Hermeneutik und Philosophie

  • Hallo zusammen

    In der griechischen Antike wurde die Hermeneutik (von griech.: aussagen, auslegen, übersetzen) als wissenschaftliche und kunstmäßige Interpretationen der Dichtung, vor allem der Schriften Homers, in den "Rhetorenschulen" gepflegt. Aristoteles hat in seiner Rhetorik hermeneutische Regeln im Hinblick auf die Zerlegung eines literarischen Werkes in seine Teile und auf die Unterscheidung einzelner Stilformen dargeboten. Hier soll es um die Hermeneutik der Stoa gehen und die alttestamentliche Exegese. Origenes von Alexandria, ein bedeutender frühchristlicher Theologe, unterscheidet einen "dreifachen Schriftsinn": den somatischen (wörtlichen), den psychischen (moralischen) und den pneumatischen (geistlichen) Sinn. Bekannt ist, dass Origenes und Augustinus als die bestimmenden Theoretiker der Hermeneutik bis ins Mittelalter wirkten. Erst in der Reneissance und im Humanismus, wurde die ehemals in der alexandrinischen Schule gepflegte "Auslegungskunst" als "ars critica" erneuert und beeinflusst nun das protestantische Schriftprinzip des sola scriptura, den klaren Grundsatz also, dass die Heilige Schrift sich selbst auslegt (scriptura sui ipsius interpres)

    Was denkt ihr über "allegorische Auslegungen" und Hermeneutik ?

    Ist die Unterscheidung einzelner Stilformen im Hinblick biblischer Übersetzungen hilfreich ?

    Ich freue mich auf euere Ansichten,

    LG

    Ines

  • Was denkt ihr über "allegorische Auslegungen" und Hermeneutik ?

    Glücklich, wer Origenes nicht kennt und von Aristoteles nichts weiß, auch in der scholastischen Moral ganz unbewandert ist, und doch gelernt hat dem Lamme, dem Herrn Jesus Christus nachzufolgen, wohin Er geht.


    GLG

  • Hallo Ines,

    Kennst Du das Standardwerk von Gerhard Maier Biblische Hermeneutik?

    Hermeneutik wird auf vielen Fachgebieten angewandt, -------bibl. H. ist auf die Schriftauslegung abgestimmt.(mit ganz bestimmter Vorgangsweise.

    Daher:

    Nicht jede Hermeneutik (Regeln) kann auf den Sonderfall Bibel angewandt werden.

    Allegorie hat ebenfalls ihre ganz bestimmte Position in diesem H. System,---nur sie muß ebenfalls im Gesamtsystem richtig angewandt werden.Sie hat kein
    "freies" Leben in diesem Zudammenhang---so nach dem Motto: Ich geh "frei und losgelöst von Allem (allein) nach meinen Vorstellungen allegorisch an die Schrift heran-----die Wahrheit fällt dann heraus.

    schönen Sonntag
    y.

    PS: zu "lernen" dem Lamme nachzufolgen, setzt Information ÜBER Gottes Wirken etc voraus.
    dies setzt bibl. Erkennen voraus----ein hilfreiches Werkzeug dazu ist----bibl. Hermeneutik

    "Glückliche" Nachfolge besteht in vertiefender Schriftkenntnis-----alles "darüber" reden endet lediglich in Philosophie.

    Einmal editiert, zuletzt von Yokurt (28. Juni 2015 um 10:46)

  • Bei manchen Theologen liegt der "metaphysische Sprachgebrauch" vor. Wieder bei anderen ist der Sprachgebrauch unklar, sei es, dass sie zuweilen diesem, zuweilen jenem Sprachgebrauch folgen.

    Aus den Gründen, die Du, lieber Yokurt, hier genannt hast, werden wohl auch theologische Diskussionen in der philosophischen Betrachtungsweise der Hermeneutik, und gingen sie nur um ihren Begriff, so viel "radikaler und unversöhnlicher" geführt als in den Wissenschaften der Theologie. Die Philosophie hat im Gegensatz "zu anderen Disziplinen" kein fest umrissenes Bestätigungsfeld innerhalb der gegebenen Fragen. Hier (Dein) der wichtige Ansatz/"Einwand":

    "Nicht jede Hermeneutik (Regeln) kann auf den Sonderfall Bibel angewandt werden".

