2012/Q3 - Nr. 2 - "Euer Blut komme auf euren Kopf"

    • Offizieller Beitrag

    Hallo zusammen,

    Heute würde mich ein schon länger in mir unklares Thema interessieren. Es gibt den Ausspruch in der Bibel "Euer Blut komme auf euer Haupt". Paulus hat das in unserer aktuellen Wochenbetrachtung im Zusammenhang mit Lästerung und Widerstrebung (Elberfelder) genannt. Ich zitiere hier mal die Bibelstelle aus Apostelgeschichte:

    18/1 Danach schied er von Athen und kam nach Korinth. 18/2 Und er fand einen Juden namens Aquila, aus Pontus gebürtig, der kürzlich aus Italien gekommen war, und Priscilla, seine Frau - weil Klaudius befohlen hatte, daß alle Juden sich aus Rom entfernen sollten -. Er ging zu ihnen, 18/3 und weil er gleichen Handwerks war, blieb er bei ihnen und arbeitete; denn sie waren Zeltmacher ihres Handwerks. 18/4 Er unterredete sich aber in der Synagoge an jedem Sabbat und überzeugte Juden und Griechen. 18/5 Als aber sowohl Silas als Timotheus aus Mazedonien herabkamen, wurde Paulus durch das Wort gedrängt und bezeugte den Juden, daß Jesus der Christus sei. 18/6 Als sie aber widerstrebten und lästerten, schüttelte er die Kleider aus und sprach zu ihnen: Euer Blut [komme] auf euren Kopf! Ich bin rein; von jetzt an werde ich zu den Nationen gehen.

    Meine Frage an euch ist diese. Was soll dieser Satz aussagen? Wie versteht ihr die Aussage von Paulus?
    Oberflächlich betrachtet könnte man zu dem Schluß kommen, dass Paulus hier: verurteilt, verflucht und sich danach auch noch als "rein" bezeichnet. Kann das sein?
    Bei uns in der Sabbatschul-Vorbereitung wurde von einem Bruder erwähnt, dass Paulus das mit Tränen in den Augen und voller Liebe zu ihnen sagte. Könnt ihr euch das vorstellen? Passt die Aussage zu einem ruhigen, sanften Wesen, das liebevoll spricht?


    Als zweite, vertiefende Thematik interessiert mich an dieser Stelle die Parallelen zu dem Text. Wie können wir die Aussage von Paulus einordnen, wo finden wir ähnliche Stellen in der Bibel? Die bekannteste und für mich noch unbegreiflichere Stelle steht bei Jesu Verurteilung durch Pilatus:

    Mt. 27/23 Der Statthalter aber sagte: Was hat er denn Böses getan? Sie aber schrien übermäßig und sagten: Er werde gekreuzigt! 27/24 Als aber Pilatus sah, daß er nichts ausrichtete, sondern vielmehr ein Tumult entstand, nahm er Wasser, wusch seine Hände vor der Volksmenge und sprach: Ich bin schuldlos an dem Blut dieses Gerechten. Seht ihr zu! 27/25 Und das ganze Volk antwortete und sprach: Sein Blut [komme] über uns und über unsere Kinder! 27/26 Dann gab er ihnen den Barabbas los; Jesus aber ließ er geißeln und überlieferte ihn, damit er gekreuzigt werde.

    "über uns und unsere Kinder" . Mir ist es unbegreiflich wie man so eine idiotische Aussage treffen kann? Kann man über seine Kinder bestimmen? Kann man Gott durch so etwas herausfordern? Hält sich Gott an so eine Verwünschung, erfüllt er den Wunsch derjenigen, die diese Aussage getroffen haben?


