Heilung von zwei Besessenen

  • In Matthäus 8 ab Vers 28 wird von der Heilung von zwei Besessenen berichtet, könnt ihr mir sagen warum in allen anderen Evangelien nur von einem Besessenen berichtet wird?
    Hat er diese Begebenheit nur falsch wiedergegeben?
    Oder war er nicht dabei?
    Oder ist es vielleicht ein Übertragungsfehler?
    lg
    Hardy

    Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters.
    Matthäus 28 / 20

    • Offizieller Beitrag

    es klingt vielleich naiv und zu pragmatisch, aber meine Lösung der Sache ist wie so oft in der Bibel, wenn sich etwas zu widersprechen scheint, eine Kombination.

    Matthäus berichtet von 2 Besessenen. Also waren da zwei Besessene.

    Die anderen Evangelisten sprechen von einem Besessenen, also war da mindestens ein Besessener.


    Die Erwähnung von nur einem ist für mich kein Widerspruch dazu, dass jemand anderer von zwei Besessene berichtet. Vielleicht wurde den anderen Evangelisten nur von einem berichtet.

    Hilfreich ist auch das Kapitel 35 aus "Das Leben Jesu" zu dieser Begebenheit. Es hilft die Situation zu verstehen. Ab S. 328 in der ungekürzten Version.

  • Hat er diese Begebenheit nur falsch wiedergegeben?
    Oder war er nicht dabei?

    Hallo Hardy,

    das Problem, dass die Evangelien in ihrer Überlieferung deutliche Unterschiede enthalten, besteht an einer ganzen Reihe von Stellen. Der Text mit den Besessenen ist da nur ein Beispiel neben anderen. Es zeigt sich z.B. auch bei der Kreuzigung (Wo standen die Frauen? Fernab wie in Mk 16,40? Oder am Kreuz wie in Joh 19,25?) oder bei der Frage, wie oft der Hahn krähte, bis Petrus Jesus verleugnete (Lk 22,54-62 und Mk 14,66-72 lassen sich auch nicht vereinbaren).
    Solche Unterschiede wegzudiskutieren oder Texte so lange hin- und herzuwälzen, bis sie irgendwie deckungsgleich sind, halte ich für gefährlich. Denn damit tut man dem Bibeltext Gewalt an. Man ordnet die Bibel dem eigenen Anspruch unter, dass die Texte widerspruchsfrei sein müssen. Das ist die Bibel aber nicht. Den Anspruch, dass keine Widersprüche auftreten dürfen, kann man nur haben, wenn man von einer Verbalinspiration der Bibel ausgeht. Das denken Muslime über den Koran, sollten wir aber nicht über die Bibel denken.

    Dass die Begebenheit deshalb "falsch" wiedergegeben ist, glaube ich nicht. Nach meinem Verständnis wird mit dem Text etwas über Gott und sein Verhalten zu den Menschen erzählt. Es geht um eine Wahrheit des Glaubens, nicht um historische Fakten. Nicht umsonst hat Jesus oft Gleichnisse benutzt. Die Geschichten, die in Gleichnissen erzählt werden, sind auch nicht historisch. Trotzdem enthalten die Gleichnisse mehr Wahrheit über Gott, als in so mancher historischer Begebenheit steckt.

    Dass der Verfasser des Matthäusevangeliums dabei war, kann man getrost ausschließen. Kein Evangelist ist Augenzeuge. Das älteste Evangelium ist das Markusevangelium, das um das Jahr 70 entstand. Beim Matthäusevangelium muss man noch ein paar Jahre draufgeben.

    Grüße, BWgter

  • Ich sehe es wie tricky: Als das inspirierte Wort Gottes enthält die Bibel keine Widersprüche. Das, was für den Skeptiker ein Widerspruch zu sein scheint, stellt sich dem Gläubigen so dar, wie tricky es erläutert hat. Wenn im Matthäus-Evangelium von zwei Besessenen die Rede ist, dann waren da auch zwei Besessene. In dem Bericht der anderen Evangelien wird aber der zweite nicht erwähnt und nur von dem ersten berichtet.

