Der Fluechtling als solches

  • Seit letzten Dienstag habe ich einen Flüchtling als Kollegen. Jeden Dienstag bin ich für eine Lebensmittelausgabestelle von Laib und Seele tätig. Man könnte sagen, dass ich unter anderem die Drecksarbeit mache. Der neue ehrenamtliche Kollege stammt aus Syrien, dort war er Rechsanwalt, auch von 'Staatsanwalt' und 'Richter' ist im Laufe des Tages die Rede gewesen. Ich frage mich, wen er nach welchen Maßgaben verurteilt haben mag.

    Das Erlebnis demonstriert viele Probleme.


    Die Sprachbarriere

    Einerseits war der Mann in Syrien in einer höhergestellen Position und gehörte dort anscheinend zu den besonders gut Ausgebildeten -- oder zu den besonders Protegierten. Aber was heißt das im einzelnen genau und wie kann man das mit hiesigen Bildungsstandards vergleichen?

    Der Mann will bei uns vor allem die Sprache besser lernen. Ein paar wenige Wörter konnte ich ihm beibingen, aber es ist nicht leicht. Zwar teilte er mir im Laufe des Tages mit, dass man in Syrien Arabisch und Englisch spräche, doch obwohl ich später erfahre, seine Frau sei Englischlehrerin, kann er selber augenscheinlich kaum Englisch. Vermutlich hat er das Englische in Syrien nie benutzt und nur vor langer Zeit wenige Jahre in der Schule Englischunterricht gehabt. Wenn ich ein englisches Wort benutzt hatte, um ihm ein deutsches Wort zu vermitteln, schaute er eigentlich nie, als verstünde er mich, und nicht ein einziges Mal benutzte er selber ein englisches Wort, um mir sein Verstehen anzuzeigen oder etwas mitzuteilen.

    Wie der Deutschunterricht aussah, an dem er schon teilgenommen hat, frage ich mich, denn heute habe ich folgendes Video entdeckt:


    300 Millionen Euro für Kurse, zu denen keine Lehrpläne, keine Lehrmittel und keine Voraussetzungen fuer die Sprachlehrer gefordert wurden. Das Arbeitsamt verschleuderte dafür nach hastigem Regierungsentscheid Mittel der Arbeitslosenversicherung -- mit anscheinend spektakulärem Mißerfolg. Die Kurse wurden voll bezahlt egal, ob ein Schüler nur eine oder alle 320 Stunden erschienen ist.

    Eine Katastrophe. Ich frage mich, wie ein Herr Weise seinen hochdotieren Posten und auch jeder Regierungsverantwortliche seine Funktion behalten kann, angesichts solch inkompetener Vorgehensweisen und solch sorgloser Verschwendung. Jeder Verantwortliche in einer privaten kommerziellen Firma wurde für so eine Aktion in Anwesenheit aller Mitarbeiter fast schon standrechtlich erschossen.


    To be continued ...

    "Prüft alles und, was gut ist,
    das behaltet. Aber was böse ist,
    darauf lasst euch nicht ein..."

    1. Thessalonicher 5, 21.22

    "Wähle das Leben, damit du lebst."
    5. Mose 30, 19

    9 Mal editiert, zuletzt von Daniels (9. September 2016 um 01:06)

  • DER FLÜCHTLING ALS SOLCHES ......

    • ist zunächst einmal ein Mensch!
    • Und jeder Mensch hat das Recht, frei von Vorurteilen behandelt zu werden.
    • hat nicht das Gefühl in der Gesellschaft dazu zugehören.
    • soll aber eben sowenig immer nur als armes Opfer hingestellt werden.

    „Der Schlüssel zu den Herzen der Menschen wird nie unsere Klugheit, sondern immer unsere Liebe sein.“ - Hermann Bezzel (1861-1917)

  • Was soll mir das sagen, Altor, das klingt nett, aber es sind auch Allgemeinplätze, die vermutlich jeder hier teilt. Und natvrlich gehört er nicht zur Gesellschaft, bloß weil er hier soeben aufgetaucht ist.

    Die Probleme werden nicht dadurch gelöst, dass manche Leute wie die höchst subjektive Frau Hayali vor der Kamera an falscher Stelle allgemeine Sätze sagen wie 'Es sind doch Menschen.' und damit einseitig den Eindruck erwecken, ihr Kommunikationspartner hätte das jemals bestritten.

    Stalin war auch ein Mensch und alle KZ-Wächter auch, Doktor Mengele, ein hervorragendes Exemplar der deutschen Bildungselite, der 'Lieblingschüler' seines Universitätsprofessors, konnte sogar passabel Klavier spielen und vermutlich famos Schullatein und Altgriechisch sprechen. Mit anderen Worten ist mir das Etikett 'Mensch' zu allgemein.