    Ich habe auch eine Stelle im AT gefunden, wo David diese Worte verwendet. Es geht darum, dass nach dem Tod Sauls jemand zu David kommt und sich dafür anscheinend eine Belohnung abholen will, oder zumindest damit prahlt, dass er Davids Konkurrenten ausgeschaltet hat:

    2 Sam 1/6 Der junge Mann, der ihm berichtete, sagte: Ich geriet zufällig auf das Gebirge Gilboa, und siehe, Saul lehnte sich auf seinen Speer; und siehe, die Wagen und die Reiter holten ihn ein. 1/7 Da wandte er sich um, sah mich und rief mich, und ich sagte: Hier bin ich! 1/8 Und er sagte zu mir: Wer bist du? Ich sagte zu ihm: Ich bin ein Amalekiter. 1/9 Da sagte er zu mir: Tritt doch her zu mir und gib mir den Todesstoß, denn ein Schwächeanfall hat mich ergriffen, doch mein Leben ist noch ganz in mir! 1/10 Da trat ich zu ihm und gab ihm den Todesstoß, denn ich erkannte, daß er nach seinem Fall nicht am Leben bleiben würde. Und ich nahm das Diadem, das [er] auf seinem Kopf [hatte], und die Spange, die an seinem Arm war, und bringe sie hierher zu meinem Herrn.
    1/11 Da faßte David seine Kleider und zerriß sie; [das taten] auch all die Männer, die bei ihm waren. 1/12 Und sie klagten und weinten und fasteten bis zum Abend um Saul und um seinen Sohn Jonatan und um das Volk des HERRN und um das Haus Israel, weil sie durchs Schwert gefallen waren.
    1/13 Und David sagte zu dem jungen Mann, der ihm berichtete: Woher bist du? Er sagte: Ich bin der Sohn eines amalekitischen Fremdlings. 1/14 Und David sagte zu ihm: Wie, hast du dich nicht gefürchtet, deine Hand auszustrecken, um den Gesalbten des HERRN umzubringen? 1/15 Und David rief einen von den jungen Männern und sagte: Tritt heran, stoß ihn nieder! Da erschlug er ihn. So starb er. 1/16 Und David sagte zu ihm: Dein Blut [komme] auf deinen Kopf! Denn dein [eigener] Mund hat gegen dich ausgesagt, als du sprachst: Ich habe den Gesalbten des HERRN getötet.


    Wie erklärt ihr euch diese Texte? Ist es heute auch manchmal zulässig, dass man jemandem so etwas sagt?

    viele Grüße

    Tricky

  • Ich wage es zu antworten, ich verstehe es so, das alles was wir tun, sei es lästern, verurteilen ... auf den zurück kommt, auf den Absender.
    Ob in großen oder im kleinen, und weil die Juden lästerten, wird ihr eigenes lästern auf ihnen zurückfallen.....
    Ob es ein Volk ist, oder ein einzelner oder wir selber:
    Euer Blut,
    Sein Blut,
    Dein Blut,

    Es fällt alles auf einen zurück, so könnte man heute antworten.

  • Das ist ja toll,
    denn genau diese Frage stellte ich heute auch in der Runde, und keiner wusste etwas dazu. Bin gespannt auf weitere Antworten.

    Gruss
    Atze

    Für die Zukunft haben wir nichts zu befürchten, es sei denn, wir vergessen den Weg, den der Herr uns geführt und was er uns in der Vergangenheit gelehrt hat. (Ellen White, Life Sketches, 1915,)

  • Also zur Stelle in der Apostelgeschichte habe ich ein sehr passendes Bild in der Bibel gefunden, was die Aussage des Paulus sehr verständlich macht.