    Es geht um eine Wahrheit des Glaubens, nicht um historische Fakten.

    Da muss ich dir widersprechen, BWgter, natürlich geht es um historische Fakten! Wenn es keine historischen Fakten wären, dann würde sich der christliche Glaube ja auf Fabeln und Mythen stützen, so wie es in den anderen, menschengemachten Religionen der Fall ist. Wenn es keine historischen Fakten wären, die in der Bibel aufgeschrieben sind, dann wäre alles eine große Lüge und dann gäbe es auch keine biblische "Wahrheit des Glaubens"! Von "Wahrheit des Glaubens" zu reden und gleichzeitig die historische Wahrhaftigkeit der Bibel in Frage zu stellen zeugt von kognitiver Dissonanz.

    Gerade die Unterschiede in den Evangelien bezeugen doch, dass es sich um Berichte über historische Tatsachen handelt. Sie beweisen, dass die Evangelien authentische Zeugnisse sind und eben keine erfundenen Märchengeschichten. Auch ist es falsch, dass kein Evangelist Augenzeuge war. Johannes, der das Johannes-Evangelium geschrieben hat, war sogar der Lieblingsjünger Jesu. Er hat also alles hautnah miterlebt.

  • Hallo Johannes!

    Wenn es keine historischen Fakten wären, die in der Bibel aufgeschrieben sind, dann wäre alles eine große Lüge und dann gäbe es auch keine biblische "Wahrheit des Glaubens"!

    Ich respektiere deinen Wunsch, dich auf verlässliche Grundlagen zu stützen. Ich halte es allerdings für fraglich, ob wir das dadurch erreichen, indem wir alles für "historisch" halten. Gilt das denn auch für die Gleichnisse, für den barmherzigen Samariter, die zehn Jungfrauen etc? Muss das auch alles "historisch" so passiert sein, damit es eine Wahrheit für uns enthält? Ich sage da nein. Es ist ein verkehrter Weg, alles für historisch halten zu müssen, damit es eine Bedeutung hat und wahr ist.

    Übrigens können wir ja nicht mal so nach Belieben festlegen, was historisch ist und was nicht. Historisch ist das, was nach den Methoden der Geschichtswissenschaft als historisch angenommen werden kann. Und da können wir einiges für historisch annehmen: dass Jesus gelebt hat, dass er gekreuzigt wurde, dass es Menschen gab, die sich als Zeugen der Auferstehung verstanden haben. Man kann aber nicht mit den Methoden der Geschichtswissenschaft nachweisen, dass die beiden Besessenen des Matthäusevangeliums historisch waren. Wenn man sagt, das ist historisch, muss man nachweisen können, dass es historisch war. Sonst ist das eine pure Behauptung ohne Bedeutung, die nur in den Bereich des Meinens gehört.

    Die Frage ist auch, welche Bibel eigentlich Grundlage sein soll, wenn man sie für widerspruchsfrei hält. Wenn du mal eine wissenschaftliche Bibelausgabe zur Hand nimmst, wirst du sofort sehen, dass es in den verschiedenen Überlieferung fast bei jedem Vers Unterschiede gibt. Das ist nicht besonders schlimm, wenn es nur ein Komma ist. Aber mitunter sind es ja handfeste Abweichungen. Zum Beispiel die Geschichte mit dem krähenden Hahn (s.o.). Oder der Zeitabschnitt, in dem die ersten zehn Generationen gelebt haben. Da gibt es zwischen den verschieden alten Textüberlieferungen (masoretischer Text, Septuaginta, Samaritanus) Unterschiede von mehreren tausend Jahren.

    Wenn die Überlieferungen sich so widersprechen und die Bibel das aber prinzipiell nicht darf, kann nur eine Überlieferung wirklich die wahre Bibel sein. Welche der Bibelüberlieferungen ist nun für dich die ursprüngliche, historisch wahrhaftige Bibel? Und warum?