    Lieben Gruß

    Ines

  • zu "lernen" dem Lamme nachzufolgen, setzt Information ÜBER Gottes Wirken etc voraus.

    Das stimmt. Ein gutes Bibelstudium, eine gute Unterweisung in der Schrift ist notwendig, ebenso wie die Wirkung des Geistes. Die Wissenschaft der Interpretation, die Hermeneutik ist eine sehr strenge Wissenschaft. Ich denke halt, wenn im Sinne der Interpretation zu sehr „auf den Buchstaben“ beharrt wird , dann kann das „Denken“ (zu sehr) auf den „toten Buchstaben des Gesetzes“ ausgerichtet sein, anstatt auch auf die befreiende Wirkung des Geistes. „Der Buchstabe tötet, der Geist mach lebendig.“

    theologische Diskussionen in der philosophischen Betrachtungsweise

    Die Philosophie gibt ja selten eine Lösung, falls überhaupt. Sie ist ein Problemfach, kein Stoff- und Ergebnisfach. Für sie ist eine neue Problemperspektive viel wichtiger als die Lösung der Frage. Die „Logik des Altertums“ mag sich in den exakten Wissenschaften behaupten. Kann man dieses „Denken“ auch auf die Bibel übertragen ? Auch nicht außer Acht zu lassen, was den "alten Griechen" als "Rhetorik" galt.


    GLG


  • Glücklich, wer Origenes nicht kennt und von Aristoteles nichts weiß, auch in der scholastischen Moral ganz unbewandert ist, und doch gelernt hat dem Lamme, dem Herrn Jesus Christus nachzufolgen, wohin Er geht. ...


    ... also ganz im Sinne von Luthers 'sola scriptura'-Prinzip?

    Nur, mit dem 'Geschriebenen' ist das eben so eine Sache, ich vermag es nicht immer so zu lesen, wie es vom Schreiber gemeint war,
    und das kann ganz unterschiedliche Ursachen haben, muss ich mich deshalb nicht auch mit Fragen der 'Auslegung' beschäftigen?

    Ghasel, mit lieben Grüßen

    Nicht alles, was gezählt werden kann, zählt (Einstein)

  • Die Philosophie ist ja ein Gebiet von außerordentlicher innerer Reichhaltigkeit und eine Entwicklung aus mehreren, doch "scheinbar voneinander unabhängigen" Wurzeln. Die Problematik liegt auch in der Differenzierung der "Vorstellungs- und Verständigungsrhetorik". Dieser Gesichtspunkt beschäftigt die analytische Frage "hermeneutischer Theologie".

    Was den "alten Griechen" als "Rhetorik" galt ? Platon und Aristoteles glaubten nicht, wie Anthisthenes und die Kyniker, dass die Vernunft zu einer beständigen Höherentwicklung im Menschen fähig ist. Auch Tatsachenforschung ist mühsam, aber man weiß dabei doch wenigstens, worum es geht. ;)

    LG

    Ines

  • hermeneutischer Theologie

    Der Begriff selbst - "Hermeneutik" ein vielschichtiges Wort, dessen "Kunst" ja versucht, etwas begreifbar zu machen. Vorsichtig gesagt, ist die Hermeneutik auch eine sehr "eitle Wissenschaft" - Sie betrachtet die Schrift um ihres eigenen Willens.

    "Wobei ihr das zuerst wissen müsst, dass keine Weissagung der Schrift ein Werk eigener Deutung ist. Denn niemals wurde durch menschlichen Willen eine Weissagung hervorgebracht, sondern vom heiligen Geist getrieben redeten heilige Menschen, von Gott gesandt." (2. Petrus 20-21)

    Gott möchte, dass wir Menschenkinder seine guten Absichten, seinen Willen verstehen. Die Bibel selbst ist genauso für ein Kind geeignet wie für einen hochintellektuellen Theologen. Wir können ein paar einfache „Auslegungsgrundsätze“ definieren, die jeder Mensch versteht, ohne daraus gleich eine Wissenschaft machen zu müssen…

    Was den "alten Griechen" als "Rhetorik" galt ?

