Der Tod ist ein Schlaf.
Tod ist nicht die totale Vernichtung, sondern ein Zustand vorübergehender Bewusstlosigkeit. Die Bibel bezeichnet diesen Zustand wiederholt als Schlaf. Im Blick auf deren Tod sagt das Alte Testament über David, Salomo und die anderen Könige von Israel und Juda, dass sie wie ihre Vorväter schlafen (1 Kön 2,10; 11,43; 14,20.31; 15,8; 2 Chr 21,1; 26,23 usw.). Hiob bezeichnete den Tod als Schlaf (Hiob 14,10-12), ebenso David (Ps 13,3), Jeremia (Jer 51,39.57) und Daniel (Dan 12,2).
Das Neue Testament benutzt dasselbe Bild. Jesus bezeichnete den Zustand der verstorbenen Tochter des Jairus als Schlaf (Mt 9,24; Mk 5,39); ähnlich bei dem toten Lazarus (Joh 11,11-14). Matthäus spricht davon, dass „viele Leiber der entschlafenen Heiligen“ bei Christi Auferstehung mit auferstanden sind (Mt 27,52). Auch Paulus und Petrus nennen den Tod einen Schlaf (1 Kor 15,51.52; 1 Ths 4,13-17; 2 Ptr 3,4).
Die folgenden Vergleiche machen deutlich, dass die biblische Sicht vom Tod als Schlaf diesen Zustand treffend beschreibt:
1. Wer schläft, ist ohne Bewusstsein. „Die Toten aber wissen nichts.“ (Pred 9,5)
2. Der Schlaf kennt kein bewusstes Denken. „Des Menschen Geist muss davon, .. dann sind verloren alle seine Pläne.“ (Ps 146,4)
3. Mit dem Schlaf hört die Tagesarbeit auf. „Bei den Toten .. gibt es weder Tun noch Denken, weder Erkenntnis noch Weisheit.“ (Pred 9,10)
4. Der Schlaf trennt von denen, die wach sind, und von ihrem Tun. „sie haben kein Teil mehr auf der Welt an allem, was unter der Sonne geschieht.“ (Pred 9,6)
5. Während des normalen Schlafes ruhen die Gefühle. „Ihr Lieben und ihr Hassen und ihr Eifern ist längst dahin.“ (Pred 9,6)
6. Im Schlaf kann man Gott nicht loben. „Die Toten werden dich, Herr, nicht loben.“ (Ps 115,17)
7. Wer schläft, wird wieder aufwachen. „Es kommt die Stunde, in der alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören werden.“ (Joh 5,28.29)
Der Mensch wird wieder zu Staub.
Die Bibel stellt den Menschen dar als organische Einheit. Der Begriff „Seele“ wird in der Bibel benutzt, um entweder den ganzen Menschen oder seine Gefühle zu bezeichnen. Sie lehrt nirgends, dass der Mensch aus zwei trennbaren Teilen besteht. Körper und Seele sind eine Einheit, existieren nur zusammen.
Durch die Vereinigung von Erde und Odem schuf Gott ein lebendiges Wesen, eine Person. Adam erhielt keine Seele als etwas Eigenständiges; er wurde eine lebendige Seele (1 Mo 2,7). Beim Tod ist der Verlauf umgekehrt: „Staub“ ohne Odem ist ein Toter ohne Bewusstsein (Ps 146,4). Die Elemente, die den Körper ausmachen, kehren zurück zur Erde, von der sie genommen sind (1 Mo 3,19). Die Seele hat außerhalb des Körpers keine Existenz. Nirgendwo sagt die Bibel, dass die Seele eigenständig überlebt (vgl. Hes 18,20).
Wo die Toten sich befinden.
Der Ort, wohin die Toten kommen, heißt im Alten Testament auf Hebräisch "scheol" und im Neuen Testament auf Griechisch "hades". "Scheol" bedeutet einfach das Grab. Die Bedeutung von "hades" ist ähnlich.
