Vergebung - die christliche Tugend

  • Ich denke man muss unterscheiden zwischen:

    "Vergebung der Sünde" - das ist eine Sache zwischen Mensch und Gott.
    der zwischenmenschlichen Vergebung, die eigentlich unabhängig sein muss von einer Entschuldigung. Wenn eine Entschuldigung Anlass für diese Vergebung ist, dann ist das immer noch besser als keine Vergebung.

    Naja, ich weiß nicht, ich denke dass sich Gott der zwischenmenschlichen Vergebung anschließt, oder nicht?

    Ich sehe da Korrelationen:

    Mt. 6/14 Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euer himmlischer Vater euch auch vergeben. 15 Wenn ihr aber den Menschen ihre Verfehlungen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.

    Matthäus 16,19 Und ich will dir die Schlüssel des Reiches der Himmel geben; und was du auf Erden binden wirst, das wird im Himmel gebunden sein; und was du auf Erden lösen wirst, das wird im Himmel gelöst sein.

    Matthäus 18,18 Wahrlich, ich sage euch: Was ihr auf Erden binden werdet, das wird im Himmel gebunden sein, und was ihr auf Erden lösen werdet, das wird im Himmel gelöst sein.

    Meine Auslegung dieser Texte ist nicht katholisch geprägt, deshalb empfinde ich sie nicht auf Petrus bzw. die Jünger allein beschränkt, sondern auf das Zusammenleben und das Vergeben aller Christen bezogen.

    Ist nicht Gott auch damit einverstanden, wenn ich meinem Nachbarn vergebe, der im Zorn an mir gesündigt hat und ich ihm danach aber vergebe, weil er sich aufrichtig und tatkräftig entschuldigt hat? Müsste mein Nachbar noch zusätzlich Gott um Vergebung bitten, oder ist ihm diese Sünde vergeben, weil ich sie ihm vergeben habe? Er hat ja zumindest in erster Linie an mir gesündigt, nicht an Gott, oder?

  • Was die Taufe der Toten angeht: weiß nicht Recht, was das war. Das hat man wohl praktiziert und Paulus (oder war's Petrus?) griff das auf. Aber was das genau sollte, weiß ich nicht. Ist auch nicht so wichtig bei dieser einmaligen Erwähnung. Es ist nicht alles direkt ein Sakrament, weil's mal erwähnt wird. Es gab ganz viel, was da damals gemacht wurde.

  • Man kann dem Sünder nach seinem Tode vergeben, ja. Bleibe weiterhin bei dem, was ich oben schrieb. Es bleibt dann aber nur bei dir, denn der andere weiß davon ja nichts mehr.

    Man kann dem Sünder auch vorher vergeben aber Gott erwartet von niemanden das man Kontakt zu dem Jenigen pflegt!

    Es geht bei der Vergebung darum, das ich frei werde von Groll oder Hass!

    Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Joh. 3,16

  • Viktor Frankl hatte dazu ein schönes Bild. Das Leben als Buch, in dem jede Seite tagtäglich geschrieben wird. Es stellt sich ja auch die Frage, ob man umgekehrt sich bei jemandem entschuldigen kann, der schon gestorben ist. Wir sind hier in unserem Leben an Zeit gebunden, aber Gott ja nicht. Die Herzenshaltung eines Menschen spielt bei Gott eine Rolle. Das Erkennen der Schuld, die Einsicht und es richtig machen zu wollen, Beispiel David, der von Gott geliebt wird für seine Haltung. Unabhängig von der "Zeit", gilt sicher jedes Bereuen. Tun kann man halt nichts mehr, was die "Beziehungen" betrifft, wenn der Tod das Handeln stoppt.

    Wenn der Papst zu Lebzeiten bedauert hat, dass er sich als "Verantwortlicher" falsch verhalten hat und post mortem einen Brief veröffentlich haben möchte und sich noch einmal für sein Verhalten entschuldigt, dann ist es ihm wohl sehr wichtig gewesen, was könnte ein Mensch mehr tun?

    Wir irren alle und was wir erkennen, können wir bereuen, was nicht nicht ....Jesus ist für den Papst gestorben, als er noch nicht mal geboren war, also ich sehe kein Problem, wenn jemand einen Brief hinterlässt, der um Vergebung bittet. Ich , als Mensch, habe die Pflicht jedem zu vergeben, der sich bei mir entschuldigt. Wenn ich merke, dass es nur eine "Methode" ist...was ich auch schon erlebt habe, ist es nicht meine Sache das zu beurteilen, es ist Gottes Sache.

