zeit einen direkten Alltagsbezug haben, schließt die theologische Dimension nicht aus. Dein Reich komme, dein Wille geschehe. Das sind theologische Aspekte und auch Jesu Nachwort in den Versen 14 und 15 haben nichts mit finanziellen Auseinandersetzungen zu tun.

    Gott soll die Schuld vergeben, wie man auch selbst Schuld vergeben will. Das ist ein Gebet; ich denke nicht, dass die Menschen es im Sinne von Finanzen verstanden haben. Im Lukas ist übrigens nicht von Schuld, sondern von Sünde die Rede.

    "Schuldig" ist ein juristischer Begriff, den wir bis heute kennen. Diese rein historische Lesart heutzutage kann ich nicht teilen.

    Das tägliche Brot sehe ich ebenfalls nicht rein materiell. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus dem Mund Gottes ausgeht. Brot ist Speisung, leiblich aber auch geistig. Jesus hätte statt der Speisung der 4000 und 5000 die Leute auch nach Hause schicken können "Geht heim, zuhause stehen Körbe voller Brot"; oder ihnen Geld zaubern können. Bei der Speisung aber waren sie nahe beim Herrn, beim Leib Brot des Lebens.

    Ich kenne diese "Vergebungs-Kurs" Nummer, die du erwähnt hast. Halte davon gar nichts!

  • Dass Jesu Aussagen an die Menschen in der Zeit einen direkten Alltagsbezug haben, schließt die theologische Dimension nicht aus.


    Das sehe ich genauso; aber mir scheint, dass umgekehrt heute der vermutlich auch gemeinte direkte Alltagsbezug wegtheologisiert wird. Darüber, wie viele Engel auf eine Nadelspitze passen, lässt sich angeregt oder beruhigend, jedenfalls angenehm spekulieren, während es dem Nachbarn ganz konkret dreckig geht.

    Wenn es um Jesu Brotvermehrungswunder vor 2000 Jahren geht, dann soll möglichst alles ausschließlich wörtlich und konkret genommen werden. Geht es aber darum, das heute das Brot eines Menschen konkret zu vermehren, dann ist alles, was Jesus sagte abstrakt und heilsgeschichtlich gemeint. Vor 2000 Jahren war alles konkret aber heute ist immer im übertragenen Sinne zu handeln oder es reicht ein edler Gedanke?

    "Wir werden doch niemandem die Schulden erlassen. Wir wollen Zinsen nehmen! Es reicht doch, wenn Jesus sich 1844 das erste Mal in das himmlische Heiligtum getraut hat. Wie kann man da nur von so banalem Zeug wie konkreten Schulden reden!?"

    Viele stramme Christen drehen es sich immer so, wie es gerade bequem ist und so, dass ihre Vorurteile nicht gestört werden, scheint es mir oft.

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    das behaltet. Aber was böse ist,
    darauf lasst euch nicht ein..."

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  • Diese Kritik verstehe ich voll und ganz!

    Es muss natürlich Wirklichkeit in unserem Leben haben!

    Hast du denn den Eindruck, dass die "strammen Christen" nur reden und theologisieren? Es gibt doch lauter Hilfsorganisationen von Gemeinden (wäre jetzt ne eigene Diskussion ob oder wie korrupt die vll. sind).

    Was das Privatleben angeht, ist es wie mit der Vergebung, wie Johannes es bereits schrieb: Wenn ein Christ jemanden keine Schulden erlässt, was für ein Christ ist er dann?? Kann da der Kritik nur zustimmen.

  • Hast du denn den Eindruck, dass die "strammen Christen" nur reden und theologisieren?


    Ich mag mich mal zugespitzt oder vereinfacht ausdrücken, aber ich denke nicht in solchen absoluten Verallgemeinerungen.