    Auch ist es falsch, dass kein Evangelist Augenzeuge war. Johannes, der das Johannes-Evangelium geschrieben hat, war sogar der Lieblingsjünger Jesu. Er hat also alles hautnah miterlebt.

    Auch das kann man behaupten. Auch hier kannst du dich natürlich für diese bestimmte Sicht entscheiden. So hat es ja auch die kirchliche Tradition gesehen und deshalb dem Evangelium die Überschrift "Johannes" gegeben. Das Evangelium selbst sagt nicht, dass der Jünger Johannes das Evangelium verfasst hat.

    Im Evangelium werden einige Ereignisse genannt, die Jahrzehnte nach der Kreuzigung passiert sind. Der Verfasser schaut darauf bereits zurück, so dass er wohl eher zu der gewachsenen christlichen Gemeinde gehörte. Ich halte es für viel wahrscheinlicher, dass der Älteste "Presbyter" Johannes aus Ephesus das Evangelium geschrieben hat (bzw. jemand aus seinem Umfeld), der auch zu Beginn des 2. und 3. Johannesbriefs als Autor genannt. wird. Dass die Verfasserangabe in Joh 21,24 ein späterer Zusatz ist, der nicht ursprünglich ist, räumt sogar der Adventistische Bibelkommentar ein.

    Einmal editiert, zuletzt von BWgter (9. April 2013 um 14:11)

  • Das älteste, bisher gefundfene Fragment des Markusevangeliums stammt aus der Zeit um 40 n.Chr. Eta Linnemann weist nach, dass die synoptischen Evangelien um das Jahr 50 n. Chr. alle vor gelegen haben.

    Von den drei Evangelisten war nur Matthäus ein Augenzeuge, Markus verließ sich auf Petrus, und Lukas auf ungenannt. Ich gehe davon aus, das Matthäus original berichtet.

    Der Bericht wurde nach obigen Ausführungen mindestens 15-17 Jahre nach dem Ereignis verfasst. Hört euch mal heute eine Gerichtsverhandlung über einen Fall an, der soooo lange zurück liegt, und was die Zeugen, die alle das Gleiche gesehen haben, darüber berichten. Nach Details dürft ihr die nicht fragen, denn jeder merkt sich das anders.

    Entweder sprechen die Besessenen mit einer Stimme, oder nur einer spricht, der andere schweigt und schließt sich dem Sprechenden an. Das könnte dazu geführt haben, dass Luk. und Mark. nur von einem Besessenen sprechen.

    Nit den beiden Blinden in Jericho war es ja genau so.

    Liebe Grüße von benSalomo

  • Hallo BWgter,

    du schreibst:

    Zitat

    das Problem, dass die Evangelien in ihrer Überlieferung deutliche Unterschiede enthalten, besteht an einer ganzen Reihe von Stellen. Der Text mit den Besessenen ist da nur ein Beispiel neben anderen. Es zeigt sich z.B. auch bei der Kreuzigung (Wo standen die Frauen? Fernab wie in Mk 16,40? Oder am Kreuz wie in Joh 19,25?) oder bei der Frage, wie oft der Hahn krähte, bis Petrus Jesus verleugnete (Lk 22,54-62 und Mk 14,66-72 lassen sich auch nicht vereinbaren).

    Solche Unterschiede wegzudiskutieren oder Texte so lange hin- und herzuwälzen, bis sie irgendwie deckungsgleich sind, halte ich für gefährlich. Denn damit tut man dem Bibeltext Gewalt an. Man ordnet die Bibel dem eigenen Anspruch unter, dass die Texte widerspruchsfrei sein müssen. Das ist die Bibel aber nicht. Den Anspruch, dass keine Widersprüche auftreten dürfen, kann man nur haben, wenn man von einer Verbalinspiration der Bibel ausgeht. Das denken Muslime über den Koran, sollten wir aber nicht über die Bibel denken.