    Auch der Wettstreit. Rhetorische Streitereien, nicht im Sinne einer Diskussion mit "gepflegter Streitkultur", sondern der Streit um die beste, geschickteste und raffinierteste Form der Manipulation des Gegenübers. Ein bewusstes und zielgerichtetes Vorgehen mit dem Zwecke der Manipulation, eben ein "rhetorisches Vorgehen". ;)


    GLG

  • "Ein bewusstes und zielgerichtetes Vorgehen mit dem Zwecke der Manipulation, eben ein "rhetorisches Vorgehen". (Zitat von Gabriel)

    "Quod licet Jovi, non licet bovi", heißt es doch - was "Jupiter" geziemt, geziemt nicht dem Ochsen; es geht aber gar nicht um "Zwecke der Manipulation", oder die von mir beispielhaft hinzugefügten "Ochsen" oder "Götter", sondern um denkende Menschen, konkrete und realisierbare Auseinandersetzungen. ;)

    Aber sogar Origenes selbst und die "glühendsten Stoiker" würden zugeben, dass es sicher nicht zutrifft, dass es keine rationale Methode in der Meinungsverschiedenheit hermeneutischer Auslegungen gibt, die uns lehren kann, wie wir "das endgültige Ziel" auffinden können. Zu den Bedingungen der Möglichkeit von hermeneutischer Wissenschaft im angedeuteten Sinne, gehören auch bestimmte "philosophische" Schwer- und Standpunkte.

    LG

    Ines

  • Quod licet Jovi, non licet bovi

    Ut sciant gentes quoniam homines sunt ;)

    Man kann schöne Liebesbriefe von einem Mädchen haben, ohne das Mädchen selbst "zu haben". Worauf es doch ankommt: Das wir Gott "selbst" haben. Das Verstehen, liebe Ines, ist für mich ein kreativer Akt. Ein "kreativer Vorgang" an dem die ganze Persönlichkeit des Leser beteiligt ist. Wenn sich der Leser dem Inhalt nicht öffnet, ja wenn er sich Gott nicht öffnet, wie könnte sich das im Sinne der Hermeneutik durch ein Kennen von bestimmten Regeln ersetzen ?

    (Zitat von Gabriel)

    Achte bitte darauf, in welchem Zusammenhang.


    GLG

    Einmal editiert, zuletzt von James Gabriel (28. Juni 2015 um 20:20)

  • Diese "geschlossene Sprache", die Du rhetorisch beleuchtest, beweist und begründet nicht - sie teilt nicht "Diktum und Kommando" mit. Ein sehr richtiger Ansatz. Bei vielen Wörtern, und zwar bei der überwiegenden Mehrzahl aller Wörter der "hermeneutisch-wissenschaftlichen Vorgehensweise", ist es möglich, die "Bedeutung durch Zurückführung" auf andere Wörter ("Konstitution"..) anzugeben. Z.B.: , ,,Antrophoden" sind Tiere mit gegliedertem Körper, gegliederten Extremitäten und einer Körperdecke aus Chitin." Ist hier nicht für die elementare Satzform des Wortes ,,Antrophode", die Aussage bereits geklärt ? Rhetorik und die "Ableitbarkeit" eines Wortes sind ernstzunehmende Kriterien. ;)

    LG

    Ines

  • Aussage bereits geklärt ?

    Dein Beispiel erklärt den Literalsinn. Gründe für eine symbolische Interpretation sind hier nicht zu finden. Ohne dieses Prinzip wäre es unmöglich, beispielsweise eine Zeitung oder ein Geschichtsbuch zu verstehen. Ein "literarischer Normalfall" also: So wie es dasteht, zu verstehen.

    Im "biblischen Sprachgebrauch" kann es mit der Bedeutung von Worten (symbolisch/rational) schon wieder anders aussehen...


