Aberkennung von Doktortiteln als "Jagdsport" auf akademische "Sünder"

  • Daniels:

    Du hast zitiert:

    "[...] dass die damalige Doktorantin systematisch und vorsätzlich über die gesamte Dissertation verteilt gedankliche Leistungen vorgab, die sie in Wirklichkeit nicht selbst erbracht hatte."

    Ja, das mag schon stimmen, obwohl das sehr schwammig geschrieben ist. Aber wenn man ehrlich ist: Man kann nicht immer das Rad neu erfinden und ich will gar nicht wissen, wie viele hunderte andere Doktoren aus allen wissenschaftlichen Disziplinen es ähnlich gemacht haben.
    Teilweise gibt es auch Themen, in denen es kaum Literatur gibt. Als ich 2002 eine "kleine" Diplomarbeit an der WU Wien (die dann 304 Seiten stark wurde) zum Thema "Makenführung in der Industrie" schrieb, war es eine der ersten deutschsprachigen Arbeiten zu diesem Thema.
    2007 wurde die Arbeit dann zum zweiten Mal als Buch aufgelegt und war genau genommen veraltet, da es zwischenzeitlich gut einhundert neue Veröffentlichungen zu diesem Thema gab. Würde ich heute diese Arbeit schreiben, wüßte ich nicht, was ich neues schreiben könnte und müßte genau genommen auch die x-te Arbeit zum Thema "DIe Marke Red Bull" schreiben, eben nur auf die Industrie bezogen.
    (Zugegeben: Mein Fehler war, dass ich diesen "Starterbonus" nicht genügend ausgenutzt habe, sonst würde ich heute ein paar Cent mehr verdienen.)

    Viele Arbeiten sind nur kreatives "Abschreiben." Oder glaubst Du, dass wenn man in Bogenhofen die hundertfünfzigste Semesterarbeit über die Route des Exodus schreibt, dass das keine kreatives Abschreiben ist?

    Es ist in der Wissenschaft nicht immer alles neu. Im Gegenteil: Das Meiste wird übernommen, kritisch gewürdigt und manches verbessert.....

    So wie bei den Handys: Wenn Nokia das dreihundertste Handy mit physischer Tastatur und kompliziertem Menü baut, ok, hoffentlich verdienen sie damit viel Geld. Der liebe Gott möge sie dabei segnen, wenn sie das tun, was sie schon vor 20 Jahren so getan haben und sie vor Projekten bewahren, die das aktuelle iPhone (oder Galxy) so alt wie den Ford T aussehen lassen. Das ist auch in der WIssenschaft so: Die meisten Arbeiten bieten nichts oder nur sehr wenig Neues.

    Wenn aber Neues entsteht, dann hat das auch für den Wissenschaftler anfängliche Nachteile:

    - Es kommt Gegenwind. Eine Difensio Disserationis ist wesentlich schwieriger, wenn die Arbeit "revolutionär" ist. Warum? Weil wie im Leben es halt so ist -- man geht auf Menschen, die anders denken einfach los. (Hand auf's Herz: Ist das denn nicht in der Gemeinde auch so, oder?) Dann gibt es die Ersten, die sich zum neuen Paradigma bekehren. Und irgendwann ziehen viele mit. Es geht dabei stets um Eitelkeiten, (studentische) Netzwerke,....
    Aus diesem Grund kann ich verstehen, dass man gerade im innovationsfeindlichen Mitteleuropa seichte Arbeiten schreibt.

    - Würden wir beispielsweise an der Stanford University studieren, man würde "revolutionäre" Arbeiten geradezu fördern, vermarkten und alles dafür tun, dass ein paar verrrückte Studenten in einer priavten Garage und in den Klassenräumen von Stanford den Grundstein für die nächsten Silicon Valley Megabrands wie Googles, Apples, Yehoos, ebays,.... legen.