    Hesekiel 33:1-7
    1 Und das Wort des HERRN erging also an mich:
    2 Menschensohn, rede mit den Kindern deines Volks und sage zu ihnen: Wenn ich das Schwert über ein Land bringe, so nimmt das Volk des Landes einen Mann aus seiner Mitte und bestellt ihn zu seinem Wächter.
    3 Wenn nun dieser das Schwert über sein Land kommen sieht, so stößt er in die Posaune und warnt das Volk.
    4 Wenn dann jemand den Schall der Posaune hört und sich nicht warnen lassen will und das Schwert kommt und rafft ihn weg, so fällt sein Blut auf seinen Kopf!
    5 Denn da er den Schall der Posaune hörte, sich aber nicht warnen ließ, so sei sein Blut auf ihm! Hätte er sich warnen lassen, so hätte er seine Seele errettet!
    6 Wenn aber der Wächter das Schwert kommen sieht und nicht in die Posaune stößt und das Volk nicht gewarnt wird und das Schwert kommt und aus ihnen einen Menschen wegrafft, so wird dieser zwar um seiner Missetat willen weggerafft, aber sein Blut werde ich von der Hand des Wächters fordern.
    7 Nun habe ich dich, o Menschensohn, dem Hause Israel zum Wächter bestellt, damit du das Wort aus meinem Munde hören und sie von mir aus warnen sollst.

    Paulus hat die Posaune schallen gelassen. Jesu Erlösungsbotschaft ist auch gleichzeit die Gerichtsbotschaft, für die, die es ablehnen. Daher kommt m.M.n. seine Aussage in Korinth.

    Was die anderen Texte anbelangt, habe ich gewisse Vorstellungen, wie man die verstehen könnte aber ich kann das bis jetzt noch nicht wirklich biblisch belegen. Deshalb lasse ich mir noch ein wenig Zeit damit. ;)

    P.S. In der Weltfeldausgabe ging es irgendwie um etwas ganz anderes....

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Jacob,

    Ja, ich wußte es doch, dass wir das schon mal besprochen haben. Aber ich habe das Thema im Forum nicht mehr gefunden (aber auch nicht hartnäckig gesucht, ich gestehe).

    Was mir an der Diskussion nicht ganz klar ist. Inwieweit ist das Tragen der Schuld und das Tragen der Verantwortung zwei verschiedene Dinge. Du schreibst im anderen Thema:

    Zitat von Jacob

    Hes 33.8 Wenn ich zu dem Gottlosen sage: `Du Gottloser, du mußt sterben!, du aber redest nicht, um den Gottlosen vor seinem Weg zu warnen, so wird er, der Gottlose, um seiner Schuld willen sterben; aber sein Blut werde ich von deiner Hand fordern.

    Hier wird davon gesprochen, dass ein Gottloser aufgrund seiner Schuld stirbt, aber sein Blut (die Verantwortung) werden dienigen tragen, die ihn vor der Sündetat nicht gewarnt haben.

    Für mich ist klar, dass derjenige, der die Schuld tut, auch deswegen stirbt. Warum und wie kann ein anderer die Verantwortung tragen? WIE genau tragt er diese Verantwortung? Ist es ihm dann auch Schuld. Könnte es also sein, dass theoretisch beide wegen dieser einen Schuld verloren gehen?


    Zitat von Jacob

    Apg 18.6 Als sie aber widerstrebten und lästerten, schüttelte er die Kleider aus und sprach zu ihnen: Euer Blut [komme] auf euren Kopf! Ich bin rein; von jetzt an werde ich zu den Nationen gehen.

    So auch hier. Paulus sagt nach mehrmaligen vergeblichen Versuchen, die Juden zum Glauben an Christus zu bringen, dass er ab jetzt nicht weiter die Verantwortung vor Gott dafür trägt, wenn diese in ihrem Unglauben sterben werden.

    Aus meiner Sicht würde er das sowieso nicht. Warum wäre Paulus daran Schuld, dass diese Juden in Korinth oder sonstwo die Bibel nicht richtig verstehen?

    Oder anders gefragt, sind wir auch verantwortlich dafür, dass alle Katholiken, alle Evangelischen, alle HLT, ... die Bibel richtig verstehen? Ich meine jetzt nicht einen Fall wie diesen:
    Apg. 8/29 Der Geist aber sprach zu Philippus: Tritt hinzu und schließe dich diesem Wagen an! 8/30 Philippus aber lief hinzu und hörte ihn den Propheten Jesaja lesen und sprach: Verstehst du auch, was du liest? 8/31 Er aber sprach: Wie könnte ich denn, wenn nicht jemand mich anleitet? Und er bat den Philippus, daß er aufsteige und sich zu ihm setze.
    Hier bittet der Mann aus Äthiopien (also ein in den Augen der Juden UNREINER) den Philippus um Hilfe. Wenn Philippus hier ablehnt, dann trägt er Mitschuld, das ist mir klar.

