
Frage 24: Was ist das Gesetz?
Antwort: [...]Gott gab es uns, damit wir seinen Willen erkennen und unser Leben mit freien Willen nach seinem Wohlgefallen einrichten sollen.
Das sehe ich auch so! Interessant ist hier der Gedanke des freien Willen. Der Autor geht damit schon in gewisserweise auf Distanz zu Calvin und ggf. Luther. In der zur Antwort passenden Illustration werden die Gesetzestafeln vom Sinai abgebildet. Diese Symbolik für das Gesetz oder die Gesetze wird durchweg beibehalten, indem immer wieder die Gesetzestafel schematisch dargestellt werden.
Frage 25: Wozu hat Gott das Gesetz gegeben?
Antwort: Gott hat das Gesetz gegeben, weil die Sünde in die Welt kam. Ohne das Gesetz hätte der Mensch die Sünde nicht erkannt. Jetzt aber kann er die Gefahr der Sünde sehen und erkennen, daß er aus eigener Kraft das Gesetz nicht erfüllen kann und Jesus Christus, den Erfüller des Gesetzes, nötig hat. Deshalb nennt die Bibel das Gesetz auch einen "Zuchtmeister auf Christus".
Was "das Gesetz" ist, wird an dieser Stelle noch nicht erklärt. Die Symbolik unterhalb das Textes suggeriert die 10 Gebote. Dass das Gesetz aus eigener Kraft nicht erfüllbar ist und Jesus es erfüllt hat, ist klar und eine allgemeine, christliche Lehre in meinen Augen. Diesen Punkten stimme ich im übrigen auch zu, ebenso dass durch das Gesetz die Erkenntnis der Sünde kommt.
Frage 26: Welche sind die hauptsächlichsten Gesetze Gottes?
Antwort: Zum Gesetz gehören in erster Linie die 10 Gebote, das sogenannte Sittengesetz und in zweiter Linie die verschiedenen Anordnungen Gottes über Opfer, Reinigung und Gottesdienst, das sogenannte Zeremonialgesetz. Das Sittengesetz geht über die Zeit und Landesgrenzen Israels hinaus und hat auch für andere Völker eine große Bedeutung. Das Zeremonialgesetz kennzeichnet die besondere Stellung Israels zu Gott, seine Abhängigkeit von ihm bis ins kleinste.
(Es folgt ein Anhang, in dem die verschiedenen Gesetze in verschiedene Gruppen eingeteilt werden - ein vollständige und sehr hilfreiche, konkurdanzartige Auflistung)
Hier bin ich in mehrfacher Hinsicht überrascht: Zum einen wird behauptet, dass das Sittengesetz - zu denen die 10 Gebote zählen - nicht nur für das "fleischliche" Israel gilt. Zum anderen bin ich überrascht, dass die Gesetze eingeteilt werden in bestimmte Kategorien. Mitunter habe ich schon lesen können, dass solch eine Einteilung Adventisten zum Vorwurf gemacht wird von Evangelikalen. Ebenso ist mir das auch schon in Gesprächen mit Evangelikalen passiert: Ich solle gefälligst alle Gebote der Thora halten wenn ich den Sabbat halte, sonst bist du in deiner Anschauung inkonsequent - so jedenfalls die Argumentation. Eine evangelikale bzw. dispensationalistische Unterscheidung der Thora in Sitten- und Zeramonialgesetz ist für mich jedenfalls in diesen Buch überraschend gewesen. Solch eine Unterteilung der Gesetze wird im übrigen von Adventisten im Allgemeinen auch vertreten.
Frage 27: Wie lauten die 10 Gebote?