    Zusammenfassend kann ich Doktoranden, die oberflächliche Arbeiten schreiben, gut verstehen.
    Ich kann über meinen Werdegang nur sagen: auch meine Disseration wird Dinge beinhalten, die anders sind und bestehendes hinterfragen. Da ich in einer toleranten Disziplin bin (also nicht in der Theologie - dort ist Theologie A immer richtig und Theologie B immer falsch), in der man offen für "neues Licht" ist, glaube ich auch nicht, künftig extremen Gegenwind zu haben.

    "Der Unterschied zwischen dem, was wir tun,
    und dem, wozu wir fähig sind,
    würde die meisten Probleme dieser Welt lösen."

    Ghandi

  • Viele Arbeiten sind nur kreatives "Abschreiben." Oder glaubst Du, dass wenn man in Bogenhofen die hundertfünfzigste Semesterarbeit über die Route des Exodus schreibt, dass das keine kreatives Abschreiben ist?


    Wissenschaftliches Arbeiten bedeutet immer daß men seine Quellen sauber angibt. Dann ist das kreative Abschreiben auch erlaubt. Aber ebnen nur dann!
    Das Problem ist nicht das Abschreiben an sich sondern die fehlenden Quellenangaben.
    Ich habe noch sämtliche Hausarbeiten meiner Kollegen vom Seminar auf dem Dachboden und habe damals ihre Vervielfältigung und Verteilung organsiert und selbst ausgeführt.

  • Am Rande: Eine Diplomarbeit ist ein Nachweis der Fähigkeit zu akademischem oder wissenschaftlichem Arbeiten, soweit ich weiß muss sie nicht innovativ sein; von einer Doktorarbeit allerdings wird dies meines Wissens mindestens in gewissem Umfang erwartet.

    Insgesamt: Deine Einwände mögen alle etwas für sich haben, gleichwohl wundere ich mich über diesen eifrigen Wunsch mancher Leute den Fall von Frau Schavan zu relativieren. Ich höre durch die Tagesschau und gleichrangige Medien Folgendes:

    • Die Universität Düsseldorf hat sich neun Monate Zeit genommen, um den Fall zu untersuchen. Also unterstelle ich ein gründliches Verfahren und eine detaillierten Untersuchung, schließlich ein wohlbegründetes, solides Urteil.
    • Bei der Abstimmung, ob Frau Schavan der Doktortitel abzuerkennen sei, gab es ungefähr (ich möchte das jetzt nicht nachschlagen) 12 Stimmen dafür, 2 Stimmen dagegen und eine Enthaltung. Daraus schließe ich, dass die Beweislage erdrückend und praktisch eindeutig war. Ich vermute, dass die Gegenstimmen nur mit der Frage zu tun haben, ob man einer Bundesministerin nach so langer Zeit den akademischen Grad noch entziehen soll oder damit, ob die Universität dadurch nicht ihrem eigenen Ruf schadet.

    Natürlich muss die Mehrheit nicht immer Recht haben, aber wenn eine Universität neun Monate einen Fall untersucht und schließlich 80 Prozent der Gremiumsmitglieder nach der Fallanalyse eine Aberkennung des Doktortitel für notwendig halten, dann halte ich alle von außen kommenden Relativierungen für spekulativ und vergleichsweise unangebracht. (Es sei denn, man kann der Universität manipulative Absichten oder spezielle Interessen an der Aberkennung des Doktortitels nachweisen, was aber bisher nicht einmal jemand behauptet.)

    Grüße
    Daniels

    "Prüft alles und, was gut ist,
    das behaltet. Aber was böse ist,
    darauf lasst euch nicht ein..."