    Ich erinnere an den Text in 1.Korinther

    12 Ob nun einer mit Gold, Silber, Edelsteinen, Holz, Heu oder Stroh auf dem Fundament weiterbaut - 13 eines jeden Werk wird offenbar werden, denn der Tag des Gerichts wird es ans Licht bringen, weil er sich im Feuer offenbart: Wie eines jeden Werk beschaffen ist, das Feuer wird es prüfen. 14 Hat das Werk, das einer aufgebaut hat, Bestand, so wird er Lohn empfangen. 15 Verbrennt sein Werk, so wird er Schaden erleiden - er selbst aber wird gerettet werden, freilich wie durch Feuer hindurch.

    Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus!

  • ich denke dass sich Gott der zwischenmenschlichen Vergebung anschließt, oder nicht?

    Nein, die Vergebung gegenüber einem Sünder ist nicht davon abhängig, ob ihm der geschädigte Mensch vergeben hat.

    Umgekehrt lehrt es Jesus, wenn ich nicht denen vergebe, die an mir gesündigt haben, dann wird mir Gott auch nicht vergeben (Mt 6,12; Mk 11,25; Lk 6,37) - wie ja auch von Dir zitiert... ;)

    Müsste mein Nachbar noch zusätzlich Gott um Vergebung bitten,

    Ich denke, ja definitiv

    Liebe Grüße, Heimo

  • Ich muss etwas ausholen.

    Zitat

    Mose 3,12f: Der Mensch antwortete: Die Frau, die du mir beigesellt hast, sie hat mir von dem Baum gegeben. So habe ich gegessen. 13 Gott, der HERR, sprach zu der Frau: Was hast du getan? Die Frau antwortete: Die Schlange hat mich verführt

    Hier wird ein ganz normales menschliches Verhalten geschildert, so läuft es auch heute. Der Mensch schiebt die Schuld von sich weg auf andere. Daher kommt der Satz: „Der Mensch muss zur Verantwortung gezogen werden.

    In der Kirche läuft es anders, zumindest in der Liturgie:

    Zitat

    Im zweiten Teil des Briefes zeigt sich Benedikt beeindruckt davon, dass die Kirche jeden Tag „das Bekenntnis unserer Schuld und die Bitte um Vergebung“ an den Beginn jeder Messfeier stellt. „Wir bitten den lebendigen Gott vor der Öffentlichkeit um Vergebung für unsere Schuld, ja, für unsere große und übergroße Schuld.“ Es sei klar, so Benedikt weiter, „dass das Wort ‚übergroß‘ nicht jeden Tag, jeden einzelnen in gleicher Weise meint. Aber es fragt mich jeden Tag an, ob ich nicht ebenfalls heute von übergroßer Schuld sprechen muss.

    Hier wird etwas eingeübt, was gar nicht selbstverständlich ist und was dem menschlichen Wesen widerspricht, siehe oben.

    Und was auch nicht unbedingt den Tatsachen entspricht, wie Benedikt richtig anmerkt.

    Benedikt und auch sein Vorgänger Johannes Paul II waren zutiefst in dieser Liturgie verwurzelt. Es ist auch klar, dass Verantwortungsträger die Verantwortung übernehmen, Päpste für die Gesamtkirche. Sie sprechen daher Schuldbekenntnisse und bitten um Vergebung, übernehmen persönliche Verantwortung, ohne persönliche Schuld zu tragen. - So auch damals Willy Brandt.

    Dennoch sah ich gerade die sehr häufigen Schuldbekenntnisse von Johannes Paul II. kritisch.

    Denn da der Mensch normalerweise von sich weg auf andere zeigt, entsteht so leicht der Eindruck, dass der, der sich schuldig bekennt eine besonders große Schuld auf sich geladen hat. Man macht sich so leicht selbst und die Kirche zum Sündenbock. Und Menschen lieben Sündenböcke, auch heute. Sie erlauben ihnen nämlich die Schuld von sich weg auf eben diese Sündenböcke zu schieben und sich selbst als bessere Menschen zu fühlen.

