Matthäus 6,13 - Und führe uns nicht in Versuchung

  • Zitat

    Gott lässt das Böse zu, dass ist nun mal eine Tatsache, aber ich glaube dennoch, dass unser Vater im Himmel das Böse nicht will.

    Ich glaube auch nicht, dass er das Böse will. Deswegen wird er es ja hinweg nehmen.

  • Gott hasst Sünde. Er will weder Krieg, Ehebruch, Vergewaltigung usw., aber er lässt die Grausamkeiten zu.
    Wir müssen damit auf dieser Erde leben. Der Egoismus treibt den Menschen an. Das geht uns als Gläubige ja teilweise nicht anders. Obwohl dieser momentane Zustand der Realität entspricht, ist Gott damit nicht einverstanden.

    Der HERR ist absolut GUT, daran gibt es keinen Zweifel. Weil das so ist, dürfen wir zu jedem Zeitpunkt Schutz bei ihm suchen.
    Bisher wurde ich in solchen Situationen noch nie enttäuscht, weil ER mein Vater ist.
    Gott wartet nur darauf, dass wir kommen. Bei ihm sind wir absolut sicher !!

    Unsere Kirche ist offen für alle, aber nicht für alles! Christian Führer, ev. Pfarrer 1943-2014

    • Offizieller Beitrag

    Ich mach es mal ganz einfach, so wie es sich für mich darstellt: Das Böse ist der Preis der Entscheidungsfreiheit und daran erkenne ich welche ungeheure Wertschätzung Gott der Entscheidungsfreiheit gibt - sie geht so weit, dass er all das Böse, in so gut wie all seinen Facetten, zulässt. Und warum? Ich meine, diese Entscheidungsfreiheit macht selbstlose, wahre Liebe erst möglich - was wiederum Gottes wesentlicher Wesenszug ist (er ist sie). Und was sagt mir das praktisch? Weil ich diesen Wesenszug "nachjage", will ich niemanden manipulieren, zwingen, erpressen, bestechen, unterdrücken...ich werde die Entscheidungsfreiheit meines Nächsten sogar bis zum äußersten verteidigen wollen.

    (und ja Seele, wir hatten das auch schon, und wenn ich mich recht erinnere, ist dieser Gedankengang von mir mit deinen nicht ganz kompatibel...)

    Und zum eigentlichen Thema:
    Wenn wir Gott bitten "Führe uns nicht in Versuchung, sondern..." dann ist das sehr menschlich gesprochen - es schwingt eine gewisse Angst mit: "Wohin geht die Reise? Wohin führst du mich, Herr?" Ich sehe in dieser Formulierung ein ziemlich ehrliches Ringen mit Gott um den richtigen Weg, welches möglicherweise geplagt ist von Zweifeln (was wiederum ehrliche Selbstreflektion vorraussetzt)

  • philoalexandrinus:

    da Du im Grundtext schaust, eine Frage:

    es gibt heute den "Trend", dass manche sagen (nach Ruth Lapide):

    Es heiße nicht "Führe uns NICHT in Versuchung", sondern "Führe uns IN DER Versuchung".

    Nach dem Motto: "Gott versucht ja keinen!"

    Erstens sagt die Bibel etwas anderes (Garten Eden, Abraham, Mose, Hiob usw.),

    Zweitens ergibt das Gebet dann keinen Sinn, denn es ist ein hebräischer Parallelismus an dieser Stelle:

    "Führe uns nicht in Versuchung,
    sondern erlöse uns von dem Bösen"

    ka me eisenenkeis hemas eis peirasmon
    alla rhusai hemas apo tou poneru.

    Was sagst du (oder ihr) dazu? Ich kann teilweise ganze Sätze, aber bin zu unsicher, was falsches zu übersetzen, weil ich die Sprachen nicht gelernt habe.

    Die "Ausweichmöglichkeit" "Und lass uns nicht in Versuchungen geraten..", lasse ich mal beiseite, denn das heißt für mich im Prinzip das gleiche, wie das, was Luther übersetzt hat.

  • ka me eisenenkeis hemas eis peirasmon
    alla rhusai hemas apo tou poneru.

    Soweit ich geschaut habe, ist das me ein "nicht" in einem Aufforderungssatz; nach dem Motto: "Bitte nicht!"

    Aach, was hat sich mein Vater schon den Kopf darüber zerbrochen! - Schande über mein Haupt - NACHLESEN!! (und ich hatte eine uralte Patientin, Mittelschullehrerin, mit der ich bei jedem Hausbesuch das Vaterunser griechisch beten musste!)