    Trotzdem würde ich mir manchmal mehr Konsequenz wünschen. Wieso bemerke ich auch bei Politkern aus Parteien, die ihrem Namen nach christlich zu sein vorgeben, keine Vorbehalte gegen manche ausufernden Geschäfte mit Zinsen und Schulden? Die Juden des Alten Testaments hatten in dieser Frage offenbar eine prinzipiell andere Einstellung als die meisten heutigen Christen einschließlich der Adventisten. Genauso könnte ich fragen, warum Adventisten zwar um die Frage, ob ein Stück Fleisch von einem Schwein oder einen Fisch mit oder ohne Schuppen stammt, einen großen Zirkus veranstalten; sich aber offenbar keine Gedanken darum machen, wenn Rechtsanwälte und Inkassoinstitute ohne besondere Gegenleistungen wie kriminelle Taugenichtse ein großartiges Geschäft mit Zinsen und Gebühren machen. Wieso wird so etwas ohne Widerrede schweigend auch von Christen übergangen und geduldet? Vermutlich die heilige Kuh: das Geld und der Kapitalismus. Vergessen wird Jesu Tempelreinigung und, dass Er ganz und gar kein bürgerlicher Spießer war. Außerdem haben die juristischen Taugenichtse studiert, so viel kriminelle Energie muss belohnt werden.

    "Prüft alles und, was gut ist,
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    1. Thessalonicher 5, 21.22

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    5. Mose 30, 19


  • Ich habe einen jüngeren Adventistenpastor vor einigen Monaten über Vergebung sprechen hören, er kündigte ein Vergebungsseminar an. Etwas sonderbar kam mir der psychologisierende pragmatische Ansatz vor. Erläutert wurde vor allem, dass man selber mehr davon hätte, wenn man Groll loslasse. Vermutlich können solche Nutzenargumente schnell überzeugen; aber zugleich frage ich mich, ob es primär um den eigenen Nutzen gehen darf. Zwar fragen sich vermutlich viele Leute oft "Was bringt mir das?", aber ist es deswegen allein schon gut und richtig, vorwiegend so zu argumentieren? Das Christentum als Livestyle-Lehre. Du bist halt cooler drauf, wenn Du vergibst. Geht es nur um Wellness? Jesus als Wellness-Guru und Sonntagsabend ein Besuch beim Masseur.

    Wenn es zwischen zwei Menschen zu Problemen kommt, wo einer den anderen verletzt/beschädigt/schädigt, kann es zwei Szenarien geben. Es besteht Einsehen und jemand bittet um Vergebung, und ich vergebe ihm. Das ist der Idealfall, wir alle kennen aber Situationen aus dem Leben, wo es nicht so glatt läuft. Manchmal bleibt jemand echt "über", es wird sogar die Schuld der anderen ihm umgehängt. Das ist oft eine ausweglose Situation, aus der man nur schwer wieder herausfindet. Es ist einem massiv Unrecht getan worden, und niemand ist da, der diese Verletzung heilen würde. In so einem Fall ist ein Vergebungsseminar sehr sinnvoll, weil man lernen kann, den Groll, die Wut, die Verzweiflung abzulegen, ohne dass einem der Uneinsichtige die Hand reichen muss. Sehr viele Menschen nehmen in so einem Fall Psychotherapie in Anspruch, damit sie von den belastenden Gedanken wegkommen, besonders bei Mobbing, wo der Gemobbte ja auch oft als der Schuldige hingestellt wird.

  • @ Karoline,

    wenn es um Fälle geht, wo eine Therapie nötig oder hilfreich sein kann, keine Frage, da soll Hilfe da sein.

    Ich meinte eher jene Vergebungskurse, Heilig-Geist-Kurse, Besser-Evangelisieren-Kurse usw. die von gewissen Gemeinden veranstaltet werden, wo man dann an drei Abenden "Vergebung in 7 Schritten" erlernt; das halte ich für ... NAJA..

  • Karoline: Der Volksmund sagt: "Leben und leben lassen." Die Bibel übers Zinsnehmen, was man meines Erachtens aber auch auf anderes übertragen kann:

    [bibel]Wenn dein Bruder verarmt und sich neben dir nicht halten kann, sollst du ihn, auch einen Fremden oder Halbbürger, unterstützen, damit er neben dir leben kann. Nimm von ihm keinen Zins und Wucher! Fürchte deinen Gott und dein Bruder soll neben dir leben können. Du sollst ihm weder dein Geld noch deine Nahrung gegen Zins und Wucher geben. Ich bin der Herr, euer Gott, der euch aus Ägypten herausgeführt hat, um euch Kanaan zu geben und euer Gott zu sein.[/bibel][quelle]3. Buch Mose 25, Verse 35-38 (laut Einheitsübersetzung)[/quelle]
    "Dein Bruder soll neben Dir leben können", das heißt man soll niemandem das bloße Sein oder Teilnehmen dauerhaft sauer und zu einer Qual machen.