    GLG

  • Da die Bedeutung eines Wortes nun einmal durch sein Kriterium bestimmt ist (in anderer Ausdrucksweise: durch die Ableitungsbeziehungen seines Elementarsatzes, durch seine Wahrheitsbedingungen, durch die Methode seiner Vertifikation), so kann man nicht nach der Festsetzung "des Kriteriums" auch noch darüber verfügen, was man mit dem Wort ,,meinen" will. Hier darf man, um die hermeneutischen Regeln zu befolgen, nicht weniger als das Kriterium angeben, damit das Wort seine wirkliche Bedeutung erhält.

    LG

    Ines

  • Hier darf man, um die hermeneutischen Regeln zu befolgen, nicht weniger als das Kriterium angeben, damit das Wort seine wirkliche Bedeutung erhält.

    Hast Du in der Bibel irgendwo eine Stelle gefunden, die besagt, dass sie im Sinne einer bestimmten Denkrichtung oder Anschauung oder nach menschlicher Vernunft zu interpretieren sei , wie es heute leider oft der Fall ist ?

    Menschen, sich auf ein wissendes Feld berufend, Interpretationen des Geschehens im Rahmen einer Aufstellung, unantastbar festgeschrieben ?


    GLG

  • Ist nicht jedes Wort nur deshalb in die Sprache eingeführt worden, um etwas Bestimmtes auszudrücken, so dass es von seinem ersten Gebrauch an eine bestimmte Bedeutung hat ? Im Lauf der geschichtlichen Entwicklung ändert ein Wort sogar häufig seine Bedeutung. Es kommt sogar vor, dass ein Wort "seine alte Bedeutung" verliert, ohne eine neue zu bekommen. Dadurch entstehen dann die bekannten Scheinbegriffe.

    LG

    Ines

  • Ist nicht jedes Wort nur deshalb in die Sprache eingeführt worden, um etwas Bestimmtes auszudrücken, so dass es von seinem ersten Gebrauch an eine bestimmte Bedeutung hat ?

    Liebe Ines, lass' uns nicht vergessen: Wir sprechen über das (einzige) Buch dieser Welt, dass von sich "behauptet" den Heiligen Geist als Verfasser zu haben. Es ist also einzigartig. Sollte die Bibel etwa da nicht zuerst im eigenen Licht betrachtet werden ?

    Ob ein Wort in der Bibel wörtlich oder symbolisch gebraucht wird, entscheidet sich ja durch mehrere "Kriterien".


    GLG

  • Hallo Ines,

    zu dem Stellenwert der Allegorie bei der bibl. Hermeneutik hatte ich schon eine Antwort auf deine Frage in meinem Beitrag angedeutet.

    Zitat

    Ist die Unterscheidung einzelner Stilformen im Hinblick biblischer Übersetzungen hilfreich ?

    kasnnst Du bitte hier
    --anders formuliert--was genau Du damit meinst ?(eine Verständnisfrage)

    Stilformen in der Bibel?
    Stilformen (in) bibl. Übersetzungen ?

    l.g.y.

  • Zitat

    Es ist also einzigartig. Sollte die Bibel etwa da nicht zuerst im eigenen Licht betrachtet werden ?

    genau dem--unter Anderem--
    wird das Konzept der bibl. Hermenutik (als einzige Auslegungs- Methode) gerecht.
    l.g.y.

  • Die Philosophie gibt ja selten eine Lösung, falls überhaupt.


    Gehört nicht auch die Logik zur Philosophie ? Die Epistemologie (Erkenntnistheorien) ? ...in denen sich Paulus gut auskannte: 1. Kor. 2, 9. , 10. - -1. Korinther 13, 9. - 13. Der letzte Vers ist eine klare Absage an Platons Höhlengleichnis, einen Eckstein in der der Epistemologie.

    Solches gehört auch zur Hermenautik .

    Nihil hic determino dictans : Conicio, conor, confero, tento, rogo, quero - -

    Leider kann ich nicht mit der alleinerziehenden Mutter aufwarten - -

    Einmal editiert, zuletzt von HeimoW (28. Juni 2015 um 21:44)