    " - kai mh eisenegkhs hmas eis peirasmon - - " (Matthäus und Lukas !)

    eispherw = hineintragen Stammformen von pherw: pherw - oisw (=Futur) - hnegkon (Aaorist) - enhnoxa (Perfektum)

    Das heißt ganz einfach und eindeutig: Du hast uns (bisher) nicht in Versuchung geführt - Aorist als die "Universalvergangenheit", länger dauend, nicht endgültig)

    Ich werde das weiter zur Diskussion stellen !

    Nihil hic determino dictans : Conicio, conor, confero, tento, rogo, quero - -

    Leider kann ich nicht mit der alleinerziehenden Mutter aufwarten - -

    Einmal editiert, zuletzt von HeimoW (20. März 2015 um 19:48)

  • Zitat

    Das heisst ganz einfach und eindeutig : Du hast uns (bisher) nicht in Vesuchung geführt - Aorist als die "Universalvergangenheit", länger dauend, nicht entgültig)

    Danke Philo!

    Da musste ich erstmal ein paar Minuten drüber nachdenken, um ehrlich zu sein.

    "Du hast uns nicht in Versuchung geführt" - Das ist eine Feststellung; keine Bitte.

    Da Luther in seinem Brief vom Dolmetschen erläutert, warum er welche Dinge wie übersetzt hat (sinngemäß), möchte ich einfach verstehen, warum er es hier so übersetzt hat und nicht wie im Original.

    Er war vielleicht nicht ganz so fit im Hebräischen, aber Griechisch konnte er, deswegen suche ich das zu verstehen.

    Wie gesagt: ich kenne das Vaterunser als (da ist sich die Theologie einig) typisch Hebräisches Gebet (Avinu shebeshamajim).

    Diese Stelle soll ein Parallelismus sein:

    Nicht-in-Versuchung-führen / Vom-Bösen-erlösen.

    Allerdings drückt das Hebräische sich positiv aus, was in deiner Original-Übersetzung anklingt:

    Du führst uns nicht in Versuchung,
    sondern du erlöst uns von dem Bösen.

    Wenn man das ganze Vaterunser so spricht, dann ist es (mit großem Verlaub) eigentlich kein Gebet mehr, oder?

  • Du führst uns nicht in Versuchung,

    Hallo Simon
    Widerspricht es der Güte Gottes, Menschen in Versuchung zu führen?

    Sind wir da einer Meinung mit Jakobus „Du versuchst niemanden!“ oder hatte Jesus einen schlechten Tag, als er uns das beten lehrte und sagte: „Führe uns nicht in Versuchung!“ Sind wir es, die schnell dazu geneigt wären, diese Vorstellung abzutun, weil uns diese Vorstellung eines „versuchenden Gottes“ nicht in’s Bild passt? Ist Gott für den demokratisch empfindenden Menschen nur als Herr akzeptabel , wenn er so regiert, wie es uns gefällt - und da wir nicht in Versuchung geführt werden wollen, führt Gott auch nicht in Versuchung?

    Gott führt Gläubige in Versuchungen, wie er auch seinen Sohn durch den Teufel versuchen ließ, damit ihr Glaube durch die Versuchungen wachse. Jede Versuchung, der wir widerstehen, lässt uns wachsen im Glauben, aber jede Versuchung bringt auch eine eigene Entscheidung: Natürlich, die Reaktion auf unsere „Versuchung“ kann uns auch zum Fallen bringen und ob dieser Gefahr dürfen wir beten: Führe uns nicht in Versuchung! Vielleicht „bauen“ wir uns lieber einen Gott der uns gefällt und dann sagen wir: Das ist (m)ein wahrer Gott! Wie jetzt?

    Gott, der selbst Menschen in Versuchung führt, so dass der Gefallene alle Schuld auf Gott wirft, um sich rein zu waschen?
    oder
    Gott, der niemanden in Versuchung führt, weil uns das eine zu bedrohliche Vorstellung ist?


    Liebe Grüße

  • @gabriel87:

    ich bin der Meinung, dass Gott sehr wohl in Versuchung führt!

    Deshalb sträube ich mich ja auch so gegen diese neue Umwandlung des Gebets.

    Ich möchte nur ggf. sprachlichen Hintergrund haben.

  • Deshalb sträube ich mich ja auch so gegen diese neue Umwandlung des Gebets.

    Auch ich war überrascht.

