Frachterunglück vor Neuseeland

    • Offizieller Beitrag


    Frachterunglück vor Neuseeland: Die Katastrophe im Paradies

    Bislang stand die neuseeländische Plenty-Bucht für ungetrübte Badefreuden und einzigartige Natur. Das Schiffsunglück der "Rena" droht nun zur größten Umweltkatastrophe des Landes zu werden. Von Mareike Rehberg (Zur Bildergalerie )


    Das Drama ist kaum noch zu stoppen

    Endlose weiße Sandstrände, ein bis zu 37 Meter tiefes Riff mit einer
    atemberaubenden Flora und Fauna, die kleine Insel Motiti, deren Bewohner
    sich von dem ernähren, was das Meer ihnen schenkt: Die Plenty-Bucht vor
    Neuseelands Nordinsel war ein Stück unberührter Natur, ein Paradies
    geradezu. Ein Paradies für Delfine und Seevögel, für die Einheimischen
    und für die Touristen und Sporttaucher sowieso.

    Doch dieses Paradies ist seit dem 5. Oktober zerstört. Ob auf Monate, Jahre
    oder Jahrzehnte, das weiß im Moment noch niemand genau. Sicher ist, dass
    aus dem Unglücksfrachter "Rena", der 20 Kilometer vor der Küste am
    Astrolabe-Riff auf Grund lief, bereits mindestens 400 Tonnen Schweröl
    ausgelaufen sind. Die Folgen des Unglücks lassen sich seit Tagen beobachten:
    Autoreifengroße Ölplacken werden an die Strände geschwemmt und bescheren
    den rund 1500 Freiwilligen einen Arbeitseinsatz, der sich über Wochen hinziehen wird.
    200 tote Seevögel und Pinguine und fünf verendete, ölverklebte Seehunde wurden bisher
    gezählten - und sie werden nicht die einzigen Opfer des Unglücks
    bleiben.

    Schuld an der Katastrophe, mit der sich die
    Einwohner der Hafenstadt Tauranga konfrontiert sehen, sind nach Ansicht
    der Behörden der philippinische Kapitän des Frachters, der unter
    liberianscher Flagge fuhr, und sein Stellvertreter. Sie wurden
    festgenommen, weil sie nach Ansicht der Ermittler mit ihrer Fahrweise
    für "unnötige Gefahren und Risiken" sorgten. Die beiden Männer müssen
    mit einer hohen Geldstrafe und bis zu zwölf Monaten Gefängnis rechnen.
    Wie genau es zu dem Unglück kam, ist allerdings völlig unklar. Das nur
    80 Meter breite Riff ist seit mehr als 180 Jahren in den Seekarten
    eingetragen, die Schiffe bekommen eindeutige Anweisungen, wie sie das
    Gebiet umrunden sollten. Spekulationen, ob der Geburtstag des Kapitäns,
    der am Unglückstag 44 Jahre alt wurde, oder angebliche Mängel am
    Frachter etwas mit der Havarie zu tun haben, wollen Schifffahrtsbehörde
    und Regierung Neuseelands bisher nicht kommentieren.


    "Rena" droht auseinanderzubrechen
    Die dramatische Lage vor der Küste spitzt sich derweil immer weiter zu.
    Während die Freiwilligen zusammen mit rund 150 Soldaten über 30
    Kilometer gesperrte Strandabschnitte vom Öl befreien und angespülte
    Meeresbewohner versorgen, fürchten die Helfer auf hoher See, dass das
    Containerschiff bald auseinanderbricht. Nach tagelangem Sturm liegt die 236 Meter lange "Rena" mit 20 Grad
    Schlagseite auf dem Riff, ein riesiger Riss klafft im Rumpf des
    Frachters und das Öl läuft nach Angaben des Umweltministers fünf Mal
    schneller aus als zu Beginn des Unglücks.

    Die Einsatzkäfte des Katastrophenschutzes sind am Donnerstag, acht Tage nach
    der Havarie, wieder auf den Frachter zurückgekehrt, nachdem sie das
    Schiff zwei Tage zuvor hatten verlassen müssen. Das Wetter war einfach
    zu schlecht, hohe Wellen hatten die Arbeit unmöglich gemacht. Das
    Bergungsteam aus drei Experten inspizierte fünf Stunden lang die
    Situation an Bord und schätzt nun, dass der Frachter stabil genug ist,
    um den Einsatz fortzusetzen. Jetzt will der Katastrophenschutz möglichst
    schnell die verbliebenen 1300 Tonnen Öl
    aus den Treibstofftanks abpumpen. Bisher konnten nur etwa 10 Tonnen der
    schmierigen Flüssigkeit auf ein Spezialschiff gepumpt werden.

    Was passiert, wenn es nicht rechtzeitig gelingt, das Öl abzutransportieren,
    und die "Rena" auseinanderbricht und sinkt, beschreibt die
    Umweltorganisation WWF auf drastische Weise: Das auslaufende Öl würde
    dann in die Nahrungskette gelangen und über Jahre, bis hin zu einem
    Jahrzehnt Menschen, Tiere und Pflanzen schädigen.


    Gefährliche Containerfracht
    Nicht nur das Öl bereitet den Einsatzkräften Sorgen, sondern auch die Fracht,
    die das Schiff geladen hat. Von 1370 Containern sind bislang knapp 90
    ins Meer gefallen. Die meisten Behältnisse sind wohl leer, etwa elf
    enthalten aber offenbar Giftstoffe wie Schwermetalle und
    Reinigungsmittel, die in Verbindung mit Wasser gefährlich werden
    könnten. Einer dieser gefährlichen Container schwimme bereits im Wasser,
    heißt es. Ein Bürgerinformationsbüro und tägliche Pressekonferenzen
    sollen nun dafür sorgen, dass sich die Einwohner von Tauranga und
    Umgebung informiert fühlen und alle ihre Fragen beantwortet werden.

    Dass die Menschen besorgt und verunsichert sind, ist nur verständlich. Die
    Stadt lebt vor allem vom Tourismus, der Strand ist die Hauptattraktion
    der Gegend. Die Sommersaison hat gerade begonnen und nun könnte die
    Umweltkatastrophe die Haupteinnahmequelle des Ortes versiegen lassen.
    Vom Fischfangverbot, das seit Tagen in Kraft ist, sind außerdem auch die
    Maori auf der Insel Motiti betroffen, die fast ausschließlich von der
    Fischerei leben.


    Wie es weitergeht in der Bucht von Plenty, ist ungewiss. Alle Augen richten sich auf die Bergungsbemühungenan Bord der "Rena", die der aufgepeitschten See wohl nicht mehr lange trotzen kann. Wenn noch mehr Schweröl ausläuft, befürchtet Umweltminister Nick Smith, droht Neuseeland die schlimmste Umweltkatastrophe, die das Land jemals zu bewältigen hatte.


    [quelle]http://www.stern.de/panorama/frach…es-1738267.html[/quelle]