Wie baut ihr eine Predigt auf?

    • Offizieller Beitrag

    Parallel zum Thread "Wie unterschiedlich sind die Kompetenzen bei Predigern und Laienpredigern?" möchte ich diejenigen Fragen, die selber Predigt-Erfahrung gesammelt haben, wie ihr eine Predigt aufbaut (strukturiert) und wie und warum ihre welche Inhalte wählt? Welche Art von "Input" motiviert bzw. inspiriert euch "das Wort zu ergreifen"?

    Mir wäre es lieb, wenn ihr in euren Beiträgen möglichst differenziert zwischen Aufbau (wie) und Inhalt (was) eure Erfahrungen schildert. Danke im voraus.

    Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Buße leitet?

    Der HERR hat's gegeben, der HERR hat's genommen; der Name des HERRN sei gelobt!

    • Offizieller Beitrag

    Der Aufbau einer Predigt hängt für mich vor allem davon ab, welche Art Predigt man hält - wenn ich jetzt davon absehe, dass jede Predigt die Struktur einer guten Rede haben muss (Einleitung / Abholen / Interesse wecken - Hauptteil / Vermittlung der wesentlichen Gedankengänge - Abschluss / Anwendung auf das eigene Leben (Relevanz hervorkehren) / Aufruf).
    Persönlich lege ich in Predigten gerne Schriftabschnitte aus, d.h. ich suche nicht Texte zu einem Thema / Anlass sondern eine Perikope. Das kann auch ein ganzes Kapitel sein. Themenpredigten halte ich "nur" zu Hochzeiten, oder Anlässen wie Ostern Weihnachten etc. aber auch da steht ein bestimmter Abschnitt im Zentrum der Predigt (der Glaube kommt aus der Predigt, die Predigt aus dem Wort).
    Dann folge ich der Struktur des Textes, den ich eingangs u.U auch komplett lese. Es ist mir wichtig die Struktur des Textes erkennbar (explizit zu erklären) zu machen, weil ich denke das erleichtert den Text zu verstehen und zu behalten.
    Eingerahmt wird das Ganze von einer kurzen Begrüßung, eventuell einer Begründung für die Wahl der Perikope und einem Abschluss in dem ich die Relevanz des Gelesenen / Gehörten für das Leben in der Gegenwart herauszuarbeiten versuche. Ganz am Ende kommt dann ein kurzer Aufruf oder ein Segenswunsch.
    Falls Du praktische Beispiel möchtest kann ich Dir per Mail einige pdf (Predigt im Volltext) zukommen lassen.
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  • möchte ich diejenigen Fragen, die selber Predigt-Erfahrung gesammelt haben, wie ihr eine Predigt aufbaut (strukturiert) und wie und warum ihre welche Inhalte wählt?

    Predigterfahrung hab' ich nicht so viel, jedoch tagtäglich mit Kommunikation im Beruf zu tun. Vielleicht kann ich Dir ja ein paar brauchbare Inputs geben.Die meisten Leute sind sehr nervös bei dem Gedanken, dass sie eine Predigt halten sollen, egal wie kurz. Doch die meisten Leute sind sehr wohl fähig dazu. Egal ob Ansprache, Moderation oder Predigt - Vorbereitung ist alles. Ich vergleiche den Aufbau einer Ansprache gerne mit dem Bau eines Hauses.

    A) Das Grundstück
    Wenn die Bibel der "Grund" oder "Boden" ist, dann wird das "Grundstück" wahrscheinlich ein Vers oder Abschnitt aus der Bibel sein. Unsere Gedanken sind nicht so wichtig, das Wort Gottes ist wesentlich.

    1. Bete - Bevor Du mit der Vorbereitung beginnst.
    2. Gebrauche Deinen Verstand.
    3. Ein Notizbuch kann nützlich sein, vor allem wenn man regelmäßig predigt.
    4. Wenn möglich, erfahre die Bedürfnisse Deiner Zuhörer.

    B) Das Fundament
    Studiere den Vers / Abschnitt / Kapitel so gründlich wie möglich, bis Dir wirklich klar ist, was Gott in seinem Wort sagt. Ohne dies kann es der Predigt an "innerer Überzeugung" mangeln, und sie könnte in sich selbst zusammenbrechen. Es kann hilfreich sein, einen kleinen Plan zu erstellen. Wichtig ist die Definition der Botschaft: Die Predigt sollte EIN Ziel haben. Oft hilft es, dass "Ziel" der Predigt in einem kurzen Satz zusammenzufassen und aufzuschreiben, damit sich der Rest der Predigt darauf beziehen kann. Es gibt natürlich viele Weisen, an einen Bibelvers heranzugehen.