    Ich kann das nicht nachvollziehen. Natürlich gibt es Bibelstellen, die nicht gut zueinander passen. Manche finden sich da, wo die Bibelhandschriften nicht eindeutig sind. Da werden uns in den heute gängigen Übersetzungen regelmäßig die nicht passenden Texte als "ursprünglicher Text" präsentiert. Ich will auch nicht unbedingt zu 100% ausschließen, dass es problematische Texte gibt. Ich habe aber im Laufe der Zeit eine ganze Reihe von Texten gefunden, bei denen "Widersprüche" an den Haaren herbeigezogen werden. Die von Dir genannten Texte gehören in diese Kategorie. Einen, die Geschichte mit den Frauen, will ich hier beispielhaft analysieren:

    Du schreibst

    Zitat

    Wo standen die Frauen? Fernab wie in Mk 16,40? Oder am Kreuz wie in Joh 19,25?


    Betrachten wir den Kontext: Johannes
    19,23 Die Soldaten nun nahmen, als sie Jesus gekreuzigt hatten, seine Kleider - und machten vier Teile, einem jeden Soldaten einen Teil - und das Unterkleid. Das Unterkleid aber war ohne Naht, von oben an durchgewebt.
    19,24 Da sprachen sie zueinander: Laßt es uns nicht zerreißen, sondern darum losen, wessen es sein soll; damit die Schrift erfüllt würde, die spricht: `Sie haben meine Kleider unter sich verteilt, und über mein Gewand haben sie das Los geworfen. Die Soldaten nun haben dies getan.
    19,25 Es standen aber bei dem Kreuz Jesu seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, des Kleopas [Frau] und Maria Magdalena.
    19,26 Als nun Jesus die Mutter sah und den Jünger, den er liebte, dabeistehen, spricht er zu seiner Mutter: Frau, siehe, dein Sohn!
    19,27 Dann spricht er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter! Und von jener Stunde an nahm der Jünger sie zu sich.
    19,28 Danach, da Jesus wußte, daß alles schon vollbracht war, spricht er, damit die Schrift erfüllt würde: Mich dürstet!
    19,29 Es stand nun dort ein Gefäß voll Essig. Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig und legten ihn um einen Ysop und brachten ihn an seinen Mund.
    19,30 Als nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht! Und er neigte das Haupt und übergab den Geist.

    und Markus
    15,29 Und die Vorübergehenden lästerten ihn, schüttelten ihre Köpfe und sagten: Ha! Der du den Tempel abbrichst und in drei Tagen aufbaust,
    15,30 rette dich selbst, und steige herab vom Kreuz!
    15,31 Ebenso spotteten auch die Hohenpriester mit den Schriftgelehrten untereinander und sprachen: Andere hat er gerettet, sich selbst kann er nicht retten.
    15,32 Der Christus, der König Israels, steige jetzt herab vom Kreuz, damit wir sehen und glauben! Auch die mit ihm gekreuzigt waren, schmähten ihn.
    15,33 Und in der sechsten Stunde kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde;
    15,34 und in der neunten Stunde schrie Jesus mit lauter Stimme: Eloi, Eloi, lema sabachthani? was verdolmetscht ist: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? 15,35 Und als einige der Dabeistehenden es hörten, sagten sie: Siehe, er ruft Elia.
    15,36 Einer aber lief, füllte einen Schwamm mit Essig, steckte ihn auf ein Rohr, tränkte ihn und sprach: Halt, laßt uns sehen, ob Elia kommt, ihn herabzunehmen!
    15,37 Jesus aber stieß einen lauten Schrei aus und verschied.
    15,38 Und der Vorhang des Tempels zerriß in zwei [Stücke], von oben bis unten.
    15,39 Als aber der Hauptmann, der ihm gegenüber dabeistand, sah, daß er so verschied, sprach er: Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn!
    15,40 Es sahen aber auch Frauen von fern zu, unter ihnen auch Maria Magdalena und Maria, Jakobus des Kleinen und Joses Mutter, und Salome, 15,41 die, als er in Galiläa war, ihm nachfolgten und ihm dienten, und viele andere, die mit ihm nach Jerusalem hinaufgekommen waren.