    Ich versuche dem Mann zu helfen, aber das ist nicht einfach unproblematisch und leicht, bloß weil er ein Mensch ist.

    Wie bringe ich einem Menschen neue Wörter oder gar gut sprechen bei, wenn er anscheinend keine Sprache ausreichend kennt, die ich selber ein wenig (Französisch) oder einigermaßen gut (Englisch) sprechen kann? Inwiefern kann er deutsche Sätze bauen?

    Was hilft es mir, der ich unmittelbar mit ihm zusammenarbeite, wenn die Frau, die ihn zu uns gebracht hat, ihn als 'ihren Bruder' bezeichnet und sich dabei toll fühlt, dadurch spricht er kein Wort mehr und das hilft mir kein Stück, ihm zu helfen.

    "Prüft alles und, was gut ist,
    das behaltet. Aber was böse ist,
    darauf lasst euch nicht ein..."

    1. Thessalonicher 5, 21.22

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    8 Mal editiert, zuletzt von Daniels (9. September 2016 um 20:07)

  • Rechsanwalt, ... 'Staatsanwalt' und 'Richter'

    Vermutlich hat er das Englische in Syrien nie benutzt und nur vor langer Zeit wenige Jahre in der Schule Englischunterricht gehabt. Wenn ich ein englisches Wort benutzt hatte, um ihm ein deutsches Wort zu vermitteln, schaute er eigentlich nie, als verstünde er mich, und nicht ein einziges Mal benutzte er selber ein englisches Wort, um mir sein Verstehen anzuzeigen oder etwas mitzuteilen.

    Wie bringe ich einem Menschen neue Wörter oder gar gut sprechen bei, wenn er anscheinend keine Sprache ausreichend kennt, die ich selber ein wenig (Französisch) oder einigermaßen gut (Englisch) sprechen kann?

    ... hm, ich denke, der Mann lügt schlicht und ergreifend, um sich eine gute Ausgangsposition zu verschaffen,
    denn:
    lies mal hier nach, was da über das syrische Bildungssystem vor Ausbruch des Bürgerkrieges 2011 steht:
    Darum sind so viele syrische Flüchtlinge gebildet - Politik Nachrichten - Ausland - Hamburger Abendblatt

    jemand, der damals in Syrien studiert hat, hat mit Sicherheit halbwegs gut Englisch und Französisch gesprochen ...

    Lügner gibt es halt überall auf der Welt ...

    Nicht alles, was gezählt werden kann, zählt (Einstein)

    Einmal editiert, zuletzt von Ghasel (9. September 2016 um 21:57)

  • Ghasel: Danke fuer die Hinweise.

    Ich muss darüber nachdenken und noch länger mit ihm zusammengearbeitet haben, um das fair zu beurteilen.

    Leider neige ich gelegentlich dazu, mir viele Gedanken darüber zu machen, wie ich anderen helfen kann. Von mir aus auch leichter Helferkomplex.

    Immerhin habe ich ihm die Wörter 'leer' und 'voll' klarmachen können. Kleines didaktisches Erfolgserlebnis: Wir hatten ein Schächtelchen voll Schrauben in einem Regal stehen, das ich spontan dazu herangezogen habe. Das hat er schnell begriffen und dann auf diverse Behälter gezeigt, sie jeweils richtig als 'voll' oder 'leer' bezeichnend.

    Keinen Erfolg hatten ich und eine Kollegin, als das Wort 'schämen' fiel und er wissen wollte, was es bedeutet. Wir haben es vermutlich zu kurz mit Pantomime versucht. Ist halt ein Abstraktum.

    "Prüft alles und, was gut ist,
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    1. Thessalonicher 5, 21.22

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    Einmal editiert, zuletzt von Daniels (10. September 2016 um 01:07)

  • Ich war vor vielen Jahren mit einem Iraner befreundet.
    Er hatte in Deutschland studiert, musste dann wieder in den Iran zurück, und schlussendlich war er vom Iran wieder nach Deutschland geflohen.
    Er war Ingenieur, bekennender Christ, voll integriert und in vielerlei Hinsicht sehr tolerant. Sogar patriarchischen Denken war nicht ersichtlich.
    Nun hatte ich ein großes Problem mit ihm, er sagte nicht immer die Wahrheit.
    Ich sprach mit ihm darüber wie sehr mich das störte und das dieses Verhalten eine Freundschaft zerstören könnte .
    Er berichtete mir, dass er sich diesbezüglich noch nicht angepasst hätte.
    Im Iran und offensichtlich wohl bei vielen Araber gehört das Lügen" wohl zum guten Ton" oder ist sogar ein besonderes Zeichen ihrer Männlichkeit. Ich habe das nie verstanden und ihm mehrfach gesagt, dass dieser Brauch in Deutschland nicht gut ankäme.