    Über die Verwendung des Aorist "fährt die Eisenbahn" - noch dazu bei einem unregelmäßigen Verb, bei dem man nicht nur eine Vorsilbe verloren oder einen Vokal falsch kopiert hat - und ich werde ein paar Neutestamentler anschreiben.

    Wir wollen Luther keinen Vorwurf machen, aber er ist - wie ich aus einem Vergleich der Psalmenübersetzungen weiß - doch sehr von der Vulgata und seinem liturgischen Latein beeinflusst (was uns auch passiert, Gott möge es verzeihen und wird es verzeihen) - dort steht der Konjunktiv des Präsens : "Ne inducas -" als Wunsch und Bitte.

    Nihil hic determino dictans : Conicio, conor, confero, tento, rogo, quero - -

    Leider kann ich nicht mit der alleinerziehenden Mutter aufwarten - -

    Einmal editiert, zuletzt von HeimoW (20. März 2015 um 19:55)

  • Deshalb sträube ich mich ja auch so gegen diese neue Umwandlung des Gebets.

    Ist klar :) Find' ich super, dass Du dich mit den sprachlichen Hintergrund so intensiv beschäftigst. :thumbup:


    Ich wäre - Schande über mein Haupt - ja nicht draufgekommen. Werde ich gefragt, so lese ich genau nach - und, Gabriel87, - siehe weiter oben - der Aorist lässt sich nicht wegdiskutieren.
    Über das mh kann man sehr wohl Fragen stellen.

    Seltsam ist, dass der katholische Neutestamentler Kosnetter, in dessen Vorlesungen ich gegangen bijn, über alle möglichen Fehler ( besser "Fehler") der Lutherübersetzung samt dem Original und den vielen Revisionen - hergezogen ist, aber diese Stelle nicht erwähnt hat. No na, sie ist ja auch eine zum lateinischen "Pater noster - -sed libera nos a malo" passende Formulierung.


    Die nächsten Mails gehen an universitäre STA - Neutestamentler.

    Nihil hic determino dictans : Conicio, conor, confero, tento, rogo, quero - -

    Leider kann ich nicht mit der alleinerziehenden Mutter aufwarten - -

    Einmal editiert, zuletzt von HeimoW (20. März 2015 um 19:56)

  • Hallo :)

    Deshalb sträube ich mich ja auch so gegen diese neue Umwandlung des Gebets.

    Ist klar Find' ich super, dass Du dich mit den sprachlichen Hintergrund so intensiv beschäftigst.

    Ich wäre - Schande über mein Haupt - ja nicht draufgekommen. Werde ich gefragt, so lese ich genau nach

    philoalexandrinus: Es tut mir leid, wenn ich mit dieser Aussage einen falschen Eindruck bei Dir erweckt habe, es war nicht meine Absicht Dich zu kränken oder zu beleidigen. Bitte nimm es nicht persönlich. Ein Forenbeitrag kann ja schnell mal zu Missverständnissen führen... Wenn Du meine Aussage "persönlich" genommen hast und Dich meine Aussage gekränkt oder beleidigt haben sollte, so möchte ich Dich um Verzeihung bitten.
    :weissefahne:

    Gabriel87, - siehe weiter oben - derAorist lässt sich nicht wegdiskutieren.
    Über das mh kann man sehr wohl Fragen stellen.

    Lieber philoalexandrinus, dass möchte und kann ich nicht wegdiskutieren. Ich verfolge das Thema hier mit großer Spannung und Neugier - Finde es klasse, wie sorgfältig ihr Beide (Du & Simon) die Worte untersucht, ihren Zusammenhang, die literarische Form und den kulturellen Kontext. Ihr leistet großartige Arbeit, ein herzliches Dankeschön dafür! :thumbup:

    Der geneigte Etymologe wird mit meinen Beitrag bzgl. "Führe uns nicht in Versuchung" wenig anfangen können. Wie Simon ja bereits beim Eröffnung des Themas schrieb, sollte es nicht dazu dienen, dass Wörter "lang und breit" "theologisch" diskutiert werden. In meinem Beitrag wollte ich es etwas "theologisch" anklingen lassen, dass ein gute Übersetzung nicht gleich eine wortwörtliche Übersetzung sein muss. Möglicherweise finden wir in jeder Textversion der Bibel etwas Interpretation oder eine Paraphase des ursprünglichen Textes vor. Die "New English Bible" z.B. übersetzt 1. Korinther 14,13: "Der Mann, der in ekstatische Rede verfällt", während eine strenge "wortwörtliche" Übersetzung lauten würde: "Derjenige, der in einer Zunge spricht." - Was ich so mitbekommen habe, sind einige Geschwister dem "Charisma der Zungenrede" kritisch gegenüberstehend. Die Zungenrede als "ekstatische Rede" zu bezeichnen, mag eventuell so manchen beunruhigen. Es mag dazu dienen, die schlimmsten Vorstellungen mancher Leute über dieses Charisma zu bestätigen. Als Übersetzung vielleicht sogar nicht akkurat, als Paraphase womöglich irreführend.