    Der von Dir genante Text aus Johannes beschreibt den Aufenthaltsort von Maria und Maria Magdalena vor der Essigreichung und der Markustext benennt den Aufenthaltsort dieser Personen nach dem Tod Jesu. Dazwischen ist einige Zeit vergangen. Und insgesamt hat sich die Kreuzigung mehrere Stunden hingezogen. Und da willst Du jetzt einen "Widerspruch" daran festmachen, dass die Mutter von Jesus als es mit Jesu irdischem Leben zu Ende ging, nicht vor dem Kreuz geblieben ist, sondern sich etwas weiter wegbewegt hat, vielleicht weil man da sitzen und in Ruhe trauer konnte, da wo man nicht länger auf dem Präsentierteller sitzt?

    Tut mir leid, aber damit überzeugst Du mich nicht.

    Was die Verbalinspiration angeht, so nennt 2. Tim 3,16 ausdrücklich die "ganze Schrift" inspiriert. Auch wenn jeder Schreiber seinen eigenen Stil mit eingebracht hat, so war es doch bei jedem Satz und bei jedem Wort dennoch Gottes Geist, der dieses Stück Bibel inspiriert hat. Und wenn die ganze Schrift inspiriert ist, was anderes ist das als Verbalinspiration?

    Heiko

    Einmal editiert, zuletzt von HeimoW (9. April 2013 um 22:52)

  • Mir sind solche Widersprüche sind für mich eigentlich völlig egal, denn sie ändern an den Aussagen überhaupt nichts. Für mich muss die Bibel auch nicht den Anspruch haben, dass alles 100% korrekt ist. Es geht mir bei der Bibel viel mehr um den Kern der Aussagen. Das ist wie man Kindern Geschichten erzählt, aus denen sie etwas lernen sollen. Die erzählt jeder ein wenig anders, der ein schmückt sie etwas mehr aus, der andere weniger. Aber die Botschaft und die Kernaussage ist und bleibt immer die selbe. So sehe ich das auch mit der Bibel. Es ist gar nicht möglich, dass alles 100% stimmt, alleine schon der Tatsache wegen, dass vieles über eine lange Zeit mündlich überliefert wurde, wird dazu führen, dass nicht alles 100% stimmt, aber das ist mir eben egal, weil sich dadurch an den Kernaussagen nichts ändert. Es gibt ja Untersuchungen, die Bspw. zum Schluss kommen, dass die Genesis sogar erst während der babylonischen Gefangenschaft geschrieben wurde. Ich habe kein Problem, damit wenn das jemand anders versteht, aber die unterschiedlichen Lesearten (wenn ich es mal so bezeichnen darf) führen mitunter dazu, dass wir uns über Vieles streiten. Ich selbst kann nicht urteilen, welche Leseart besser ist, ich versuche das aber immer zu berücksichtigen und bin daher in den letzten Jahren im Bewusstsein dieser Differenzen viel grosszügiger gegenüber andern biblischen Auslegungen geworden und ehrlich gesagt seid ich das so handhabe sind für mich andere Ansichten nicht mehr ein Streitpunkt sondern eine Bereicherung in meinem Glaubensleben, denn auch wenn sie zu keinem andern Ergebnis für mich führen, entdecke ich so immer wieder neue Aspekte. Ich kann nur jedem die Empfehlung geben, das auch einmal so zu versuchen, es bereichert nämlich und zumindest bei mir stärkt es meinen eigenen Glauben.

