Hallo liebe Forumsmitglieder,
ich habe zu Adventisten vor gut eineinhalb Jahren zum Ersten Mal Kontakt bekommen. Für mich als evangelischen Christen war einiges von dem das ich da kennenlernte ausgesprochen verblüffend. Aber darum, um Details, geht es jetzt nicht in meinem Forumsbeitrag. Was ich persönlich erlebte in dieser Zeit war unter anderem, dass STA mitunter ausgesprochen, nun, nennen wir es „ungut“ reagieren, angesichts Kritik an ihren Glaubensgrundsätzen und ihrer Gemeinschaft. Lasst mich deshalb hier voranstellen, dass dies keine Kritik sondern eine Frage, eine ernsthafte Frage, ist.
Um diese zu stellen, muss ich ein wenig erklären.
Mein Kontakt zu den STA begann als ich mich mit einer Frau anfreundete die ich schon lange, aber nicht wirklich gut kannte. Wir verliebten uns, wurden ein Paar, ich verließ meine Frau, zog von zu Hause aus. Ehebruch. Zweifellos. Wie das im Sinne der Bibel zu bewerten ist, daran habe ich keinen Zweifel. Aber ob „richtig“ oder „falsch“, das geschieht. Wie ich selbst festgestellt habe. In meinem Fall war es zumindest richtig mich von meiner Frau zu trennen, wie ich jetzt weiß, denn es geht uns beiden nun viel besser als zuvor.
Was mich jetzt zu dieser Frage veranlasst, ist vielmehr was dann geschah. Diese Frau, sie ist Engländerin, das war sicher auch einer der Gründe für mein Verhalten, ich bin ein wenig anglophil, war zunächst, wie sie das selbst bezeichnete, ausgesprochen „enthusiastisch“, ich sehr zurückhaltend, bis ich schließlich dachte ich hätte die Frau meines Lebens gefunden. Ein paar Monate später war sie wieder einmal bei einem sogenannten „Hope4you“ Seminar der STA, sie ist dort seit ihrer Scheidung regelmäßig. Was mich überraschte war, dass sie mir danach erzählte, dass dort bei diesem Seminar jemand war der „genau ihr Typ“ sei, ich mir aber keine „Sorgen“ machen brauche, da dort „nur wenig Gelegenheit zu privatem Kontakt“ sei. „Merkwürdig, warum sagt sie das?“, dachte ich damals noch. Mit eben diesem Mann hatte sie sich dort eine Stunde lang über uns unterhalten. Das muss ein einschneidendes Erlebnis gewesen sein für sie. Denn jetzt hatte sie plötzlich große Angst, unter anderem dass meine damalige Frau ihr beruflich schaden könnte. Das klang gar nicht nach ihr.
In den folgenden Monaten quälte sie mich immer mehr, mit weiteren unsäglichen Bemerkungen, mit ihrem Verhalten, mit einer absoluten und dabei ausgesprochen grotesken (weil es eh nicht mehr zu übersehen war) Geheimhaltung unserer Beziehung, so dass ich diese Beziehung, eben weil es eine solche am Ende gar nicht mehr war, schließlich beendete. Das war zweifellos in ihrem Sinn, sie war nur zu feige gewesen es mir zu sagen. Ich war ziemlich zerstört, denn ich dachte, nach allem was sie mir in der Zeit vor diesem Seminar geschrieben, gesagt hatte, sie liebte mich, und so ich hatte sehr viel eingesetzt für diese Beziehung.
Was mich dann wirklich entsetzte war, dass sie, nachdem sie 2 Wochen später wieder bei diesem Seminar gewesen war, mich dann einfach austauschte. Sie hatte dort diesen Mann, der schon drei Monate zuvor „genau ihr Typ“ gewesen war, wieder getroffen, und weitere 2 Wochen später saß der auf dem Platz neben ihr in der Kirche der Adventgemeinde hier. Und nicht nur dort. Offenbar bot er ihr mehr als ich, er ist auch STA, arbeitet auch für die STA, an einer großen Schule der STA in Österreich. Das gefällt ihr zweifellos, sie trifft dort auf viele andere STA. Und das Problem des Ehebruches, und somit die Notwendigkeit der Geheimhaltung, gibt es jetzt auch nicht mehr für sie. Soweit kann ich das alles durchaus nachvollziehen.
Dies alles war vor einem Jahr ein sehr intensives Erlebnis für mich. Inzwischen ist es nur mehr Vergangenheit, aber eine sehr interessante. Was mich wirklich interessieren würde ist was die Menschen in diesem Forum auf diese Frage antworten werden:
Kann es sein, dass man STA nicht ganz zu unrecht nachsagt sie seien mitunter legalistisch?
Kann es sein, dass so eine Glaubensgemeinschaft, aufgrund ihrer Geschichte, aufgrund ihrer Besonderheiten, aufgrund gewisser Widersprüchlichkeiten die zwangsläufig entstehen wenn Menschen sich in einer Wahrheit wähnen die nur sie besitzen, und somit „die Welt“, eben die Welt in der sie leben, als von Haus aus böse betrachten, aufgrund des ständigen Druckes ein möglichst perfekter Christ zu sein, und dabei dann doch immer wieder zu versagen, manche ihrer Mitglieder verändert, so dass diese selbstgerecht und beinahe schon autistisch Schaden anrichten, ohne das überhaupt zu bemerken?