Alle Toten, gerechte wie auch ungerechte, gehen an diesen Ort (Ps 89,49). Jakob sagte: „Ich werde mit Leid hinunterfahren zu den Toten .. [scheol].“ (1 Mo 37,35) Und als „die Erde ihren Mund auftat“, um den widerspenstigen Korach mit seinen Anhängern zu verschlingen, fuhren sie „lebendig hinunter zu den Toten [scheol]“ (4 Mo 16,30). In den Scheol fährt der ganze Mensch. Als Christus starb, kam er ins Grab (Hades); bei der Auferstehung verließ seine Seele das Grab (Hades, Apg 2,27.31 EB; oder Scheol, Ps 16,10). David dankte Gott für seine Genesung und bezeugte: „Du hast mich geheilt. Herr, du hast meine Seele aus dem Scheol heraufgeholt (scheol).“ (Ps 30,3 EB)
Das Grab ist kein Ort, wo Bewusstsein [1] wäre; denn der Tod ist ein Schlaf, und die Toten werden bis zu ihrer Auferstehung im Zustand der Bewusstlosigkeit bleiben, bis der Tod und sein Reich (hades) die Toten herausgeben (Offb 20,13).
Der Geist kehrt zu Gott zurück.
Während der Leib zu Erde wird, kehrt der Geist zurück zu Gott. Salomo sagt: „Denn der Staub muss wieder zur Erde kommen, wo er gewesen ist, und der Geist wieder zu Gott, der ihn gegeben hat.“ (Pred 12,7) Das gilt für alle, für Gerechte wie für die Ungerechten.
Viele meinen, in diesem Text einen Beweis dafür zu sehen, dass der Geist des Menschen nach seinem Tod weiterlebt. Aber weder der hebräische noch der griechische Ausdruck für Geist (ruach bzw. pneuma) wird in der Bibel benutzt, um das Weiterleben eines vom Körper losgelösten, mit Vernunft und Bewusstsein ausgestatteten Wesens zu beschreiben. Diese Begriffe beziehen sich vielmehr auf „Atem“, also den Lebensfunken, der für die Existenz des einzelnen entscheidend ist, das Lebensprinzip, das für Mensch und Tier gleichermaßen gilt.
Salomo schrieb: „Denn es geht dem Menschen wie dem Vieh: wie dies stirbt, so stirbt auch er, und sie haben alle einen Odem [ruach], und der Mensch hat nichts voraus vor dem Vieh; denn es ist alles eitel. Es fährt alles an einen Ort. Es ist alles aus Staub geworden und wird wieder zu Staub. Wer weiß, ob der Odem [ruach] des Menschen aufwärts fahre und der Odem [ruach] des Tieres hinab unter die Erde fahre?“ (Pred 3,19-21) Nach Salomos Darstellung gibt es im Tod keinen Unterschied zwischen dem „Geist“ des Menschen und dem „Geist“ des Tieres.
Wenn Salomo davon spricht, dass der Geist (ruach) zu Gott zurückkehrt, bedeutet das einfach, dass das Lebensprinzip zurückkehrt zu Gott, der es gegeben hat. Nirgends steht geschrieben, dass der Geist oder Atem eine unabhängige, bewusste Einheit darstellt, die losgelöst vom Körper existieren könnte. Ruach ist der Lebensodem, den Gott dem ersten Menschen in die Nase blies und ihn so zu einem lebendigen Wesen machte (vgl. 1 Mo 2,7).
Mose auf dem Verklärungsberg.
Auf dem Verklärungsberg offenbarte Christus einigen seiner Jünger einen Vorgeschmack von der Herrlichkeit des Gottesreiches. Sie sahen Christus als König in Herrlichkeit zusammen mit Mose und Elia. Diese beiden stehen stellvertretend für Bürger des Gottesreiches aus zwei Herkunftsbereichen. Mose vertritt die gerechten Toten, die bei der Wiederkunft Jesu aus dem Grabe auferstehen. Elia vertritt die lebenden Gerechten, die ohne zu sterben verwandelt werden (2 Kön 2,11).
