Beschneidung vs. Kindertaufe

    • Offizieller Beitrag

    Hallo zusammen,

    wie HIER schon angekündigt, möchte ich die Frage Beschneidung vs. Kindertaufe in einem Thema ausführlich behandeln.

    Es geht mir in erster Linie um die Thematik: Wenn man biblisch davon überzeugt ist, dass die Kindertaufe als unfreiwilliger Akt und quasi Zwangsbeglückung eines Menschen den Aussagen der Bibel zur freien Entscheidung FÜR Gott widerspricht, warum geschieht der Akt der Beschneidung dennoch im Alter von 8 Tagen nach der Geburt?

    Bibeltext dazu aus der ELB:

    1 Mo 17/10 Dies ist mein Bund, den ihr halten sollt, zwischen mir und euch und deinen Nachkommen nach dir: alles, was männlich ist, soll bei euch beschnitten werden; 17/11 und zwar sollt ihr am Fleisch eurer Vorhaut beschnitten werden! Das wird das Zeichen des Bundes sein zwischen mir und euch. 17/12 Im Alter von acht Tagen soll alles, was männlich ist, bei euch beschnitten werden, durch eure Generationen, der im Haus geborene und der von irgendeinem Fremden für Geld gekaufte [Sklave], der nicht von deiner Nachkommenschaft ist; 17/13 beschnitten werden muß, der in deinem Haus geborene und der für dein Geld gekaufte [Sklave]! Und mein Bund an eurem Fleisch soll ein ewiger Bund sein. 17/14 Ein unbeschnittener Männlicher aber, der am Fleisch seiner Vorhaut nicht beschnitten ist, diese Seele soll ausgerottet werden aus ihrem Volk; meinen Bund hat er ungültig gemacht!


    Mir geht es rein um den Aspekt der Freiwilligkeit. Dieser Aspekt ist aus meiner derzeitigen Sicht bei der Beschneidung, ebenso wie bei der Taufe verletzt. Denn wer sagt denn, dass dieser 8-Tage alte Bub überhaupt zum Volk dazugehören möchte? Die später, im Alter von 13 Jahren durchgeführte Bar Mitzvah ist eine jüdische Einrichtung und keine direkt von Gott geforderte Handlung.

    Wie könnte man das einem Katholiken erklären, der die Kritik an der fehlenden Freiwilligkeit bei der Kindertaufe mit dem Argument der ebenso fehlenden Freiwilligkeit bei der Beschneidung, vom Tisch wischt.

    Vielleicht wäre eine Aufstellung, WAS genau bei der Kindertaufe passiert und WAS genau bei der Beschneidung passiert, hilfreich. Aus dem Vergleich würden wir möglicherweise schlauer...


    Bin gespannt auf eure Gedanken,

    Tricky

  • Die Beschneidung ist ein äußeres, bleibendes Zeichen der Volks- Zugehörigkeit und das Zeichen des Bundes zwischen Gott und seinem Volk. Ein geborener Jude bleibt bis an sein Lebensende Jude, auch, wenn er sich vom Volk mental oder physisch entfernt (hat). Gottes Vok ist der Representanten Gottes auf Erden. Ob in Treu oder Untreu - Gott zeigt an ihm Seine Wunder..

    Warum Beschneidung grade am 8.Tage, selbst wenn dieser Tag auf den Sabbat oder YomKippur fällt:

    Dafür ist die Taufe ein persönliches Bekenntnis, ein Zeichen der Wiedergeburt. Was bei einem Säugling oder einem Kind unmögich ist. Denn ein Kind oder Säuging hat noch "keine Vergangenheit", der er absterben muss.

    .

  • Ich glaube es würde sich lohnen erstmal etwas genauer auf die Beschneidun einzugehen als gleich wieder den Hammer hervorzuholen und auf die Kindertaufe einzuprügeln (nicht dass das schon geschehen ist, aber ich sehe eine gewisse Gefahr,dass der Fred schnell abgleitet).
    Ich muss ehrlich sagen, ich weiss sehr wenig über die Beschneidung und es würde mich freuen, wenn ich da ein wenig aufgeklärt werde. Am liebsten rein informativ und wertfrei.

