Du hast zitiert:
"[...] dass die damalige Doktorantin systematisch und vorsätzlich über die gesamte Dissertation verteilt gedankliche Leistungen vorgab, die sie in Wirklichkeit nicht selbst erbracht hatte."
Ja, das mag schon stimmen, obwohl das sehr schwammig geschrieben ist. Aber wenn man ehrlich ist: Man kann nicht immer das Rad neu erfinden und ich will gar nicht wissen, wie viele hunderte andere Doktoren aus allen wissenschaftlichen Disziplinen es ähnlich gemacht haben.
Teilweise gibt es auch Themen, in denen es kaum Literatur gibt. Als ich 2002 eine "kleine" Diplomarbeit an der WU Wien (die dann 304 Seiten stark wurde) zum Thema "Makenführung in der Industrie" schrieb, war es eine der ersten deutschsprachigen Arbeiten zu diesem Thema.
2007 wurde die Arbeit dann zum zweiten Mal als Buch aufgelegt und war genau genommen veraltet, da es zwischenzeitlich gut einhundert neue Veröffentlichungen zu diesem Thema gab. Würde ich heute diese Arbeit schreiben, wüßte ich nicht, was ich neues schreiben könnte und müßte genau genommen auch die x-te Arbeit zum Thema "DIe Marke Red Bull" schreiben, eben nur auf die Industrie bezogen.
(Zugegeben: Mein Fehler war, dass ich diesen "Starterbonus" nicht genügend ausgenutzt habe, sonst würde ich heute ein paar Cent mehr verdienen.)
Viele Arbeiten sind nur kreatives "Abschreiben." Oder glaubst Du, dass wenn man in Bogenhofen die hundertfünfzigste Semesterarbeit über die Route des Exodus schreibt, dass das keine kreatives Abschreiben ist?
Es ist in der Wissenschaft nicht immer alles neu. Im Gegenteil: Das Meiste wird übernommen, kritisch gewürdigt und manches verbessert.....
So wie bei den Handys: Wenn Nokia das dreihundertste Handy mit physischer Tastatur und kompliziertem Menü baut, ok, hoffentlich verdienen sie damit viel Geld. Der liebe Gott möge sie dabei segnen, wenn sie das tun, was sie schon vor 20 Jahren so getan haben und sie vor Projekten bewahren, die das aktuelle iPhone (oder Galxy) so alt wie den Ford T aussehen lassen. Das ist auch in der WIssenschaft so: Die meisten Arbeiten bieten nichts oder nur sehr wenig Neues.
Wenn aber Neues entsteht, dann hat das auch für den Wissenschaftler anfängliche Nachteile:
- Es kommt Gegenwind. Eine Difensio Disserationis ist wesentlich schwieriger, wenn die Arbeit "revolutionär" ist. Warum? Weil wie im Leben es halt so ist -- man geht auf Menschen, die anders denken einfach los. (Hand auf's Herz: Ist das denn nicht in der Gemeinde auch so, oder?) Dann gibt es die Ersten, die sich zum neuen Paradigma bekehren. Und irgendwann ziehen viele mit. Es geht dabei stets um Eitelkeiten, (studentische) Netzwerke,....
Aus diesem Grund kann ich verstehen, dass man gerade im innovationsfeindlichen Mitteleuropa seichte Arbeiten schreibt.
- Würden wir beispielsweise an der Stanford University studieren, man würde "revolutionäre" Arbeiten geradezu fördern, vermarkten und alles dafür tun, dass ein paar verrrückte Studenten in einer priavten Garage und in den Klassenräumen von Stanford den Grundstein für die nächsten Silicon Valley Megabrands wie Googles, Apples, Yehoos, ebays,.... legen.
Zusammenfassend kann ich Doktoranden, die oberflächliche Arbeiten schreiben, gut verstehen.
Ich kann über meinen Werdegang nur sagen: auch meine Disseration wird Dinge beinhalten, die anders sind und bestehendes hinterfragen. Da ich in einer toleranten Disziplin bin (also nicht in der Theologie - dort ist Theologie A immer richtig und Theologie B immer falsch), in der man offen für "neues Licht" ist, glaube ich auch nicht, künftig extremen Gegenwind zu haben.