    Im Fall des Paulus in Korinth hat ihn doch niemand gebeten, dass er die Irrtümer der Juden aufklärt, oder? Warum also ist Paulus dennoch anscheinend in seinen Augen Schuld, auch wenn er ihnen nichts angetan hat?

    Was ich mich nämilch wirklich frage: Wenn Paulus eine Schuld trägt, bis zu dem Zeitpunkt, wo er sie abgibt:
    "Euer Blut [komme] auf euren Kopf! Ich bin rein; von jetzt an werde ich zu den Nationen gehen."
    Welche Schuld tragen wir heute?

    Zitat von Jacob

    Mt 27.24 Als aber Pilatus sah, daß er nichts ausrichtete, sondern vielmehr ein Tumult entstand, nahm er Wasser, wusch seine Hände vor der Volksmenge und sprach: Ich bin schuldlos an dem Blut dieses Gerechten. Seht ihr zu! 27.25 Und das ganze Volk antwortete und sprach: Sein Blut [komme] über uns und über unsere Kinder!

    Hier sagt Pilatus zuerts, dass er für die Kreuzigung Jesu nicht schuldig ist und weiterhin dafür nicht verantwortlich gemacht werden kann. Darauf antwortet die Volksmenge: "Sein Blut [komme] über uns". Also, das Volk meinte nicht, dass sie nun von allen gehasst und gemetzelt werden sollen, sondern dass sie vor Gott die Verantwortung für diese Entscheidung tragen, die Verantwortung im großen Gericht Gottes.

    War Pilatus wirklich unschuldig am Blut Jesu, weil er das so gesagt hat? Kann man Schuld so "einfach" übertragen? Hätte Pilatus Jesus nicht freisprechen müssen?
    Bei dem Beispiel von David aus 2 Sam 1,16 scheint es so zu klappen. David befiehlt seinem Soldaten, dass er den Mann tötet. Dann sagt er, dass der Soldat unschuldig ist und der Mann seine Schuld selbst tragen soll.

    Die Dimension "über uns und unsere Kinder" ist ja sowieso lächerlich. Was können die Kinder für den Wahnsinn ihrer Eltern?


  • Warum wäre Paulus daran Schuld, dass diese Juden in Korinth oder sonstwo die Bibel nicht richtig verstehen?

    Oder anders gefragt, sind wir auch verantwortlich dafür, dass alle Katholiken, alle Evangelischen, alle HLT, ... die Bibel richtig verstehen?

    Im Fall des Paulus in Korinth hat ihn doch niemand gebeten, dass er die Irrtümer der Juden aufklärt, oder? Warum also ist Paulus dennoch anscheinend in seinen Augen Schuld, auch wenn er ihnen nichts angetan hat?

    Was ich mich nämilch wirklich frage: Wenn Paulus eine Schuld trägt, bis zu dem Zeitpunkt, wo er sie abgibt:
    "Euer Blut [komme] auf euren Kopf! Ich bin rein; von jetzt an werde ich zu den Nationen gehen."

    Welche Schuld tragen wir heute?

    Das sind sehr interessante Gedankengänge. Das ist übrigens eines der stärksten Argumente der Zeugen Jehovas um ihre Mitglieder davon zu überzeugen eifrig von Haus zu Haus zu gehen. Wenn sie das nämlich nicht machen würden, dann hätten sie somit Blutschuld auf sich geladen.

    Ich weiß nicht genau was ich von alledem halten soll. Ich weiß aber, dass sogar Ellen White diese Gedanken unterstützt, indem sie sagte, dass durch unseren schlechten Wandel viele Menschen das ewige Leben verlieren. Das ist uns oft einfach nicht wirklich bewusst...