Im Judasbrief findet sich ein Hinweis auf eine besondere Auferstehung des Mose (Vers 9). Dass Mose tatsächlich starb und von Gott beerdigt wurde, bezeugt 5 Mo 34,5.6. Judas erwähnt ein Streitgespräch zwischen Michael und Satan wegen Moses Leichnam. Dabei muss der Teufel offensichtlich eine Niederlage erlitten haben, denn wenn Mose bei Jesu Verklärung gesehen wurde, muss er zuvor aus dem Grab auferstanden sein. Damit wurde er der erste, der gewissermaßen vorzeitig Christi Auferstehungskraft genoss. Dieser Bericht unterstützt jedoch nicht die Unsterblichkeitslehre oder Seelenlehre. Vielmehr veranschaulicht er die Lehre von der Auferstehung des Leibes.
Das Gleichnis vom reichen Mann und armen Lazarus.
Leider übersieht man oft bei diesem (Lk 16,19-31) Textabschnitt, dass es sich ganz eindeutig um ein Gleichnis handelt. Wenn man es in allen Einzelheiten wörtlich nimmt, kommt man zu absurden Ergebnissen. Demnach würden die Toten, mit funktionierenden Augen, Fingern und einer Zunge ausgestattet, unmittelbar nach dem Ableben ihren Lohn erhalten. Die Gerechten würden dann in Abrahams Schoß sein. Himmel und Hölle wären demnach in Rufweite voneinander entfernt. Im Gegensatz dazu hat Christus gelehrt, dass die Toten erst bei seiner Wiederkunft ihren Lohn empfangen werden und nicht schon beim Tod (Mt 25,31-41; Offb 22,12).
Der Gleichnischarakter dieser Geschichte muss beachtet werden. Christus bevorzugte diese Lehrmethode. Jedes Gleichnis enthält eine bestimmte Lehre. Über den Zustand des Menschen im Tode wollte Jesus hier gar nichts aussagen. Sein Anliegen war vielmehr, zu zeigen, wie wichtig die Befolgung des Wortes Gottes ist. Jesus zeigt auf, wie der reiche Mann sich dem Materialismus ergab und darüber die Mitmenschlichkeit versäumte. Die Entscheidung für oder gegen das ewige Leben kann der Mensch nur zu seinen Lebzeiten treffen. Danach gibt es keine zweite Gnadenfrist. Die Heilige Schrift veranlasst uns zur Reue und führt zur Erlösung. Wer die Warnungen des Wortes Gottes unbeachtet lässt, geht endgültig verloren. Darum schloss Christus dieses Gleichnis mit den Worten: „Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde.“ (Vers 31)
Christus entnahm den Stoff dieses Gleichnisses einer bekannten Geschichte, die in der jüdischen Tradition in Umlauf war [2]. So finden wir in der Bibel Gleichnisgeschichten, in denen Bäume reden können (Ri 9,7-15 und 2 Kön 14,9). Niemand käme auf den Gedanken, anhand dieser Schriftstellen behaupten zu wollen, dass Bäume reden können. Genausowenig sollte man der Gleichnisrede Christi eine Ansicht entnehmen, die im Widerspruch zur einheitlich biblischen Anschauung und zu Jesu ausdrücklicher Lehre vom Todesschlaf steht.
Christi Zusage an den Übeltäter.