    Was Benedikt betrifft sei mir eine kurze Anmerkung zu den Missbrauchsfällen erlaubt. Benedikt selbst wird kein Missbrauch vorgeworfen. Was den Fall zu seiner Zeit in München betrifft, kann man ihm höchstens vorwerfen, dass er nach heutigen Maßstäben nicht aufmerksam genug war. Nach damaligen Maßstäben sah das anders aus, auch sahen die Möglichkeiten kirchenrechtlich gegen solche Personen vorzugehen anders aus als heute. Zudem, wenn einer Missbrauch begehen will, der findet Wege. Man kann es nicht verhindern. - Wenn dem so wäre, dann wären unsere Gefängnisse leer.

    Schuld lädt man auch durch Schuldzuweisungen auf sich. Und dies hat auch etwas mit Selbsterhöhung zu tun.

    Je geübter ein Mensch im Schuldzuweisen ist, desto weniger ist er zur Vergebung bereit.

    Daher erhöht das Bedenken der eigenen Schuld, selbst, wenn sie darin besteht, zwar nach besten Wissen und Gewissen gehandelt zu haben, aber man hätte es doch anders/besser machen sollen, die Voraussetzung, auch Anderen vergeben zu können.

    Mir geht es darum, wie eurer Meinung nach Vergebung funktioniert. Konkret: Kann man nach seinem Tod Sünden vergeben bekommen? Also man sündigt und bittet in einem Abschiedsbrief (der bspw. im Zuge einer Testamentsöffnung) den Menschen oder die Menschen an denen man sich versündigt hat, um Vergebung. Diese lesen den Brief und wollen vergeben. Klappt das? Nimmt Gott diese Vergebung an, wenn jemand einem Menschen vergibt, der bereits tot ist?

    Ich denke, Gott urteilt und handelt eigenständig!
    Seine Vergebung ist nicht davon abhängig, ob wir einem Menschen vergeben, ob diese Mensch nun noch lebt oder ob er schon gestorben ist.

    Vergebt ihr toten Menschen? Vergebung hat ja nicht nur den Effekt auf den Sünder sondern auch einen enormen Einfluss auf den, an dem gesündigt wurde. Ängste, Schmerzen (meist psychischer Art), Rache, Wut. All das kann durch Vergebung gelöst werden, wenn der an dem gesündigt wurde zur Vergebung findet.

    Der erste Weg ist, dass man sich trotz Schmerz und Wut nicht rächt.

    Ist ein Mensch bereits gestorben, dann ist Versöhnung, zumindest hier und jetzt, nicht möglich.
    Realistisch muss man sagen, dies ist auch mit Lebenden nicht immer möglich. Manchmal hilft nur Abstand!

    Man muss daher zwischen Vergebung und Versöhnung unterscheiden. Zur Versöhnung gehören zwei, vergeben kann man auch allein.

    Man sollte sich auch davor hüten von Anderen Vergebung zu fordern. Denn wie gesagt, hier spielen auf Verletzungen beruhende Gefühle eine große Rolle und die kann und sollte man nicht einfach verdrängen. Vergebung kann, so wie Trauerarbeit, ein langer beschwerlicher Weg sein.

  • PS

    Zur Ergänzung ein nicht unwesentlicher Gedanke:

    Wer um Vergebung bittet, der signalisiert Versöhnungsbereitschaft mit denen, die ihn verklagen.

  • Sie sprechen daher Schuldbekenntnisse und bitten um Vergebung, übernehmen persönliche Verantwortung, ohne persönliche Schuld zu tragen. - So auch damals Willy Brandt.

    Liebe Christel, meinst Du das Du hier nicht einem Denkfehler unterliegst?

    Ich als Werkstattleiter was verantwortlich was dort geschah!

    Bei einem Fehler eines Mitarbeiters hätte ich ihn ja in die Pfanne hauen können...vor meinem Cheff.

    Verantwortung hat was mit Führung zu tun!

    Wenn ich Christ bin, dann sagt mir der HL.Geist schon was zu tun wäre!

    Aber wenn ich so Denke wie du hier es schilders kann ich mich aus allem herausreden...

    Was Brand tat , war im Namen des Volkes sich für die Schandtaten zu entschuldigen...

    Bei Benedikt war es nicht die Kirche oder das System...sondern eventuell schwache Priester....

    Was Benedikt betrifft sei mir eine kurze Anmerkung zu den Missbrauchsfällen erlaubt. Benedikt selbst wird kein Missbrauch vorgeworfen. Was den Fall zu seiner Zeit in München betrifft, kann man ihm höchstens vorwerfen, dass er nach heutigen Maßstäben nicht aufmerksam genug war. Nach damaligen Maßstäben sah das anders aus, auch sahen die Möglichkeiten kirchenrechtlich gegen solche Personen vorzugehen anders aus als heute.