    Liebe Grüsse
    DonDomi

    • Offizieller Beitrag

    Die Beschneidung ist ein äußeres, bleibendes Zeichen der Volks- Zugehörigkeit und das Zeichen des Bundes zwischen Gott und seinem Volk.

    Das ist als Faktum, als quasi Fakt im Fleisch logisch. Die Frage ist, ob jemand, der gar nicht im Bund sein will, der einfach nur in das Volk hineingeboren wurde, aber einfach keine Lust hat auf einen Bund mit Gott, auch immer noch zwanghaft ein Volkszugehöriger ist. Paulus spricht sehr deutlich davon:

    Röm 2/28 Denn nicht der ist ein Jude, der es äußerlich ist, noch ist die äußerliche [Beschneidung] im Fleisch Beschneidung; 2/29 sondern der ist ein Jude, der es innerlich ist, und Beschneidung [ist die] des Herzens, im Geist, nicht im Buchstaben. Sein Lob kommt nicht von Menschen, sondern von Gott.


    Ein geborener Jude bleibt bis an sein Lebensende Jude, auch, wenn er sich vom Volk mental oder physisch entfernt (hat).

    Also so wie ich ein Österreicher bleibe, auch wenn ich mich mental oder physisch von Österreich entferne?
    Im Übrigen erkenne ich hier eine Übereinstimmung mit dem katholischen Selbstverständnis der Taufe. Auch hier gilt die Taufe lebenslang, egal ob man sich mental oder physisch vom (in diesem Fall katholischen) Volk entfernt.
    Das wäre also eine ziemliche Übereinstimmung zwischen Kindertaufe und Beschneidung.

    Gottes Vok ist der Representanten Gottes auf Erden. Ob in Treu oder Untreu - Gott zeigt an ihm Seine Wunder..

    Da bin ich anderer Meinung. Aber besprechen wir das lieber in den schon vorhandenen Themen zur Volkszugehörigkeit. Hier in diesem Thema soll es um Vergleiche, Gemeinsamkeiten und sachliche Betrachtung der Kindertaufe im Unterschied zur Beschneidung gehen.


    Ich glaube es würde sich lohnen erstmal etwas genauer auf die Beschneidun einzugehen als gleich wieder den Hammer hervorzuholen und auf die Kindertaufe einzuprügeln (nicht dass das schon geschehen ist, aber ich sehe eine gewisse Gefahr,dass der Fred schnell abgleitet).

    Du triffst da ganz meine Intention mit dem Thema. Er soll keineswegs als Bashing gegen die Kindertaufe gesehen werden. Es geht um eine sachliche Aufarbeitung der Unterschiede. Was genau interessiert dich denn an der Beschneidung? Sind das eher einschlägige Bibeltexte, oder sonstige Infos?

  • Mich interessieren mehr die Geplogenheiten zur damaligen Zeit. Auch dieses Bar Mizvah würde mich interessieren. Mich würde auch interessieren, wie das verstanden wurde.

    Liebe Grüsse
    DonDomi

  • tricky – Ich finde, dass Stofi den Sinn der Beschneidung hier gut auf den Punkt gebracht hat:

    Zitat

    Die Beschneidung ist ein äußeres, bleibendes Zeichen der Volks- Zugehörigkeit und das Zeichen des Bundes zwischen Gott und seinem Volk. Ein geborener Jude bleibt bis an sein Lebensende Jude, auch, wenn er sich vom Volk mental oder physisch entfernt (hat).


    Und du selber zitierst ja auch die passende Stelle dazu aus 1. Mose 17. Sinn der Beschneidung ist demnach das sichtbare Zeichen der Volkszugehörigkeit, einmal in der Zugehörigkeit zu einer Gruppe, dann aber der religiösen Zugehörigkeit zu dem speziellen Bündnis mit Gott.