    Vergebung kann auch ein Weg sein, jemanden wieder freizugeben, ihm eine Chance zu geben.

    Ein Text, den ich gerade angefangen habe zu lesen, empfiehlt es Sanftmut zu üben und genau kennen zu lernen. Sanftmut und Liebe zu üben, sei eine Voraussetzung dafür, Frust und Zorn zu verstehen und zu überwinden. Diese Ansicht deutet sich mir an aus dem wenigen, was ich bisher davon gelesen habe. Allerdings denke ich, dass das auch eine reichlich einseitige Übung werden kann. Vor allem, wende ich ein, niemand kann sich echt sanftmütig nennen, der nicht echten Zorn kennt.

    Ich frage mich, ob jeder, der ein Vergebungsseminar gibt oder eine Vortragsreihe über Depressionen hält, wirklich die Lebenserfahrung hat, sich klug und umfassend dazu zu äußern. Ich habe solche Vorträge in Adventgemeinden teilweise angehört und hatte den Eindruck, dass es den Rednern teilweise an Einsicht in das Problem fehlt, weil sie weder erlebt zu haben scheinen, was großer Zorn oder Hass sind noch was echte Depression ist. Dadurch kommt es teilweise zu biederen, harmlosen Ratschlägen, die für mich klingen als wolle jemand die Pest mit kalten Wickeln heilen.

    Grüße
    Daniels

    "Prüft alles und, was gut ist,
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    2 Mal editiert, zuletzt von Daniels (20. Oktober 2013 um 01:00)

  • Vor einigen Wochen ist übrigens ein Film ins Kino gekommen, den ich mir gerne ansehen wollte, vielleicht klappt es noch. Er handelt auch in gewisser Weise nämlich negativ von Vergebung, genauer gesagt davon, wie man mit Ungerechtigkeit umgeht: Michael Kohlhaas.

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    Direkt zur Vergebung.

    Das ist seit ziemlich langer Zeit mal wieder ein Film, der mich thematisch wirklich interessiert.

    "Prüft alles und, was gut ist,
    das behaltet. Aber was böse ist,
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    5. Mose 30, 19

    Einmal editiert, zuletzt von Daniels (20. Oktober 2013 um 01:45)

  • Ich habe einen jüngeren Adventistenpastor vor einigen Monaten über Vergebung sprechen hören, er kündigte ein Vergebungsseminar an. Etwas sonderbar kam mir der psychologisierende pragmatische Ansatz vor. Erläutert wurde vor allem, dass man selber mehr davon hätte, wenn man Groll loslasse. Vermutlich können solche Nutzenargumente schnell überzeugen; aber zugleich frage ich mich, ob es primär um den eigenen Nutzen gehen darf. Zwar fragen sich vermutlich viele Leute oft "Was bringt mir das?", aber ist es deswegen allein schon gut und richtig, vorwiegend so zu argumentieren? Das Christentum als Livestyle-Lehre. Du bist halt cooler drauf, wenn Du vergibst. Geht es nur um Wellness? Jesus als Wellness-Guru und Sonntagsabend ein Besuch beim Masseur.

    1. Sünde zerstört
    2. Nicht zu vergeben zerstört (zu aller erst) uns selbst
    Warum also darf ich nicht damit argumentieren, daß es mir selbst am aller meisten nützt wenn ich vergebe - nicht nur oder erst vor Gott oder in Bezug auf meine eigenen Vergebung?

    Zu Vergeben hat etwas mit los lassen zu tun: Ich lasse los was mir schadet oder was mir an Unrecht geschehen ist.
    Ich verändere damit nichts von den direkten Folgen für den Täter oder das Opfer (mich) sondern entlasse den Täter in Seine Verantworung, Vertraue Gottes Gerechtigkeit und muß mich nicht mehr selbst um die Wiedergutmachung des begangenen Unrechts kümmern - kann mich vom Unrecht / der Sünde lösen.

    Nicht zu vergeben bedeutet den Versuch Gottes Rolle für Gerechtigkeit zu sorgen an sich zu reißen und ist somit Größenwahn und maßlose Selbstüberforderung gleichzeitg. Daran muß man zerbrechen!

    Vergebung ist keine "ominöse" geistliche "Hauruck-Handlung" sondern ein Entwicklungs- und Bewältigungs-Prozess dessen Schritte und Menchanismen durchaus bekannt sind. Je mehr ich darüber weiß um so leichter fällt es mir diesen Weg zu gehen.