    C) Das Gerüst
    Ein einfacher Plan: Fasse den Hauptpunkt in einer Überschrift zusammen. Erkläre ihn, führe Beispiele an und zeige, wie er praktisch angewendet werden kann. Teile Deine Predigt in verschiedene Absätze auf mit entsprechender Überschrift (2-3 dürften reichen).

    Gebrauche ruhig die Worte des Verses. Du kannst den Hörern auch Fragen stellen: (Wer ? Was ? Warum ? Wie ?) Reime und Sprichwörter können helfen, das Gehörte besser einzuprägen - insofern es kunstvoll und strategisch gemacht wird.

    D) Die Mauern
    Gib' Deiner Predigt Substanz. Das kann auf verschiedene Weisen geschehen: "Stimulieren, anweisen, ernähren, aufführen, aufzeigen" - Die meisten Predigten werden natürlich auch "Lehre" enthalten. Nicht nur "vertraue auf Jesus / Gottes Wort" - Erkläre warum, usw... Du kannst auch mehr als nur eine Bibelübersetzung gebrauchen, eine Konkordanz und ein gut ausgewählter Kommentar können auch sehr hilfreich sein.

    E) Die Fenster
    Beispiele sind auch wichtig. Notiere Dir Geschichten, Zeugnisse, Zitate oder Ereignisse. Diese können sehr wertvoll sein, um den Weg einer "soliden Lehre" zu erhellen.

    F) Der Wohnkomfort
    Die Predigt soll kein Museum sein, sondern ein Haus in dem man wohnen kann. Die Predigt soll relevant sein. Wenn möglich, schlage praktische Handlungen vor.

    G) Die Türe
    Der Anfang und das Ende einer Ansprache sind immer wichtig. Das Ende fast noch wichtiger, da es praktisch in den Ohren kleben bleibt. Man kann mit einer Frage, einer überraschenden Feststellung, einem Ereignis aus dem Zeitgeschehen, einem Rätsel oder einer Behauptung beginnen, auch mit einer "Problemstellung". Es ist hilfreich, wenn man weiß, wann und wie man aufhört.


    Letzte Vorbereitung und die Predigt selbst: Bei vielen Menschen (nicht bei allen) ist es ratsam, zumindest so anzufangen:
    1.) Zu allen Zeiten beten
    2.) Schreibe die Predigt ganz aus, fasse sie dann zu kurzen Notizen zusammen.
    3.) Sprich Dir die Predigt (zuhause) selbst vor einem Spiegel vor. Der Spiegel hilft Dir eine "natürliche Sprache" zu bewahren.
    4.) Vermeide gekünstelte Überbetonungen. Lieber ein "natürliches" und kein perfektes "Hochdeutsch" sprechen als ein gekünsteltes "Überdeutsch".
    5.) Kleine Atemübungen sind ungemein nützlich. Ebenso Muskelübungen um die Kieferapparatur zu entspannen.
    6.) Nimm eine natürliche Haltung ein (aufgesetztes Lächeln, stillstehen, steife Arme, künstliches Getue vermeiden)
    7.) Sprich mit natürlicher Stimme. Variiere Ton, Geschwindigkeit und Satzmelodie.
    8.) Mache Pausen (Eine kurze Stille ist oft einer der besten "Soundeffekte", und gibt dem Zuhörer die Möglichkeit, das Gesprochene besser zu verarbeiten.) :thumbup:


    Ein paar kleine Hinweise bei dem Gebrauch von Mikrofon und Tonanlage:

    1.) Versuche bei den "Verschlusslauten" B/P/K/T eine übermäßige Betonung zu vermeiden und diese nicht direkt in die Kapsel des Mikrofons zu sprechen, sondern etwas daran vorbei.

    2.) Bei "Sibilanten" S/TZ/DC/SCH empfiehlt es sich ebenso knapp am Mikrofon vorbei zu sprechen.

    3.) Je nach Klangfarbe der Stimme kann man das Mikrofon unterschiedlich positionieren. Eine eher grelle Stimme kann man von oben (fast Nasenhöhe, ein wenig in Richtung Unterlippe geneigt) abnehmen. Dunkle Stimmen kann man in der Verständlichkeit aufwerten, indem man das Mikrofon etwas tiefer stellt und leicht nach oben in Richtung Gaumen neigt.