    Bitte versteh' mich nicht falsch - Ich möchte damit nicht sagen, dass ich eure "Arbeit" die Begriffe der Bibel exakt zu durchleuchten als gering einschätze, im Gegenteil! Auch wenn ich Dir, lieber philo, anfänglich mal ein "Halbwissen" aus welchen Gründen auch immer unterstellt habe, weil ich mich grundlos persönlich angegriffen fühlte. Das tut mir übrigens heute noch leid. :patsch:
    Anhand meiner damaligen unchristlichen und beleidigenden Verhaltensweise kann man sehr schön erkennen, dass eine "rein intellektuelle Kenntnis" der Schrift einen streitsüchtigen und spalterischen Geist hervorrufen kann, und mein Verhalten damals kann kaum "bibeltreu" sein, wenn das Wort Gottes sagt, dass es eine "Frohe Botschaft" ist, welche Gesundheit und Leben schenken möchte. Es ist der Heilige Geist, der das Wort "lebendig und kräftig" hält, es ist der Geist des himmlischen Papa's, der Leben gibt.

    Eine genaue Betrachtung und Untersuchung der Worte ist sehr hilfreich - Keine Frage! Wenn ich sage, dass die Bibel "meine Autorität" ist, bedeutet es für mich, dass ich mein "theologisches Denken" durch ihre Worte prüfe und mein Leben durch ihre stärkenden Worte verändern lasse - Sie formt meine Gedanken, Emotionen, Wünsche, Hoffnungen und meinen Willen. Mit großer Sicherheit kenne ich mich in der Etymologie nicht so gut wie Du oder Simon aus.

    So bleibt abschließend nur noch zu sagen:
    Ich kann es nur empfehlen, das Wort Gottes unter "gebetsvollem Studium" zu betrachten - Es ist im "wörtlichsten Sinn" ein Erlebnis, das mein Leben verändert hat. :happy:


    Liebe Grüße und ein schönes Wochenende!

    2 Mal editiert, zuletzt von James Gabriel (20. März 2015 um 14:24)

  • philoalexandrinus:

    @gabriel87:

    erstmal Danke! Toller Diskurs, finde ich.

    Philo, ignorieren will ich die Übersetzung ganz und gar nicht! Wenn du sagst, das stehe im Grundtext, glaube ich dir das unbesehen, denn du hast schon ein paar Mal gezeigt, dass du das Griechische kennst.

    Ich will nochmal meine Motivation erklären:

    Übersetzungen sind teilweise Meinungsbildend.

    Die Tante meiner Frau (die auch Jugendgruppen leitet) erzählt gerne recht laut: "Gott führt nicht in Versuchung!"

    Sie beruft sich dabei auf Ruth Lapide, die sagt: "Das Vaterunser ist ein typisch jüdisches Gebet!" - Dort stehe nicht "führe uns NICHT in Versuchung", sondern "führe uns IN der Versuchung".

    Ich höre Ruth Lapide teilweise sehr gerne (habe schon viel von ihr gehört), aber muss sagen: Sie hat eine extrem "jüdische Brille". Zudem liebt sie es, stetig darauf hinzuweisen, was Luther alles falsch gemacht hat.

    Es soll hier nicht um Luther gehen; ich will ihn nicht glorifizieren. Aber seine Übersetzungsleistung finde ich enorm.

    Der Punkt ist: Es ist ein hebräisches Gebet, das stimmt. Aber es ist im Griechischen geschrieben.

    Daher wollte ich wissen, was der griechische Text sagt.

    Ruth Lapide will einige Sachen geändert haben, die teilweise Grundpfeiler der christlichen Lehre sind. Deshalb kann ich diese Frau nicht immer ganz ernst nehmen; sonst hackt sie uns alles kurz und klein.

    Woher sie (als Jüdin) die Behauptung nimmt, Gott führe nicht in Versuchung, kann ich auch nicht nachvollziehen; ich habe schon viele Schiurs (Predigten) von Rabbinern gehört, die genau das Gegenteil sagen: natürlich führt er in Versuchung. Um uns zu prüfen und zu schleifen.

