- Offizieller Beitrag
Hallo zusammen,
ich habe jetzt länger im Forum nach einem geeigneten Thema für mein Anliegen gesucht - und nichts gefunden. Ich wollte einfach nur eine Erfahrung berichten, die ich mit dem Thema Zeugen Jehovas gemacht habe. Und dazu soll nun dieses Thema dienen. Nicht um pro oder kontra, sondern um sich gegenseitig die Erfahrungen, die man mit Mitgliedern dieser Religionsgruppe gemacht hat, zu erzählen. Manchmal ist man verwundert über Reaktionen und Ansichten, und vielleicht kann einem ein anderes Forenmitglied dabei helfen eine eigenartige Situation aufzuklären oder die Sichtweise der ZJ zu erklären.
Jetzt aber zu meiner Begebenheit. Gestern war ich auf einer adventistischen Hochzeit und bei der Hochzeitstafel kam ich neben einer älteren Frau (so um die 70) zu sitzen. Die Dame war schon etwas schwerhörig, deshalb ist meine Stimme heute noch etwas beschlagen. Aber interessant war, dass sie mich nach ein paar Worten des belangloseren Smalltalks direkt gefragt hat: "Kennen Sie die Zeugen Jehovas?" - sag ich natürlich ja bzw. erkläre was ich kenne und die nächste Frage folgte sofort: "Was halten Sie von den Zeugen Jehovas?". Da habe ich halt gesagt, dass die ZJ aus meiner Sicht eigene eigene Bibelauslegung haben nach der sie leben. Ich habe versucht das ganz neutral, aus meiner Sicht sogar positiv darzustellen. Dann ist es aus der Frau aber gleich mal rausgebrochen: "Das ist eine Verbrecherorganisation". Da habe ich natürlich sofort nachfragen müssen und sie gefragt, was sie zu dieser Ansicht gebracht hat. Da hat sie mir von ihrem Neffen erzählt, der sich umgebracht hat. Und warum? Weil er aus der Familie ausgeschlossen wurde, als er die Zeugen Jehovas verlassen hat. Das hat ihn durch den Verlust seiner familiären Kontakte im Alter von 17 Jahren auf die schiefe Bahn gebracht und ins Drogenmillieu. Die Familie hat nach seinem Austritt keinen Kontakt mehr mit ihm haben dürfen. Nur der Vater hat sich gelegentlich heimlich mit ihm getroffen. Ich habe auch nachgefragt, ob der junge Mann denn schon getauft gewesen wäre und dass es mich wundert, dass er so früh getauft wurde. Mit 16 oder 17 Jahren finde ich kann man sich schon bewußt entscheiden für etwas, das ist bei uns STA ja auch nicht anders, da gibt es schon einige Taufen mit diesem Alter. Wäre er nicht getauft gewesen und hätte sich nicht von der Glaubensgemeinschaft abgewandt, wäre das alles anders verlaufen, oder?
Ich war natürlich schockiert und musste der Dame Recht geben, dass so ein Verhalten auch aus meiner Sicht nicht ok ist. Die Tochter der älteren Dame hat auch mitgehört. Sie ist von Beruf Anästhesistin und hat die Geschichte bestätigt bzw. ist dann auch ein Gespräch über das Blutverbot, usw. entstanden. Die ältere Dame hat auch noch gesagt, dass sie heute tot wäre, wenn es keine Bluttransfusionen geben würde.
Ich habe mich nachher gefragt, wie man da richtig reagieren soll? Die Diskussion war von Anfang an sehr emotional und das ist auch verständlich, denn die ältere Dame hat ja einen Verwandten verloren und das ganz direkt und unzweifelhaft mit der Religion bzw. den daraus entstandenen Umständen in Verbindung gebracht. Ich habe halt versucht das zu reflektieren und zu erklären warum das bei den ZJ so ist und wie sie die Bibeltexte (unter anderem das mit dem Blutverbot) verstehen. Viel was anderes kann man eh nicht tun, oder? Mich hat es jedenfalls gewundert, dass so ein Beispiel aus Österreich berichtet wird, da ich bisher gehört habe, dass in Österreich die Zeugen Jehovas nicht so "streng" (fällt mir jetzt kein blöderes Wort ein) sind mit den ehemaligen Mitgliedern (im Jargon auch als Abtrünnige) und es hier schon Kontakte geben kann. Aus deutschen ZJ-Foren hört man schon öfter, dass es hier bei Ausstiegswilligen Probleme gibt.
Kann man es irgendwie biblisch begründen, dass man mit einem ehemaligen Christen keinen Kontakt mehr haben soll? Mir fällt nur das Beispiel Jesu ein, wo er bezüglich eines überführten Sünders (auch von der Gemeinde überführt) sagt: "Der sei dir wie ein Heide oder Zöllner". Das kann man aber aus meiner Sicht auch ganz anders verstehen als mit der Person keinen Kontakt mehr zu haben.
viele Grüße
Tricky
P.S. Wie gesagt, das Thema soll als Reflexionsmöglichkeit dienen, wenn man in der Praxis mit Zeugen Jehovas oder Angehörigen von ZJ Erfahrungen macht.