Part 1
„HERR, höre mein Gebet und lass mein Schreien zu dir kommen! Verbirg dein Antlitz nicht vor mir in der Not, neige deine Ohren zu mir; wenn ich dich anrufe, erhöre mich bald!“ (Psalm 102, 2.3) Zum Leben eines Gläubigen gehört das Beten wie der Atem für den Körper. Man bezeichnet es auch als „Atem der Seele“. Außer der täglichen Gebete, haben wir ST-Adventisten eine sich jährlich wiederholende Gebetswoche, die im Herbst stattfindet.
Der Gewichtspunkt liegt im Vorlesen einer von der GK für diesen Zweck verfassten Lesung, und einer darauffolgenden Gebetsgemeinschaft. Die Themen der Lesungen haben einen breiten Themenbereich: Familie, Gesundheit, Mission, Gemeindeleben, Heiligung usw.
Die häufigsten Anliegen der Gebete sind die während der Gebetswoche Kranken, Arbeitslose oder sonst gerade betroffene Geschwister. Hier drängt sich der Gedanke auf, dass Menschen, die sich zur Zeit der Gebetswoche in Not oder Schwierigkeiten befinden, bevorzugt sind vor denen, die im laufe des Jahres die gleiche intensive Gebete der Gemeinde bedürfen. Man muss zugeben, dass hier etwas nicht so richtig stimmt. Diese kleine Studie soll dem Leser die Entstehung dieser besonderen Zeit definieren helfen, das Dilemma mit den Gebeten zu lösen und den eigentlichen Sinn der Gebetswoche erläutern und vertiefen.
Die Geschichte der Gebetswoche
Die Gebetswoche ist nicht durch einen Beschluss oder eine Anordnung entstanden. Sie kam allmählich und unbewusst – es hat sich einfach ergeben. Das ist auch eine Ursache, dass die historischen Unterlagen der Entstehung der Gebetswoche sehr schwer zu belegen sind. Unsere kleine Studie fängt dort an, wo sie kaum zu erwarten ist.
In der ersten Hälfte des 19. Jh. in fast der ganzen Welt, fanden mehrere Bibelforscher eine besondere Botschaft für die damalige Zeit. Aufgrund der Prophetie im Buch Daniel über die „2300 Tage und Nächte“, deuteten sie die nah bevorstehende Wiederkunft Jesu Christi auf unsere Erde. Es entstand eine weltweite Advent-Bewegung der Verkündigung dieser Botschaft mit einer entsprechenden Vorbereitung auf dieses Ereignis.
Uns ST-Adventisten interessiert besonders die Bewegung William Millers (in den USA), denn aus dieser ist unsere Gemeinschaft entstanden. William Miller hat errechnet, dass die Wiederkunft Jesu am 22. Oktober 1844 stattfindet. Dieses Datum wurde erst nach einer Korrektur gesetzt. Die erste Zeit der Erwartung war ein Jahr früher. Diese Botschaft war so überzeugend, dass in einer sehr kurzen Zeit um die 50.000 bis 100.000 Menschen an diese Botschaft glaubten und sich auf dieses Ereignis dementsprechend vorbereitet haben. Besonders in der letzten Woche war eine sehr ernste und intensive Wachsamkeit zu verzeichnen. Die Gläubigen kamen jeden Tag zusammen und in ernster Buße, Gebet und Fasten heiligten sie sich für den Empfang ihres geliebten Heilands, Jesus Christus.
Ein Zitat über die Zeit kurz vor der erwarteten Wiederkunft Jesu im Jahre 1843. Zeugnisse Band I, S. 14 (engl. Ausg.) „Es wurden besondere Versammlungen veranstaltet, in denen die Sünder Möglichkeit hatten, ihren Erlöser zu suchen und sich vorzubereiten auf die furchtbaren Ereignisse, die bald auftreten sollten. Entsetzen und Überzeugung breiteten sich durch die ganze Stadt aus. Es bildeten sich Gebetsgemeinschaften. Es entstand eine allgemeine Erweckung in verschiedenen Religionsgemeinschaften, denn alle spürten mehr oder weniger den Einfluss, den die Lehre von der baldigen Wiederkunft Christi bewirkte.“
Ja, und dann war es geschehen – der Heiland kam nicht. Die meisten sind vom Glauben abgefallen. Die noch verbliebenen suchten nach dem Grund und fanden ihn auch - die Berechnung war falsch. Nach der Korrektur warteten sie ein Jahr später auf dasselbe Ereignis. Wieder fand die gleiche ernste Vorbereitung und Heiligung statt, die ihren Höhepunkt in der letzten Woche hatte.
Auch diesmal hat sich die Geschichte wiederholt – der Herr Jesus ist nicht gekommen. Von den anfänglichen 50.000 bis 100.000 sind jetzt nur 50 Personen übriggeblieben die an die Botschaft der baldigen Wiederkunft Jesu weiter glaubten. Sie haben erkannt, dass sie sich im Datum geirrt haben, nicht aber in der Erwartung. Und so warteten sie auf die ersehnte Wiederkunft Jesu das nächste Jahr wieder, und immer wieder. Jedes Jahr, um die Zeit des 22. Oktober, veranstalteten sie Gebetswochen, in denen sie die Zeit der ersten Besinnung, der im Jahre 1843, wiederholt haben. Eine feierliche Zeit der besonderen Heiligung, die allmählich zu einem dauerhaften Bestandteil der ST-Adventisten gemacht wurde als alljährliche Gebetswoche.