Kann es sein, dass das Leben, dass das Aufwachsen in so einer Gemeinschaft tatsächlich zu Legalismus, zu Werkgerechtigkeit führt? Zu eben jener Werkgerechtigkeit die Luther damals dazu veranlasste seine Kritik zu üben? Mir erscheint es so. Denn genau jene Art von Heuchelei erlebte ich hier nun selbst: Diese Frau von der ich schrieb war Sex durchaus nicht abgeneigt, ganz im Gegenteil, buchstäblich vom ersten Tag unserer Beziehung an, was ich anfangs eher als unangemessen empfand. Später schrieb sie mir aber, was ihre neue Beziehung betraf, und die war ja diesmal ein Adventist, fände sie man sollte mit „einem Freund nicht gleich in’s Bett springen“. Dabei hatte sie in dem Jahr seit ihrer Scheidung mit erstaunlich vielen Männern „herumgeschlafen“, wie sie es selbst ausdrückte. Etwas über das ich damals wie heute nicht urteile. Nur war es nun wohl angebracht linientreue STA zu sein. Zumindest so zu tun. Und dieser Österreicher, zweifellos auch solch ein „linientreuer“ STA, fand es offenbar angebracht, nachdem er meiner Partnerin richtig schön Angst gemacht hatte, das dann auch gleich zu nutzen. So offensichtlich hatte ich Doppelmoral noch nie erlebt.
Kann es sein, dass so ein Leben in einer fundamentalistischen Gemeinschaft, und mit fundamentalistisch meine ich jetzt das „Wörtlichnehmen“ der Bibel, dazu führt, dass bei all der Wörtlichnehmerei der Sinn und die Botschaft eines Buches verlorengeht? Denn obwohl es zweifellos Ehebruch war was ich tat, habe ich meine Frau zwar verlassen, ihr zunächst auch sehr wehgetan damit, aber betrogen habe ich sie dabei nicht, ich sagte es ihr sofort. Offen und ehrlich. Und ich habe die Konsequenzen gezogen. Diese Engländerin aber, die, wie sie später sagte, solche Gewissensbisse hatte wegen des Ehebruches, fand nichts dabei sich diese Beziehung zu mir noch, für den Notfall, offenzuhalten, sie schrieb, dass sie so sehr unter der Trennung leide, und nicht wisse ob es richtig war, unsere Trennung – bis sie sicher sein konnte, dass es mit dem Österreicher geklappt hatte. Dann schrieb sie mir, „Der Mann der mit einer verheirateten Frau ins Kino geht“ (das tue ich mitunter), „entspräche nicht ihrer Vorstellung von dem Mann der sie liebt“. Dabei vergessend, dass sie, just an dem Tag als unsere Beziehung begann, das auch tat. Und nicht nur ins Kino. Ich fühlte mich jedenfalls, ich erinnere mich gut, ich fühlte mich, obwohl ich ja mit dieser Frau nicht „gesetzlich“ verheiratet war, betrogen wie noch nie zuvor in meinem Leben.
Ich sehe hier gewisse Widersprüche. Und eine ganze Menge Heuchelei. Und eben auch Legalismus, denn dem „Gesetz“ nach war ja alles o.k. Ein Verhalten das, wie ich es sehe, eben auf dieser Unmöglichkeit beruht einerseits in einer Gemeinschaft zu leben die sich nicht nur „in der Wahrheit“ sieht, sondern die Wahrheit selbst zu sein beansprucht, und eben das, vollständig in dieser Gemeinschaft leben, tut diese Frau noch mehr als der Durchschnitt der STA, ihr Vater ist Prediger der STA in England, und so sie sie vollständig und nur in dieser Welt aufgewachsen, und anderseits doch irgendwann einmal Kontakt mit „der Welt“ zu bekommen. Und dazu ein ständiger verzweifelter Kampf gegen so manche Realität, die nur schwer zu negieren ist. Ich glaube der medizinische Fachausdruck für das was dann mitunter geschieht ist Schizophrenie. So sieht das jedenfalls für mich als „Außenstehenden“ aus. Ist das, von „innerhalb“ betrachtet anders?
Und um Einem vorzubeugen, denn ich weiß wie sehr STA dazu neigen überall Gott ins Spiel zu bringen, diese Frau betrachtete mich zunächst als „ihr von Gott geschickt“: Ich meine jetzt nicht die theologischen Aspekte meiner Fragen. Denn inzwischen bin ich dieser Frau nicht mehr böse, ich betrachte das vielmehr als aufschlussreiche Erfahrung aus der ich vieles gelernt habe. Über mich, über Menschen überhaupt, über meinen Glauben - und auch über Freikirchen. Es war ein schwieriger Weg, aber nunmehr ist dies keine emotionale Angelegenheit mehr für mich, ich sehe diese Frau und diese Geschichte mit ganz anderen Augen als das vor einem Jahr noch möglich war, manchmal tut sie mir beinahe leid, und ich glaube manches wäre so nicht geschehen wenn sie nicht STA wäre.
Viele Grüße von mir, und jetzt bin ich wirklich gespannt was ich als Antworten auf meine Fragen lesen werde.