    1. Thessalonicher 5, 21.22

    "Wähle das Leben, damit du lebst."
    5. Mose 30, 19

  • ...Die von der Uni Düsseldorf vorgenommene Untersuchung ist ja hinreichend dokumentiert zu finden.
    Die Ministerin hat es sich damals etwas zu einfach machen wollen.
    Sie hat Texte und Quellenangaben übernommen und damit auch Fehler in den Quellenangaben, die schon das
    Original aufwies.
    Das ist ja nun kein Zufall.
    Viele Textpassagen sind ungeprüft abgeschrieben worden. Gleicher Wortlaut, keine Quellenangabe.
    Man kann das als "menschlich" beurteilen, es ist aber eben auch ein Betrug, dem sich der Verfasser/ die Verfasserin bewusst ist.
    Das wird auch nicht besser, wenn es viele scheinbar so machen.
    Viel mehr Menschen arbeiten ehrlich oder beenden die Promotion nicht weil sie keine Zeit haben, Kinder bekommen,- anderes wichtiger wird.
    Die dürfen nicht als die "Dummen" hingestellt werden!
    Wir sind nicht aufgerufen zum Verurteilen aber zum Benennen und zum kritisch Sehen.

    Dem Sohn, der mit Abschreiben bei der Nachbarin eine 1 in der Klassenarbeit erhält, würden wir doch auch was erzählen...!

    Einmal editiert, zuletzt von henriette89 (11. Februar 2013 um 13:10)

  • Erstens ,liebe Leute, ist in Oesterreich ein Doktorat noch immer Namensbestandteil (!) - das Grundbuchgericht zum Beispiel verlangt eine Änderung der Eintragunung - also sehr wohl etwas wie ein Adelstitel - dem werde man gerecht !

    Zweitens habe ich in der Mittelschule schon gelernt,bei Schularbeiten (illegal ! ) Quellen verwenden zu dürfen, ich musste sie nur deklarieren und daraus eigene kritische Gedanken entwickeln (Deutsschularbeit am Sabbat, zum Nachholen setzt mich der Deutschprofessor in die Bibliothek - " Na, Du kennst dich da eh aus - ")

    Drittens : Als Universitätsassistentoid kletterte ich tagelang in den Galerien der "Gesellschaft der Ärzte" leiterauf / leiterab, um die Quellen für die nächste Publliktion des "Chefs" bis 1870 oder so zurück zu überprüfen.

    Das Zurückgreifen auf Tertiärliteratur oder überhapt keine Nachfrage nach den Grundlagen - Henner Ertel mit seinem Institut für rationale Psychologie, hochgelobt in STA - Kreisen ! - oder das Falschzitieren aus dritter Hand - Frazers "Diet, Life Expectancy ad Chronic Diseases" ist intellektuelle Schlamperei. - Selbst einem Journalisten würde man mangelhafte Recherche vorwerfen.

    Dies ist ein sittliches Problem. Man besinne sich hierorts auf das Humboldtsche Bildungsideal.

    Nihil hic determino dictans : Conicio, conor, confero, tento, rogo, quero - -

    Leider kann ich nicht mit der alleinerziehenden Mutter aufwarten - -

  • post scriptum : Jugendtorheit -sie hat Hasch geraucht , pfui ! - ist eine Sache; Mord verjährt NIE ! Die Universität ist autonom im Aberkennen eines akademischen Grades - zum Beispiel auch nach strafrechtlichen Verurteilungen ab xxx Freiheitsstrafe;, mit dem Führerschein der Fahrschule ist es etwas anderes. Bewahren und stärken wir unsere Universitätsautonomie ! (unter den unfehlbaren Göttern o. Univ. Prof. habe ich genug gelitten, besser noch als "Fernstudien" mit Diplomen von den Bahamas !)

    Wenn auch der a.o.Professor, Dekan, Promotor bei der Eidesformel zur Promotion schamrot werden müsste und sounsdsoviele Kommilliton(in)nen einen Meineid schwören : Du als bekenntlche(r) STA hast einen Eid geschworen ! - Und hast seinen Wert hochzuhalten.

    Nihil hic determino dictans : Conicio, conor, confero, tento, rogo, quero - -

    Leider kann ich nicht mit der alleinerziehenden Mutter aufwarten - -

  • Hallo Henriette89,

    freue mich nach längerer Zeit wieder von dir hier zu lesen.

    liebe Grüße dir
    yokurt

  • Zitat

    Das Posting von henriette89 ist vom 11.2.

    .. schade---tja Heimo so kann´s gehen wenn man sich nicht exakt informiert hat.
    y.