    Liebe Grüsse
    DonDomi

  • Hallo Heiko,

    natürlich kann man versuchen, unterschiedliche Darstellungen zu harmonisieren. Das ist mal schwerer und mal leichter. Bei den verschiedenen Erzählungen, wie oft der Hahn bei der Verleugnung durch Petrus gekräht hat, vermuteten deshalb einige, dass der Hahn insgesamt 12-mal gekräht haben muss. Dann klappt es, dass jedes Evangelium nur einen Teil wiedergegeben hat, aber sie sich nicht widersprechen.

    Ich halte das nicht für den richtigen Weg. Und spätestens da, wo Abweichungen in den Zeitangaben von mehreren Jahrtausenden vorkommen oder einmal Satan und einmal Gott für eine Handlung verantwortlich gemacht wird, wird deutlich: Die Autoren der Bibel waren Menschen, die ihre Erfahrung mit Gott und ihren Glauben in Worte gefasst haben. Die Bibel ist ein Buch des Lebens.

    Was die Verbalinspiration angeht, so nennt 2. Tim 3,16 ausdrücklich die "ganze Schrift" inspiriert. Auch wenn jeder Schreiber seinen eigenen Stil mit eingebracht hat, so war es doch bei jedem Satz und bei jedem Wort dennoch Gottes Geist, der dieses Stück Bibel inspiriert hat. Und wenn die ganze Schrift inspiriert ist, was anderes ist das als Verbalinspiration?

    Gerade bei 2Tim 3,16 ist es wichtig, genau hinzuschauen. Selbst wenn hier die Verbalinspiration gemeint sein sollte, könnte das nur für das Alte Testament gelten, denn das Neue Testament und die Evangelien gab es noch nicht, als Paulus das schrieb.
    Dass die "ganze Schrift" von Gott inspiriert ist, steht aber gar nicht im Text. Dass wird kurzerhand hineingelesen, auch wenn das einige deutsche Bibelübertragungen munter mitmachen.

    Im griechischen Text heißt es aber: "Alle gottgehauchte [theopneustos] Schrift ist nützlich zur Lehre."
    [πᾶσα γραφὴ θεόπνευστος καὶ ὠφέλιμος πρὸς διδασκαλίαν]

    Es geht nicht darum zu sagen, wie die ganze Bibel beschaffen oder entstanden ist. Es geht darum, wozu die gottgehauchte Schrift nützlich ist. Was gottgehaucht bedeutet, wird hier auch gar nicht erklärt. Dass Gott Wort für Wort diktiert haben soll, wie es die Verbalinspiration behauptet, steht überhaupt nicht im Text. "Gottgehaucht" heißt wohl eher, dass Gottes Geist ("pneuma") aus den Worten spricht.

    Paulus hat hier keinen dogmatischen Lehrsatz über die Beschaffenheit der Bibel hinterlassen, sondern einen praktischen Tipp gegeben. Paulus war im Gefängnis, vieles war unsicher. Da hat Timotheus einen Rat von Paulus gekriegt, woran er sich halten soll und was ihm Orientierung geben kann, wenn Paulus nicht da ist: Die gottgehauchte Schrift ist nützlich zur Lehre. Paulus ist nicht da, aber Timotheus soll die Bibel nehmen, aus der Gottes Geist weht, damit er eine Lehre hat.

    Einmal editiert, zuletzt von BWgter (10. April 2013 um 12:08)

  • Das älteste, bisher gefundene Fragment des Markusevangeliums stammt aus der Zeit um 40 n.Chr. Eta Linnemann weist nach, dass die synoptischen Evangelien um das Jahr 50 n. Chr. alle vor gelegen haben. Von den drei Evangelisten war nur Matthäus ein Augenzeuge, Markus verließ sich auf Petrus, und Lukas auf ungenannt.