    Wir sollen lernen. Ohne Versuchungen lernen wir nichts.

    Was das Gebet betrifft. Ich glaube, es geht schon um den sinnigen Gehalt. Luther hat die Sätze als Bitten bzw. Hoffnungen formuliert.

    Würde ich die genaue Übersetzung (wie von Philo vorgestellt) weiterführen, würde das Gebet so lauten:

    Vater unser im Himmel,

    dein Name ward geheiligt, [dein Name ist geheiligt]
    dein Reich ward gekommen, [dein Reich ist gekommen]
    dein Wille ist geschehen,
    wie im Himmel so auf Erden.
    Du gabst uns unser tägliches Brot heute [du gibst uns unser tgl. Brot heute],
    und du hast uns unsere Schuld vergeben,
    wie auch wir vergeben haben unsern Schuldigern.
    Und du hast uns nicht in Versuchung geführt,
    sondern du hast uns vom Bösen erlöst.

    Klingt nicht schlecht... Das ist aber eher ein Bekenntnis, kein Gebet; es macht Feststellungen. Da sind keine Bitten und keine Hoffnungswünsche drin, sondern reine Feststellungen.

    Versteht ihr, was ich meine...?

    • Offizieller Beitrag

    In der Elberfelder Studienbibel steht in der Anmerkung als Erklärung zur Übersetzung Folgendes:

    Zitat

    Der Konjunktiv Aorist als Imperativ verwendet (kaim), untersagt normalerweise eine Handlung, die noch nicht im Gange ist, und fordert so dazu auf, sie nicht zu beginnen.
    Beispiel: Mt 6,13 me »nicht« eisenenkes (Konjunktiv Aorist von »hineinführen«) hemas »uns« eis peirasmon »in Versuchung«. Wenn wir so gelehrt werden, Gott zu bitten, dass er uns nicht in Versuchung führe, beinhaltet das, dass er nicht dabei war, das zu tun. Vgl. dagegen Imperativ Präsens.

  • Im Gebet sagt man nicht: "Herr, ich weiß zwar, dass du mich nicht versuchst, sondern eigentlich macht das Satan, aber lass es wenigstens nicht zu..." - So redet doch keiner (hoffentlich).


    Doch. Auch wenn ich damit kurz abschweife oder nur etwas einwerfe, das nicht groß diskutiert werden muss, ich lese derzeit unter anderem an der Biografie von Fritz Raddatz über Karl Marx. Wirklich sympathisch wird Marx dadurch nicht. So berichtet er Arnold Ruge, einem Freund oder Bekannten, von seiner Liebe zu der Frau, die er gerade zu heiraten betreibt:

    Zitat

    Ich kann Ihnen ohne alle Romantik versichern, daß ich von Kopf bis Fuß und zwar allen Ernstes liebe. Ich bin schon über sieben Jahre verlobt und meine Braut hat die härtesten, ihre Gesundheit fast untergrabenden Kämpfe für mich gekämpft.

    [quelle]Fritz Raddatz: Karl Marx. Eine politische Biografie. Hoffmann und Campe, Hamburg 1975, ISBN 3-455-06010-2, S. 57[/quelle]
    Was Marx unter Liebe verstand, ist schwer zu sagen. Nach meiner bisherigen Lektüre habe ich Schwierigkeiten das Wort mit ihm in Verbindung zu bringen; es sei denn im Kompositum "Eigenliebe". Vermutlich empfand er als Liebe die gewisse Wahrnehmung, dass jemand anderes Karl Marx ausdauernd liebt und ihm nützt. Jedenfalls spricht eine Formulierung wie "Ich kann Ihnen versichern, dass ich allen Ernstes liebe." eher für das Gegenteil von Liebe; möglicherweise gäbe sie eine gute Liebeserklärung eines Verwaltungsangestellten an seinen Aktenschrank ab.

    "Prüft alles und, was gut ist,
    das behaltet. Aber was böse ist,
    darauf lasst euch nicht ein..."

    1. Thessalonicher 5, 21.22

    "Wähle das Leben, damit du lebst."
    5. Mose 30, 19

  • Daniels:

    das mag so sein und ist legitim! Wie eine Einzelperson sich ausdrückt und mit Mensch oder Gott kommuniziert, ist ihm vollkommen überlassen.

    Jeder darf für sich so mit Gott reden, wie es seine Art ist und ihm gut tut.

