- Offizieller Beitrag
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Liebe Brüder und Schwestern!...
Die Wanderung durch die Wege der Heiligen Schrift beginnt in der Osternacht mit dem Schöpfungsbericht. Auch der Schöpfungsbericht ist Prophetie, will uns damit die Liturgie sagen. Er ist nicht eine Information über den äußeren Hergang des Werdens von Kosmos und Mensch. Den Vätern der Kirche war das sehr bewußt. Sie haben den Bericht nicht als Erzählung über den Verlauf der Entstehung der Dinge verstanden, sondern als Weisung zum Wesentlichen, zum wahren Ursprung und zum Ziel unseres Seins. Nun kann man fragen: Ist es wirklich wichtig, in der Osternacht auch von der Schöpfung zu sprechen? Könnte man nicht mit den Ereignissen beginnen, in denen Gott den Menschen ruft, sich ein Volk bildet und seine Geschichte mit den Menschen auf der Erde schafft? Die Antwort muß lauten: nein. Die Schöpfung wegzulassen, würde bedeuten, die Geschichte Gottes mit den Menschen selbst mißzuverstehen, sie zu verkleinern, ihre wahre Größenordnung nicht mehr zu sehen. Der Radius der Geschichte, die Gott gestiftet hat, reicht bis zu den Ursprüngen, bis zur Schöpfung hin. Unser Glaubensbekenntnis beginnt mit den Worten: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.“ Wenn wir diesen Anfang des Credo weglassen, wird die ganze Heilsgeschichte zu eng und zu klein. Die Kirche ist nicht irgendeine Vereinigung, die sich um die religiösen Bedürfnisse der Menschen kümmert, aber eben ihr beschränktes Vereinsziel hat. Nein, sie bringt den Menschen in Berührung mit Gott und so mit dem Ursprung aller Dinge. Deshalb geht Gott uns als Schöpfer an, und deswegen tragen wir Verantwortung für die Schöpfung. Unsere Verantwortung reicht bis auf die Schöpfung hin, weil sie vom Schöpfer herkommt. Nur weil Gott das Ganze geschaffen hat, kann er uns Leben geben und unser Leben führen. Das Leben im Glauben der Kirche umfaßt nicht nur einen Bereich von Empfindungen und Gefühlen und vielleicht von moralischen Verpflichtungen. Es umfaßt den Menschen ganz, von seinem Ursprung her und auf die Ewigkeit hin. Nur weil die Schöpfung Gott gehört, können wir bis ins Letzte auf ihn bauen. Und nur weil er Schöpfer ist, kann er uns Leben in Ewigkeit geben. Freude über die Schöpfung, Dankbarkeit für die Schöpfung und Verantwortung für sie gehören zusammen.
Die zentrale Aussage des Schöpfungsberichts läßt sich noch genauer bestimmen. Der heilige Johannes hat in den ersten Worten seines Evangeliums den wesentlichen Sinn des Schöpfungsberichts in dem einen Satz zusammengefaßt: „Im Anfang war das Wort.“ In der Tat ist der Schöpfungsbericht, den wir vorhin gehört haben, durch den gleichmäßig wiederkehrenden Satz bestimmt: „Und Gott sprach…“. Die Welt ist Produkt des Wortes, des Logos, wie Johannes mit einem Zentralwort der griechischen Sprache sagt. Logos bedeutet Vernunft, Sinn, Wort. Er ist nicht bloß Vernunft, sondern sprechende, sich selbst mitteilende, schöpferische Vernunft. Er ist Vernunft, die Sinn ist und selbst wiederum Sinn stiftet. So sagt uns also der Schöpfungsbericht: Die Welt ist Produkt der schöpferischen Vernunft. Und er sagt uns damit: Am Anfang aller Dinge stand nicht das Unvernünftige, das Unfreie, sondern der Ursprung aller Dinge ist die schöpferische Vernunft, ist die Liebe, ist die Freiheit. Hier stehen wir vor der letzten Alternative, um die es im Disput zwischen Glaube und Unglaube geht: Ist die Unvernunft, das Unfreie und der Zufall der Ursprung aller Dinge, oder ist der Ursprung des Seins Vernunft, Freiheit, Liebe? Gilt der Primat der Unvernunft oder der Vernunft? Um diese Frage geht es letztlich. Als Gläubige antworten wir mit dem Schöpfungsbericht und mit dem heiligen Johannes: Am Anfang steht die Vernunft. Am Anfang steht die Freiheit. Deshalb ist es gut, ein Mensch zu sein. Es ist nicht so, daß in dem sich ausdehnenden Universum am Ende in irgendeinem kleinen Winkel des Alls zufällig auch eine Art von Lebewesen entstand, die denken kann und versuchen kann, Vernunft in der Schöpfung zu finden oder in sie hineinzubringen. Wäre der Mensch nur ein solches Zufallsprodukt der Evolution irgendwo am Rand des Alls, dann wäre sein Leben sinnlos oder gar eine Störung der Natur. Aber nein – die Vernunft ist zuerst, die schöpferische, die göttliche Vernunft. Und weil sie Vernunft ist, hat sie auch Freiheit geschaffen, und weil Freiheit mißbrauchbar ist, darum gibt es auch das Schöpfungswidrige; darum zieht sich gleichsam ein dicker dunkler Strich durch den Bau des Universums und durch das Wesen des Menschen. Aber diesem Widerspruch zum Trotz bleibt die Schöpfung als solche gut, bleibt das Leben gut, weil am Anfang die gute Vernunft, die schöpferische Liebe Gottes steht. Darum ist die Welt erlösbar. Darum können und müssen wir uns auf die Seite der Vernunft, der Freiheit und der Liebe stellen – auf die Seite des Gottes, der uns liebt, so sehr, daß er für uns gelitten hat, damit aus seinem Tod neues, endgültiges, geheiltes Leben hervorgehen konnte.