    Nein das wird Ihm nicht vorgeworfen sondern seine Tatenlosigkeit,die leider immer noch nicht wirklich verarbeitet ist!

    Welche Maßstäbe zählen für einen so perfekten Theologen wie Razinger?

    Er hätte die Rechtslage reformieren können....

    Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Joh. 3,16

  • Sie sprechen daher Schuldbekenntnisse und bitten um Vergebung, übernehmen persönliche Verantwortung, ohne persönliche Schuld zu tragen. - So auch damals Willy Brandt.

    Nein das wird Ihm nicht vorgeworfen sondern seine Tatenlosigkeit,die leider immer noch nicht wirklich verarbeitet ist!

    Welche Maßstäbe zählen für einen so perfekten Theologen wie Razinger?

    Er hätte die Rechtslage reformieren können....

    Wie bitte, was bitte ? Er hätte die Rechtslage reformieren können - Wie denn ? Wo damals alle - oder fast alle - sofort von "Nestbeschmutzung " geschrien haben !! - Solche weit oben und auch solche von der "Basis" - -

    Das Thema ist soimpel delikat, ja trist - -

    Nihil hic determino dictans : Conicio, conor, confero, tento, rogo, quero - -

    Leider kann ich nicht mit der alleinerziehenden Mutter aufwarten - -

  • Lieber Bogi, ich verstehe, Du währest ein besserer Bischof gewesen als der Ratzinger. Und so eine Werkstatt ist ja durchaus vergleichbar mit einem Erzbistum wie München und Freising mit einer Fläche von 12 000 km² und die über 1000 Priestern, die da rumschwirren. Die über 1000 Priester (heute, damals sicher etwas mehr), die hättest Du natürlich alle ganz persönlich im Blick. Da wird auch nichts an Mitarbeiter delegiert.

    Wenn ich Christ bin, dann sagt mir der HL.Geist schon was zu tun wäre!

    Klar, auch das weißt Du immer ganz genau!

    Nein das wird Ihm nicht vorgeworfen sondern seine Tatenlosigkeit,die leider immer noch nicht wirklich verarbeitet ist!

    Dafür, dass man ihm höchstens Tatenlosigkeit für die knappen vier Jahre als Bischof in München, auf seine spätere Arbeit gegen den Missbrauch trifft das nicht zu, waren die Angriffe auf seine Person unverhältnismäßig.

    Welche Maßstäbe zählen für einen so perfekten Theologen wie Razinger?

    Grundsätzlich bin ich außerordentlich froh, dass ich dereinst Gott mein Richter sein wird und kein Mensch.

    Aber irgendwo habe ich auch gelesen, dass wir einst mit demselben Maßstab gemessen werden, den wir an andere Menschen anlegen.

    Das Thema lautet hier übrigens "Vergebung - die christliche Tugend". Soll wohl heißen, dass Christen besondes Vergebungsbereit sind, oder?

  • Er hätte die Rechtslage reformieren können....

    Er hat die kirchliche Rechtslage verändert - und wenn Du Dich nicht an ihm Abarbeiten würdest, sondern Dich informieren, dann wüsstest Du das.

    Siehe: Der Einfluss Kardinal Ratzingers bei der Revision der kirchlichen Strafrechtsordnung, von Juan Ignacio Arrieta, 4. Dezember 2010 (vatican.va)

    oder: Benedikt XVI. und der Missbrauch: Wir sollten Ratzinger nicht verurteilen. Wir schulden ihm Dank - WELT

    "denn, so schrieb ich, „den Weisungen Kardinal Ratzingers ist es zu verdanken, dass die Diözesanbischöfe Missbrauchsfälle an den Vatikan melden müssen, damit jegliche Vertuschung verhindert wird. (…)"

    Liebe Grüße, Heimo

  • Ich wollte das Thema bewußt nicht zu einer Abrechnung mit Papst Benedikt verstanden wissen. Sein Brief nach seinem Tod diente mir nur als Aufhänger für meine Frage: Wie funktioniert Vergebung?

    Deshalb bitte ich euch davon Abstand zu nehmen das Thema hier erneut in diese Richtung breitzutreten.