Öffentliche Bibelstunde, ein Abend einer Veranstaltungsreihe eines Pfarrers der Siebenten-Tags-Adventisten. Ich bin etwas zu spät gekommen, sitze nun auch an dem großen Tisch, eigentlich sechs große Tische, die zu einer Tischfläche zusammengeschoben sind. Ein Problem eines Oft-Fragers wird gerade besprochen. Wann erfüllt Gott Gebetswünsche? Wenn er für einen Kranken, für seinen Vater beispielsweise um Genesung oder Linderung bete - was ja eine gute Sache sei -, warum nicht oder inwiefern Gott seinen Gebetswunsch erhöre. Etwa so die Problemstellung. Der Fragende hat diese Frage mit einer Bibelstelle verbunden, die Wunscherfüllung verspricht.
Ich habe inzwischen das Neue Testament aufgeschlagen, das ich mitgebracht habe. Auf die Schnelle hatte ich mir beim Verlassen meiner Wohnung eine handliche Ausgabe des NT laut Revidierten Elberfelder gegriffen. Nun lese für mich die Bibelstelle und orientiere mich kurz über den Kontext, in dem sie steht.
Nach ein paar Augenblicken signalisiere ich, daß ich zum Thema etwas sagen möchte, sinngemäß sage ich etwa: "Wenn ich den Text lese, dann fällt mir unter anderem auf, daß Jesus zu seinen Jüngern, zu den Aposteln spricht. Man muß sich also eigentlich erst einmal fragen, ob dieses Versprechen nur für die 12 Jünger Jesu gilt, zu denen er dies ja gesprochen hat oder wie sich begründen läßt, daß dies auch für uns oder für jeden Christen gelten soll, daß seine Gebetswünsche sich erfüllen werden."
Der Pastor stimmt mir erst einmal betont zu, vermutlich, um mich ruhigzustellen, eigentlich klassische Ja-Aber-Technik. Nein, nicht einmal das, denn das Aber bleibt aus, er sagt etwa: "Ich gebe ihnen vollkommen recht, wenn wir die Bibel auslegen, müssen wir immer zuerst den Kontext beachten; aber dann in einem zweiten Schritt fragen wir uns: Was hat diese Bibelstelle uns heute zu sagen, welche Bedeutung hat sie für mich ganz persönlich."
So weit, so gut; aber dann war mein Einwurf für den Pastor auch schon erledigt. Die Frage, die hinter meinem Einwurf steckt, die Frage, weshalb der Mann mir schräg gegenüber am anderen Ende des Tisches, der vielleicht gestern für die Genesung seines Vaters gebetet hat, glauben darf, daß Jesu Versprechen auch ihm gelte und nicht nur den von Jesus persönlich erwählten Jüngern, denen er ja offensichtlich dieses Versprechen gegeben hat, diese Frage bleibt völlig unerörtert und ungeklärt. Vermutlich war meine Frage mal wieder zu radikal oder zu umständlich zu beantworten.
Grüße
Daniels