    Manchmal - in Situationen, die aus (langfristigem) Mißbrauch heraus entstanden sind - ist es aber vor dem Weg Vergebung notwendig, daß das Opfer sich von dem Täter / den Tätern dirstanziert und aufhört sie in Schutz zu nehmen, um überhaupt vergeben zu können. Eine Identifikation mit dem Täter / den Tätern muß (auf-) gelöst werden damit das Opfer sich selbst und frei weiter entwickeln kann. Andernfalls bleibt der Täter "omnipräsent" und die Tat wird dadurch vom Opfer am Opfer fortgesetzt.

    Sünde zerstört, Vergebung befreit!

  • sondern um konkrete Bedrängnisse der armen Leute, zu denen er predigte: das tägliche Brot und den Erlass von Schulden.


    Das ist in diesem Zusammenhang aber unlogisch: Ein Armer hat niemand der ihm Geld schuldet oder jedenfalls ist das mehr als unwahrscheinlich.
    Wenn ich das Vaterunser in Zusammenhang mit dem Gleichnis vom Schalksknecht lese, dann geht es eben nicht um Geld-Schulden die durch einen (Teil-) Schuldenerlass vermindert oder erlassen werden könnten sondern um Vergebung von Schuld (nicht Schulden).

    Außerdem hat der Gläubiger dem Schuldner etwas gegeben, daß er erstattet haben möchte so wie es bei Vertragsschluß vereinbart wurde. Daran ist nichts Unrechtes (abgesehen von den Zinsen, die in Israel verboten waren!).

    Schuld ist nichts Abstraktes sondern resutliert immer aus konkreten Handlungen oder nicht Handlungen, aus einem konkreten Fehlverhalten, einer Mißachtung ... oder gar einem Verbrechen.

    Schuld zerbricht in Beziehungen das Vertrauensverhältnis und um dieses wieder her zu stellen ist Vergebung der erste Schritt.

  • Das sehe ich genauso; aber mir scheint, dass umgekehrt heute der vermutlich auch gemeinte direkte Alltagsbezug wegtheologisiert wird. Darüber, wie viele Engel auf eine Nadelspitze passen, lässt sich angeregt oder beruhigend, jedenfalls angenehm spekulieren, während es dem Nachbarn ganz konkret dreckig geht.


    Spekulationen sind selten langfristig sinnvoll und wenn ich die Propheten des AT sowie die Rechtsordnungen Gottes für das Volk Israel anschaue, dann hat soziale Gerechtigkeit ihre Basis nicht zufällig in konkretem zwischenmenschlichem Handeln im Alltag.
    Jesus hat die Frage des Pharisäers nach dem Nächsten auch nicht umsonst mit dem Beispiel vom "barmherzigen Samariter" beantworten und sagte am Ende: "Darum handle ebenso!" (vergl.: Lukas 10,25-37; )

    Wenn es um Jesu Brotvermehrungswunder vor 2000 Jahren geht, dann soll möglichst alles ausschließlich wörtlich und konkret genommen werden. Geht es aber darum, das heute das Brot eines Menschen konkret zu vermehren, dann ist alles, was Jesus sagte abstrakt und heilsgeschichtlich gemeint. Vor 2000 Jahren war alles konkret aber heute ist immer im übertragenen Sinne zu handeln oder es reicht ein edler Gedanke?


    Auch wenn wir nicht aufgrund unserer Werke erlöst werden (können) spielen die konkreten Taten eines Menschen in der Bibel eine sehr wichtige Rolle!
    "Glaube ohne Werke ist tot!" (vergl. Jakobus 2,14-26; )
    Offb 22,12: "Siehe, ich komme bald und mein Lohn mit mir, einem jeden zu geben, wie seine Werke sind."
    Taten, Handlungen, Werke sind Glaubenszeugnis und erlösungsrelevant! Wer das übersieht, der macht eine Millchmädchenrechnung und muß sich gefallen lassen von Jesus mit den 5 Jungfrauen des Gleichnisses als höchst töricht bezeichnet zu werden!

    "Wir werden doch niemandem die Schulden erlassen. Wir wollen Zinsen nehmen! Es reicht doch, wenn Jesus sich 1844 das erste Mal in das himmlische Heiligtum getraut hat. Wie kann man da nur von so banalem Zeug wie konkreten Schulden reden!?"