Antwort: 2. Mose,2-17, vgl. 3. Mose 19; 5. Mose 5;6;10. Vier Gebote beziehen sich auf unser Verhalten zu Gott, sechs Gebote auf unser Verhalten zu den Menschen. [Es folgen Erklärungen zu den einzelnen Geboten. Die nachfolgende ist die des vierten Gebotes, also des Sabbatgebotes] Das vierte Gebot handelt von dem Ruhetag Gottes. Er verbietet alle Arbeit, wodurch der Sabbat entheiligt wird und fordert, daß nach 6 Arbeitstagen ihm ein Tag geweiht werden soll. [...]
Es fällt zunächst auf, dass die Zählweise der Gebote nicht nach der, der Lutheraner oder Katholiken, gewählt wurde (Übersicht Einteilung der 10 Gebote). Desweiteren wird hier auch deutlich, wohin es bezüglich des Sabbatgebots gehen wird: Der Schwerpunkt wird von der Heiligung eines bestimmten Tages auf einen eher allgemeinen Wochenzyklus verschoben, d.h. nicht der Tag als solches ist entscheidend, sondern der 7-Tage-Zyklus.
Frage 28: Können wir diese Gesetze halten?
Antwort: Nein, wir können es nicht, denn der Hang zur Sünde ist so tief in uns gewurzelt, daß keine Erziehung und Ermahnung, keine Zucht und Strafe und nicht der aufrichtige Wille und die größte Anstrengung die Sünde in uns ausrotten und ihre Macht brechen kann.
Unter der Prämisse, dass dies alles aus eigener Kraft geschehen soll, ist dem natürlich zuzustimmen (s. Frage 26). Doch wie sieht es aus, wenn Gott eingreift und dem Menschen hilft? Ich weiß, das ist eine schwierige Diskussion - vorallem wenn man sie noch an das ewige Leben koppelt. Dennoch bleibt die Frage hier offen, ob der Mensch Sünden überwinden kann durch Gottes Wirken. Die Antwort vemittelt mir und möglicherweise allen anderen Lesern auf den ersten Blick eine eher pessimistische Sicht.
Frage 29: Wie nennt Gottes wort die Übertretung der göttlichen Gebote?
Antwort: Die Übertretung der göttlichen Gebote nennt die Bibel Sünde. Sünde ist also jeder Ungehorsam des Menschen gegen Gott in Gedanken, Worten und Taten.
Ich denke, dem ist nichts hinzuzufügen.
Frage 30: Welche Strafe folgt auf die Übertretung der göttlichen Gebote?
Antwort: Die Strafe für die Sünde ist der Tod und die ewige Verdammnis.
Auch hier gehe ich mit, insofern es sich nicht bei der ewigen Verdammnis um ein ewiges, gequältes Lebendigsein in der Hölle handelt (was aber wohl gemeint ist).
Frage 31: Wer befreit uns vom Gesetz und von der Strafe des Gesetzes?
Antwort: Jesus Christus hat das Gesetz für uns erfüllt. Durch seinen Opfertod hat er auch die Strafe für uns erduldet, die wir verdient haben. Indem wir nun an hin glauben, daß er für uns alle Gerechtigkeit erfüllt hat und für unsere Sünden gestorben ist, werden wir vor Gott gerecht und kommen nicht ins Gericht.
Jetzt wird es meiner Meinung nach kurios, denn Frage an sich enthält eigentlich schon zwei verschiedene Themen, die nicht vermischt werden sollten. Erstens: Die Befreiung vom Gesetz impliziert, dass wir uns nicht mehr danach richten brauchen, was nach der Antwort von Frage 29 aber mit sündigen gleichzusetzen ist. Gäbe es kein Gesetz mehr für uns, würde es uns nicht mehr schuldig sprechen - dies würde aber im Widerspruch zu den Antworten der Fragen 24 und 25 stehen. Die These von der Befreiung vom Gesetz ist biblisch äußerst inkonsistent - in der allgemeinen christlichen Praxis werden im Widerspruch dazu jedoch Gebote gelehrt. Zweitens: Die Befreiung von der Strafe der Gesetzesübertretung geschah, indem Jesus die Strafe stellvertretend auf sich nahm - das ist auch mein Verständnis. Ich denke in dieser Frage werden zwei mögliche Heilswege miteinander vermischt: Rechtfertigung des Sünders indem das Gesetz weggenommen wird und Rechtfertigung des Sünders indem Jesus Christus als unser Stellvertreter die Strafe des Gesetzes erleidet. Beide Heilswege beißen sich.