Am Kreuz versprach Christus dem Übeltäter, dass er mit ihm im Paradies sein wird. Dabei zitiert man oft aus einer Bibel, die etwa so übersetzt: „Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradiese sein.“ (Lk 23,43) Offensichtlich ist der Ausdruck „Paradies“ nur ein anderes Wort für Himmel (2 Kor 12,4; Offb 2,7). So wie es dasteht, würde dies bedeuten, dass Christus noch am selben Freitag zusammen mit dem Übeltäter in den Himmel, in die unmittelbare Gegenwart Gottes versetzt wurde. Aber am Sonntagmorgen sagte der auferstandene Herr zu Maria, als sie anbetend vor ihm niederfiel: „Rühre mich nicht an! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“ (Joh 20,17) Dass Christus bis zum Auferstehungsmorgen wirklich im Grabe lag, geht aus den Worten des Engels hervor: „Kommt her und seht die Stätte, wo er gelegen hat.“ (Mt 28,6)
Die Lösung dieses scheinbaren Widerspruchs finden wir, wenn wir die Zeichensetzung dieses Textes bedenken. In den alten Bibelhandschriften gab es weder Zwischenräume zwischen den Wörtern noch irgendein Komma oder einen Doppelpunkt. Durch veränderte Zeichensetzung kann der Sinn einer Textaussage sehr unterschiedlich ausfallen. Die Übersetzer der Bibel geben dabei gewiss nach bestem Wissen ihr Bibelverständnis wieder, doch Anspruch auf Inspiration wollten sie sicher nicht erheben. Wenn sie, die aufs Ganze gesehen, eine hervorragende Arbeit geleistet haben, den Doppelpunkt nach dem Wort „heute“ in Lukas 23,43 und nicht davor eingesetzt hätten, würde dieser Text nicht der biblischen Lehre widersprechen, sondern in Übereinstimmung damit lauten: „Wahrlich, ich sage dir heute (während ich genauso wie ein Übeltäter sterbe): Du wirst mit mir im Paradiese sein.“ Diese Zusage wird Christus erfüllen, wenn er bei seiner Wiederkunft die gerechten Toten aus ihren Gräbern ruft.
Aus der Welt scheiden und bei Christus sein.
Paulus schreibt in Philipper 1,21.23: „Denn Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn. Denn es setzt mir beides hart zu: Ich habe Lust, aus der Welt zu scheiden und bei Christus zu sein, was auch viel besser wäre.“ Soll das heißen, dass Paulus gleich nach dem Tode den Eintritt in den Himmel erwartete? Paulus hat wiederholt über die Gemeinschaft mit Christus geschrieben. An anderer Stelle erwähnt er diejenigen, die „in Christus gestorben sind“ und bei der Wiederkunft Christi sollen sie auferstehen. Zusammen mit den lebenden Gerechten sollen sie „entrückt werden auf den Wolken in die Luft, dem Herrn entgegen; und so werden wir bei dem Herrn sein allezeit.“ (1 Ths 4,14-17)
In diesem Zusammenhang wird erkennbar, dass Paulus in seinem Brief an die Philipper keine ins einzelne gehende Erklärung darüber geben wollte, was nach dem Sterben geschieht. Er drückt einfach seine Sehnsucht nach Christus aus, weil er die Mühsal seiner Gefangenschaft leid ist. Dabei beschreibt er weder den Zustand der Toten noch den Zeitraum zwischen Tod und Auferstehung. Seine Hoffnung richtet sich auf die verheißene persönliche Gemeinschaft mit Jesus in der Ewigkeit. Wer stirbt, für den gibt es keinen langen Zeitraum zwischen dem Entschlafen und dem Aufwachen am Auferstehungsmorgen. Da die Toten in Ermangelung jeglichen Bewusstseins die Zeitläufe bis zur Auferstehung nicht wahrnehmen, kommt ihnen das Erlebnis des Aufwachens so vor, als folge es zeitlich unmittelbar auf ihren Tod. So ist das Sterben für den Christen ein Gewinn. Alle Anfechtungen und Leiden haben ein Ende, und bei der Auferstehung wartet auf die Erlösten die herrliche Gabe der Unsterblichkeit.
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[1] Die einzige Ausnahme bildet der bildhafte Gebrauch des Wortes scheol (Hes 32,21). In gleicher Weise wird hades in einem Gleichnis (Lk 16,23) verwendet. Scheol kommt im Alten Testament 66mal vor. Nirgendwo jedoch bezieht es sich auf einen Ort der Bestrafung nach dem Tode. Dieses Denken verband man später mit dem Begriff gehenna (Mk 9,43-48). Hades als Ort der Qual wird nur in Lukas 16,23 gebraucht.
[2] Näheres dazu in dem Artikel „Hölle“ in „Theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament“, Brockhaus, Wuppertal, 1972, 3. Auflage, S. 711
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"Was Adventisten glauben: 28 biblische Grundlehren umfassend erklärt", 4. Auflage 2011, S. 508-514, von mir überarbeitet
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