    Ich möchte ja Eta Linnemann nicht diskreditieren, aber bei dem Satz "Eta Linnemann weist nach" musste ich doch schmunzeln. Frau Linnemann hat sicher eine bemerkenswerte Kehrtwende in ihrem Leben gemacht. Was sie aber nicht geschafft hat ist, nach ihrer Kehrtwende etwas "nachzuweisen". Sie stand bis zum Ende ihrer Tage abseits und mit ihrer Ansicht allein da, weil ihre Argumente die Bibelwissenschaftler nicht überzeugen konnten. Das soll nicht heißen, dass es nicht religiöse Gruppen gibt, die ihre Ansicht favorisieren - wer wünscht sich nicht Textdokumente, die nah an der Zeit Jesu dran sind. Wissenschaft zeichnet sich aber durch eine strenge Beachtung der Methoden aus. Und deshalb konnte sie die Fachwelt nicht überzeugen.

  • Hallo BWgter,

    Gerade bei 2Tim 3,16 ist es wichtig, genau hinzuschauen. Selbst wenn hier die Verbalinspiration gemeint sein sollte, könnte das nur für das Alte Testament gelten, denn das Neue Testament und die Evangelien gab es noch nicht, als Paulus das schrieb.
    Dass die "ganze Schrift" von Gott inspiriert ist, steht aber gar nicht im Text. Dass wird kurzerhand hineingelesen, auch wenn das einige deutsche Bibelübertragungen munter mitmachen.

    Warum sollte das nur für das AT gelten? Die Rede ist hier von der "ganzen Schrift". Wo steht, dass das NT davon ausgeschlossen ist? Und was die Übersetzung angeht:

    Pasa im Singular heißt "die ganze". "Alle" ist die Übersetzung, wenn Pasa im Plural steht, wie z.B. in "alle Bäume". Der Vers redet von der ganzen Schrift. Der Satz hat kein Verb, kein "ist". Das wurde ausgelassen. Was aber wichtig ist: θεόπνευστος (geistgehaucht) und ὠφέλιμος (nützlich) sind mit καί "und" verbunden und stehen auf gleicher Stufe. Paulus bezeichnet hier somit "die ganze Schrift" zugleich als geistgehaucht und als nützlich zu (Lehre etc). Damit entspricht Deine Interpretation des Verses nicht dem, was im Griechischen dasteht.

    Nun kann man natürlich fragen, was "geistgehaucht" bedeutet. Was auch immer das bedeutet, es bezieht sich auf die "ganze Schrift", also auf die gesamte Bibel. Und damit auf jeden Satz und auf jedes Wort. Die Unterscheidung in einzelnes Wort als irgendwie egal und dem gesamten Sinn, den man irgendwie übernimmt, ist künstlich und ist so erst mit der Bibelkritik aufgekommen. Ich teile diese Ansicht nicht. Jedes Wort (wie Jesus es in der Bergpredigt formulierte: jedes Jota und jedes Tüttelchen) ist von Gott abgesegnet und bedeutsam. Und es ist nicht Sinn dieses Buches, dass wir uns über dieses Buch stellen, um es zu richten und es unserem Verstehen anpassen. Nein, vielmehr ist es anders herum: Gott hat uns dieses Buch gegeben, damit wir unser Leben nach dem Ausrichten, was er uns zu sagen hat.

    Heiko

  • Nun kann man natürlich fragen, was "geistgehaucht" bedeutet. Was auch immer das bedeutet, es bezieht sich auf die "ganze Schrift", also auf die gesamte Bibel. Und damit auf jeden Satz und auf jedes Wort.

    Nur, damit wir uns nicht missverstehen: Du meinst im Ernst, Paulus hat eine Aussage über etwas getroffen, was es noch gar nicht gab und was er nicht kannte?

    Einmal editiert, zuletzt von BWgter (10. April 2013 um 13:51)

  • Nur, damit wir uns nicht missverstehen: Du meinst im Ernst, Paulus hat eine Aussage über etwas getroffen, was es noch gar nicht gab und was er nicht kannte?

    Nur dAmit wir uns nicht missverstehen: Du meinst im Ernst, Paulus hätte nur eine Aussage über das gemacht, was es damals schon gab (AT und die drei synoptischen Evangelien), diese seien inspiriert, und zwar ganz, und der Rest der Bibel nicht? Das ist abenteuerlich...

    Heiko