    Der regelmäßige Schuldenerlaß war integraler Bestandteil der Rechtsordnungen Gottes für Sein Volk!
    Zinsen nehmen von Volksgenossen war verboten! vergl.: Zinsen nehmen in der Bibel
    Eine solche - auch implizite oder verborgene - Argumentations- oder Denk-Weise hat nichts zu tun mit dem was Gott in der Bibel offenbart sondern ist systeamtischer Mißbrauch und Sünde an Gott und Menschen. Fromm getarnt wird das auch nicht besser sondern nur eine um so heimtückischere Verfehlung.

    Viele stramme Christen drehen es sich immer so, wie es gerade bequem ist und so, dass ihre Vorurteile nicht gestört werden, scheint es mir oft.


    Wer es sich immer so dreht wie er es zu seinem Vorteil einschätzt, der ist offensichlich werder an Gott noch an Wahrheit interessiert und darf von Gott kaum mehr als die Konsequenzen seines rücksichtslosen Egoismus erwarten: Strafe und ewiger Tod!

  • Außerdem hat der Gläubiger dem Schuldner etwas gegeben, daß er erstattet haben möchte so wie es bei Vertragsschluß vereinbart wurde. Daran ist nichts Unrechtes (abgesehen von den Zinsen, die in Israel verboten waren!).


    Was mich aufregt oder zumindest ärgert ist nicht, dass jemand verlangt und bekommt, was er laut Vertrag für eine Leistung bekommen sollte; sondern das Geschmeiß aus nichtsnutzigen Rechtsanwälten und von Inkassoinstituten, die für kaum eine Leistung immense Gebühren einnehmen und gewissermaßen neue Schulden erfinden, und freilich die Zinsennehmerei.

    "Prüft alles und, was gut ist,
    das behaltet. Aber was böse ist,
    darauf lasst euch nicht ein..."

    1. Thessalonicher 5, 21.22

    "Wähle das Leben, damit du lebst."
    5. Mose 30, 19

  • Dass solche Ungerechtigkeiten und Betrügereien uns wütend machen, ist vollkommen verständlich, denke ich. Dürfen sie uns wundern oder schockieren? Nein.

    Wenn wir von solchen Dingen sprechen, dann reden wir über Systeme, gegen die wir wohl kaum was ausrichten können; im Gegenteil: die Ungerechtigkeit wird noch zunehmen. So edel die Wut über viele Dinge auch ist, wir haben es mit einigen Dingen zu tun, die wir schlichtweg ertragen müssen. Gerade in der Endzeit spricht die Bibel vom Ausharren, nicht vom Kampf für die Gerechtigkeit, so sehr ich diese Motivation auch verstehen kann und mir selbst oft der Puls steigt, wenn man manche Sachen hört oder sieht.

    Übrigens ist Gebet eine starke Waffe: ich habe es im eigenen Leben oder auch bei anderen schon einige Male erlebt, dass Dinge vollkommen anders liefen, als gedacht, weil man ernsthaft gebetet hat, dass Gott einem Gerechtigkeit verschaffen möge. Beamte oder Anwälte, Banken etc. die plötzlich ganz andere Beschlüsse machen oder Rechnungen, die fallen gelassen werden oder was weiß ich.

  • und mir selbst oft der Puls steigt, wenn man manche Sachen hört oder sieht.

    Es geht auch um unsere Gefühle. Wir nehmen mit unseren Sinnesorganen sehr vieles wahr, das uns Seelisch beeinflusst. Freude und Wut liegen sehr beieinander aber die Wikung ist sehr unterschiedlich.

    Wenn Jesus spricht von Neugeburt dann geht es um Neuanfang und ein anderes Wesen annehmen-

    Wer mit Hilfe Jesu sein Joch aufgeladen hat, lernt mit seinen Emotionen umzugehen. Wer sich Gottes Zügel angelegt hat, kann auch von ihm gesteuert werden. Er wir lernen mit allen Menschlichen Unzulängllichkeiten
    besser zurechtzukommen.
    Frei zu sein von eigener Wut ist doch wunderbar. Nicht mehr auf jeden Angriff aggresiv zu reagieren ist doch super. Das alles verspricht mir Jesus zu lernen.Das verstehe ich unter Liebe....

    Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Joh. 3,16