    Es darf auch jeder in seine Bibel andere Übersetzungen reinschreiben, wenn ihm das zum Verständnis hilft. (Oder er schreibt direkt ne eigene, wenn alles bisherige so falsch und schrecklich ist!)

    Aber so kann man keine Übersetzungen für "das Volk" machen. Irgendwas muss da halt letztlich stehen. Man kann vielleicht noch ein paar Glossen machen, um auf andere Varianten hinzuweisen, aber das ist dann auch genug.

    Es muss etwas übersetzt werden, was das gemeine Volk auch verstehen kann; das war Luthers Hauptanliegen.

    Der Deutsche aus dem 16. Jh. ist nicht das gleiche, wie der Hebräer aus dem Jahre 30.

    Es gibt heute einige solcher Varianten:

    Übersetzungen, die alle scharfen Punkte relativieren, damit die Gemeinheit (der Mensch aus dem 21. Jh.) sich nicht mehr dran stößt.

    Wo früher stand: "Ich hasse das!", steht heute: "Ich mag das nicht!"

    Wo früher stand: "Ihr Brüder!", steht heute: "Ihr Brüder und Schwestern!" [Ich verspreche dir, irgendwann wird da stehen: "Ihr Schwestern und Brüder!", weil man Damen ja zuerst nennt...]

    Wo früher stand: "Führe uns nicht in Versuchung", wird stehen: "Führe uns in der Versuchung", oder "lass uns nicht in die Versuchung geraten, in die der Teufel uns führen will" usw.

    Ich halte es für absurd. Und mit genauer Übersetzung hat das absolut nichts zu tun.

  • Wo früher stand: "Führe uns nicht in Versuchung", wird stehen: "Führe uns in der Versuchung", oder "lass uns nicht in die Versuchung geraten, in die der Teufel uns führen will" usw.

    Ich halte es für absurd. Und mit genauer Übersetzung hat das absolut nichts zu tun.


    Ich stimme Dir zu; allerdings bin ich nicht imstande den Originaltext zu lesen. Anläßlich eines Abends zum Vaterunser in einer Baptistengemeinde vor einigen Jahren, kam auch die Rede darauf, dass manche den Satz in etwa auslegen als "und führe uns, so wir in Versuchung geraten sind", also "führe uns in [der] Versuchung".

    Natürlich frage ich mich, ob nicht der Wunsch der Vater dieser Auslegung ist. Außerdem fällt mir bei dieser Erörterung die Geschichte Hiobs ein. Ob das nun eine Lehrfabel ist oder was auch immer für eine literarische Form, jedenfalls ist darin Gottes Oberherrschaft und Beteiligung an den Versuchungen Hiobs nicht zu übersehen.

    "Prüft alles und, was gut ist,
    das behaltet. Aber was böse ist,
    darauf lasst euch nicht ein..."

    1. Thessalonicher 5, 21.22

    "Wähle das Leben, damit du lebst."
    5. Mose 30, 19

  • Außerdem fällt mir bei dieser Erörterung die Geschichte Hiobs ein. Ob das nun eine Lehrfabel ist oder was auch immer für eine literarische Form, jedenfalls ist darin Gottes Oberherrschaft und Beteiligung an den Versuchungen Hiobs nicht zu übersehen.

    Ja, ich finde Hiob ist ein gutes Beispiel. Was ich aus seiner Geschichte für mich persönlich erkenne, ist, dass die Versuchung auch am Thron Gottes "vorbei" muss. Der Versucher brauchte die Erlaubnis des Allmächtigen bevor er Hiob versuchen konnte.

    Elihu sagte zu Hiob: "Das was Gott zugelassen hat, ist wertvoll, auch wenn wir Menschen es nicht verstehen, warum Gott es zugelassen hat." Was mir sehr gut gefällt, ist der Ausspruch Hiobs: "Wenn wir das gute aus Gottes Hand annehmen, so wollen wir doch auch das Schwere aus Gottes Hand annehmen." Doch Gott prüft uns nie in einer Weise, die wir nicht ertragen können: „Noch ist keine Versuchung über euch gekommen, die den Menschen überfordert. Gott ist treu; er wird nicht zulassen, dass ihr über eure Kraft hinaus versucht werdet. Er wird euch in der Versuchung einen Ausweg schaffen, so dass ihr sie bestehen könnt.“ (1. Kor 10,13)

    Selbst wenn wir die Versuchung oder das Leid nicht verstehen: "Wir wissen aber, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt." (Röm 8,28)