Der alttestamentliche Schöpfungsbericht, den wir gehört haben, zeigt diese Ordnung der Wirklichkeiten eindeutig an. Er führt uns aber noch einen Schritt weiter. Er hat den Vorgang der Schöpfung im Bild einer Woche gestaltet, die auf den Sabbat zuläuft, in ihm ihre Erfüllung findet. Der Sabbat war für Israel der Tag, an dem alle an der Ruhe Gottes teilnehmen durften, an dem Mensch und Tier, Herr und Sklave, Große und Kleine in der Freiheit Gottes geeint waren. So war der Sabbat Ausdruck des Bundes zwischen Gott und Mensch und der Schöpfung. Das Miteinander von Gott und Mensch aber erscheint so nicht als etwas Nachträgliches, das in einer schon fertig geschaffenen Welt noch eingerichtet wurde. Der Bund, das Miteinander von Gott und Mensch ist in der Schöpfung von Grund auf angelegt. Ja, der Bund ist der innere Grund der Schöpfung, wie die Schöpfung die äußere Bedingung des Bundes ist. Gott hat die Welt gemacht, damit eine Stelle sei, an der er seine Liebe mitteilen kann und von der aus die Antwort der Liebe zu ihm zurückkehrt. Vor Gott ist das Herz des Menschen, das ihm antwortet, größer und wichtiger als der ganze gewaltige, materielle Kosmos, der uns freilich etwas von Gottes Größe ahnen läßt.
An Ostern und von der österlichen Erfahrung der Christen her müssen wir aber nun noch einen weiteren Schritt tun. Der Sabbat ist der siebte Tag der Woche. Nach sechs Tagen, an denen der Mensch gleichsam an der Schöpfungsarbeit Gottes teilnimmt, ist der Sabbat der Tag der Ruhe. Aber in der werdenden Kirche ist etwas Unerhörtes geschehen: An die Stelle des Sabbats, des siebten Tags, tritt der erste Tag. Als Tag der gottesdienstlichen Versammlung ist er der Tag der Begegnung mit Gott durch Jesus Christus, der am ersten Tag, am Sonntag, den Seinen als Auferstandener begegnete, nachdem sie das Grab leer gefunden hatten. Die Wochenstruktur ist nun umgekehrt. Sie läuft nicht mehr auf den siebten Tag zu, um dort an Gottes Ruhe teilzunehmen. Sie beginnt mit dem ersten Tag als Tag der Begegnung mit dem Auferstandenen. Diese Begegnung vollzieht sich immer neu in der Feier der Eucharistie, in der der Herr wieder in die Mitte der Seinen tritt und sich ihnen schenkt, sich von ihnen gleichsam berühren läßt, sich mit ihnen zu Tisch setzt. Diese Änderung ist ein unerhörter Vorgang, wenn man bedenkt, daß der Sabbat, der siebte Tag als Tag der Begegnung mit Gott zutiefst im Alten Testament verankert ist. Wenn wir beachten, wie sehr der Weg von der Arbeit zum Tag der Ruhe auch einer natürlichen Logik entspricht, wird das Dramatische dieses Umschwungs noch deutlicher.
....
Amen.
Ich wüsste gerne, was ihr von der oben auszugsweise, aber weitgehend, zitierten (katholischen) Osteransprache haltet?