    Er erklärte mir zum Beispiel:
    In einer großen Familie kommt ein Cousin und berichtet über seine neue Arbeitsstelle. Sie fragen ihn wie viel er verdient und er sagt statt 2000€, 3000€. Die Familie weiß ganz genau wie viel sie abziehen muss
    Wenn er jetzt die Wahrheit gesagt hätte und sie hätten es bemerkt, dann würden sie ihn als "Lügner" sehen
    .
    Das Übertreiben und die falsche Darstellung im Gespräch .. gehört wohl zu ihrer Männlichkeit dazu.
    Englisch hatte er in Deutschland gelernt, aber auch nicht gut.

    In seiner Zeit im Iran fand er in seinem Beruf keine Arbeit. Ein befreundeter Zahnarzt gab ihm eine Stelle als Zahnarzt, nachdem er ein großes Buch durchgelesen hatte mit ein wenig praktischer Ausbildung.
    Die Patienten fragten ihn öfter wo er studiert habe, er sagte dann immer in Deutschland..

    Mittlerweile sind fast 17 Jahre vergangen, als ich ihn für zwei Jahre kennen lernen durfte.Ja, seine "Unwahrheiten" gepaart mit seinem christlichen Glauben (Adventist) konnte ich nicht mehr akzeptieren und annehmen.Schlussendlich brach ich den Kontakt zu ihm ab...

    Nach meinen letzten Informationen sind im Iran sehr viele "europäisch" orientiert. Viele Frauen leben sehr frei und nicht selten mit offener Sexualität wie hier in Deutschland. Auf der Straße tragen sie ihre langen Mäntel und zuhause leben sie wie sie wollen mit engen Jeans, hohen Schuhen und dergleichen.
    Die streng Religiösen aber komplett anders..mit all ihren auferlegten Gesetzen.
    Beide Gruppen mögen sich verständlicherweise nicht besonders.

    Ich persönlich würde einem neuen Arbeitskollegen lange Zeit freundlich und neutral begegnen. Nicht alles Glauben, aber das nicht so "deutsch" bewerten.

    Ein Interessanter Artikel
    Weshalb Muslime lügen dürfen – aus dem Leben Mohammeds | Online-Magazin Pârse&Pârse پارسه و پارسه

    LG

    Jesus aber sah sie an und sprach zu ihnen: Bei den Menschen ist es unmöglich; aber bei Gott sind alle Dinge möglich
    (Matthäus 19, 26)

    Einmal editiert, zuletzt von Elli59 (10. September 2016 um 09:47)

  • Zitat von Elli59


    Auch auf die Gefahr daß Daniels wieder seine Relativierungskeule auspackt , diese parsische Seite scheint mir ein bischen voreingenommen zu sein : " arabische Räuberbanden " , " wie ein elender Feigling von Mekka nach Medina flüchtete " .


    Hier wird find ich ein bischen sachlicher über die Taqiya informiert :

    http://diepresse.com 2008 - Religion: Lügen im Namen des Allmächtigen

    -

  • Wikipedia zu den Sprachen in Syrien:

    Die französische Sprache hatte (und hat) aufgrund der Mandatszeit eine besondere Stellung, früher hatte sie im Bildungswesen und in der Verwaltung eine große Bedeutung. Wie überall setzt sich jedoch auch in Syrien die englische Sprache als überregionale Verständigungssprache durch. Nur noch 8 % der Sekundarschüler lernen Französisch als Fremdsprache, hingegen lernen 92 % der Schüler Englisch. Die deutsche Sprache dagegen wird im Sekundarschulbereich bisher nicht als Fremdsprache angeboten, es soll jedoch Pläne zur Einführung von Deutsch als dritter Fremdsprache in den Sekundarschulen geben. Deutsche Schulen gibt es in Syrien bislang nicht. Es existieren jedoch französische Privatschulen, an denen die deutsche Sprache unterrichtet wird.


    Obwohl ich konkret bisher kaum Ahnung von Syrien hatte, habe ich vermutet, dass mein Kollege wegen der Kolonialzeit vielleicht etwas Französisch könne.

    "Prüft alles und, was gut ist,
    das behaltet. Aber was böse ist,
    darauf lasst euch nicht ein..."

    1. Thessalonicher 5, 21.22

    "Wähle das Leben, damit du lebst."
    5. Mose 30, 19

  • Obwohl ich konkret bisher kaum Ahnung von Syrien hatte, habe ich vermutet, dass mein Kollege wegen der Kolonialzeit vielleicht etwas Französisch könne.

    ... wie dem auch immer sei, Englisch müsste er als Akademiker auf jeden Fall ausreichend können.
    Dafür hat die Baath-Partei lange genug regiert ...

    Nicht alles, was gezählt werden kann, zählt (Einstein)