    4.) Viele Gemeinden verfügen über umfangreiche Audiotechnik. Falls ein "Erfahrener" hinter dem Mischpult sitzt, kannst Du ihm bitten mittels "Equalizer" oder "Low Cut Filter" (jedes Mischpult hat so was) die Bässe bei den Stimmen leicht zu senken. Zuviel Bass in der Stimme ermüdet die Zuhörer unnötig --> Psychoakustisches Phänomen (Listener Fatigue).


    Ich hoffe, dass Dir mein Beitrag eine Hilfe ist :)


    GLG

  • Wie hier schon gesagt wurde, kommt es natürlich auf die "Art" der Predigt an; also Umfeld, Zielgruppe, Festlichkeit oder Anlass.

    Ich schreibe immer vorher auf- entweder ganze Texte oder nur Gedankenpunkte- halte sie aber bislang immer frei.

    Wenn es um eine "klassische" Exegese eines Bibeltextes geht, dann ist es unterschiedlich:

    die meist bekannten Jesus-Geschichten aus den Evangelien lese ich vor, gebe ggf. etwas Info zu Zeit und Situation- damit die Zuhörer sich einfinden- und dann wird ausgelegt und schließlich auf unser Leben bezogen.

    Wenn es beispielsweise Paulusbriefe sind oder eher seltene, unbekannte Texte, dann muss manchmal vorweg etwas Einleitung zur historischen und biblischen Situation gegeben werden bzw. zu dem, was der Schreiber sagen wollte. Dann die Lesung, dann die weitere Exegese und der Bezug zu unserem Leben.

    Wenn es thematische Predigten oder Andachten sind, dann mache ich zum Beginn immer irgendwelche "Trigger" oder Symbole (gestern mit einem Streichholz z.B. oder mit einer Schmerztablette); oder ein Zitat als Gedankenanstoß, das thematisch passt. Dann vom Trigger zur Lebensrealität (wie ist das bei uns?) und was man von dieser Symbolik, diesem Zitat oder Trigger eben mitnehmen kann oder soll. Meistens nehme ich dann während der Predigt noch passende Bibelstellen mit rein ("in der Bibel gibt es eine ähnliche Situation", oder "David sagt dies auch in Psalm..." usw.).

    Joa... also so mach ich das in der Regel... :greet: Lg

  • Guten Abend, Bemo.

    Ich habe meine Predigten (meist Themen Predigten) gerne nach dem Schema auf gebaut, wie ich es früher in der Schule für einen guten Schulaufsatz gelernt habe.

    Dazu gehört an den Anfang eine kurze Geschichte, die die Zuhörer neugierig macht. Für diese Zwecke gibt es in den Schulen eine ganze Reihe von Vorlese Büchern für unterschiedliche Altersklassen. Oder nimm eine Geschichte aus Deiner Erfahrungswelt. Aber nicht länger als 2-3 Minuten. Die Zuhörer sollen gespannt werden und gerne weiter hören wollen.

    Dann folgt das Thema. Es muss deutliuch erklärt werden. Es ist auch gut, das Thema in den Lebensmittelpunkt der Zuhörer zu stellen.

    Das Thema und seine verschiedenen Bedeutungen wird ausführlich dar gestellt und möglichst eine biblische Lösung präsentiert. Das kann auch gemeinsam geschehen.

    Am Ende wird alles noch einmal in 5-6 Sätzen zusammen gefasst.

    Ich habe auch sehr gute Erfahrungen damit gemacht, während der Predigt alle 10 Minuten mal "ein Fenster auf zu machen und frische Luft rein zu lassen". Dazu ist dann eine passenden kleine Geschichte nötig. Kann auch eine Nachricht sein oder Sache, die viele kennen.

    Weitere gute Erfahrungen habe ich mit echten Fragen in der Predigt gemacht und die Zuhörer zu einer Antwort ermutigt. Das funktioniert auch bei 200 - 300 Zuhörern, und alle denken mit. Das siehst Du von vorne an den Gesichtern.

    Meine Predigten habe ich für den Notfall (und für Nachfragen) immer wörtlich aus gearbeitet, aber dann meistens frei gehalten. Ich kenne einen Prediger, der grundsätzlich frei spricht und dabei sogar hin und her und manchmal in den Saal hinein geht und Einzelne anspricht.

    Und noch eins:Man darf über alles reden - nur nicht über 45 Minuten. :)

    Liebe Grüße von benSalomo.