Frage 32: Ist damit das Gesetz für die Christen ganz aufgehoben?
Antwort: Ja, das geschriebene Gesetz (siehe Frage 24) ist für uns aufgehoben; aber der Heilige Geist treibt den Glaubenden doch innerlich und gibt die Kraft dazu, das Gesetz freiwillig zu erfüllen.
Diese Antwort impliziert, dass es einen inhaltlichen Unterschied zwischen geschriebenen Gesetz und dem geistgetriebenen, innerlichen Gesetz gibt. Ersteres ist aufgehoben, letzteres wird nun erfüllbar. Diese Argumentation stellt meines erachtens einige, vorhergehende Antworten auf den Kopf und zeigt mir die ganze Widersprüchlichkeit dieser Denkschule. Die Frage 24 wird beantwortet, indem gesagt wird, dass wir durchs Gesetz den Willen Gottes erkennen. Frage 25 wird beantwortet, indem gesagt wird, dass wir durchs Gesetz die Sünde erkennen. Beide Fragen beziehen sich eindeutig auf das niedergeschriebene Gesetz. Nun wird in Frage 32 behaupet, das geschriebene Gesetz ist aufgehoben - heißt dass, wir können Anhand der Bibel, denn diese enthält das niedergeschriebene Gesetz, den Willen Gottes und die Sünde nicht mehr erkennen? An die Stelle des geschriebenen Gesetzes tritt nun der Heilige Geist - nur wie soll ich diesen Geist prüfen ohne niedergeschriebenes Gesetz? Ich denke, die Konsequenzen wären hier fatal - mit bibeltreu hätte das in der Praxis nichts mehr zu tun. Die Bibel wird weiterhin als Maßstab und Prüfkriterium in evangelikalen Kreisen verwendet, nur bestimmte Gesetze werden aussortiert, was aber auch Adventisten tun.
Frage 33: Welches neue Gebot gibt uns Jesus?
Antwort: Jesus hat alle alten Gesetze zusammengefasst in dem neuen Gesetz der Liebe, [...]
Das sehe ich auch so - aber ist eine Zusammenfassung die Aufhebung der Gesetze, die sie beinhaltet? Ich meine nein.
Frage 34: Hat damit auch das Sabbatgebot seine Geltung für uns Christen verloren?
Antwort: Ja, denn der Sabbat, der 7. Tag der Woche, ist ein Feiertag für die Juden und hat für uns Chisten keine Bedeutung mehr. Wir Christen feiern nach dem Beispiel der Apostel und der ersten Christen zum Andenken an die Auferstehung Jesu den 1. Tag der Woche.
Während zu Beginn dem Sittengesetz noch ein allgemein-verbindlicher Charakter zugewiesen wurde, ist das 4. Gebot nun "für die Juden". Dieser offensichtliche Widerspruch wird nun aufgelöst, indem es nur noch auf den 7-Tage-Zyklus ankommt (Frage 27) und das geschriebene Gesetz durch das undefinierte Wirken des Heiligen Geistes - welches auch gern mal im Widerspruch zum geschriebenen Gesetz stehen kann (?) - ersetzt wird. Meiner Meinung nach sollte man hier keinen künstlichen Widerspruch kreieren. Das Wirken des Heiligen Geistes steht im Einklang mit der Bibel.
Wie viele Ungereimtheiten und Widersprüche könnte man sich eigentlich sparen, wenn man sich nach dem geschriebenen Wort richten würde und den Ruhetag am gleichen Tag heiligen würde wie die Juden und die 10 Gebote einfach so nehmen würde wie sie sind?