    Ich habe hin und her überlegt, ob man Beschneidung und Kindstaufe überhaupt miteinander vergleichen sollte. Mir sind die Argumente pro Erwachsenentaufe und gegen die Kindstaufe schon klar. Als Ähnlichkeit sehe ich einfach, dass beides auch ein Zeichen, eine Deklaration für eine Zugehörigkeit ist. Man könnte auch argumentieren, dass mit der Kindstaufe für das Kind selbst und nach aussen deklariert wird, wie man sich als Eltern die Zugehörigkeit (zu einer Kirche) und den Lebensweg vorstellt. Mein Eindruck ist, dass der Begriff „Taufe“ in diesem Zusammenhang ein wenig überstrapaziert wird, weil er im Verständnis der Menschen doch ganz unterschiedliche Erwartungen beinhaltet. Beschneidung und Kindstaufe als menschlich(!) notwendige Riten?

    • Offizieller Beitrag

    Hallo tricky,

    für deine Frage sollte man von der Tatsache ausgehen, dass die NT-Taufe nicht gleich AT-Beschneidung ist. Taufe hat die Beschneidung nicht ersetzt (wie von vielen Christen gesehen wird), es handelt sich um völlig verschiedene "Rituale".

    Gott hat die Israeliten rausgeführt und ihnen sofort gute Gebote gegeben. Ob man mit Gott sein wollte oder nicht - war damals gar nicht die Frage. Die Menschen waren religiös, und sie würden dem wahren Gott dienen. Gott offenbarte sich dem Volk in Zeichen und Wundern, damit sie nicht zweifeln, dass es der wahre Gott ist, der sie führt. Deshalb sagte Gott auch in der Thora, dass man von diesen Zeichen und Wundern den Kindern und Kindeskindern weitererzählen sollte, damit sie vom wahren Gott und Seinen Geboten nicht abweichen. Ein anderes Aspekt ist, dass es für einen Menschen bzw. einen Israeliten die höchste Ehre war, dem wahren Gott zu dienen und ein Israelit zu sein. Deine Frage, ob sich jemand gegen Gott entscheiden könnte, ist nur theoretischer Natur. Praktisch wäre das nur ausnahmsweise der Fall gewesen, weil, wenn der wahre Gott mit uns ist, uns beschützt und segnet und das ewige Leben verspricht, muss man absolut "dämmlich" sein, sich gegen Gott zu entscheiden. Gott sagte auch etwa so: ..damit die Völker erkennen, welch gute Gebote Gott gegeben hat und dass Er der wahre Gott ist und sonst keiner, damit die Nationen es erkennen und zu Gott kommen (bzw. Israeliten werden). Hätten die Christen heute die Liebe und Gnade des Herrn in der Kraft des Heiligen Geistes ausgestrahlt wie Jesus es möchte, würden weit mehr Menschen zu Gott konvertieren. Und wer in einer gläubigen Familie aufgewachsen ist, wem die Liebe und Segen Gottes richtig beigebracht wurde, der wird sich kaum gegen Gott entscheiden wollen. Meistens passieren solche Entscheidungen heute entweder aufgrund falscher Erziehung, oder zu großer Vergnügungsverführungen in unserer Zeit. Deshalb denke ich, die Entscheidung eines Israeliten gegen Gott - das ist nur eine theoretische Frage, die mit der Praxis nicht übereinstimmt(te). Aus diesem Grund schreibt zum Beispiel Ellen White, dass auf den Eltern eine sehr große Verantwortung für die Erziehung der Kinder liegt, weil sie (die Erziehung) spätere Entscheidungen des Kindes stark formiert und beeinflusst.

  • Medizinische & hygienische Begründungen sind ja bekannt, ebenso wie das Brauchtum aus ägyptischem Hintergrund usw.

    Und wie immer erklären diese äußerlichen Faktoren nicht, worum es geht. Hygiene ist ein Nebeneffekt, denn Gott gibt keine "dreckigen Gebote", aber sie erklärt nichts.

    Warum die Beschneidung des Männlichen als Bundeszeichen?

    Die Beschneidung symbolisiert Entbehrung für Gott; Schmerz & Sterben. Es wird etwas am Körper weggenommen, dass der Mensch nicht unbedingt braucht.

    Der Bund muss mit Blut geschlossen werden. Es muss Blut fließen und es muss etwas entbehrt werden als Zeichen. Das ist der Sinn.

    Dieser Bund wird dem Volk voraus-gesetzt! Es geht überhaupt nicht um eine "Willensbestätigung" des einzelnen Menschen; die spielt keine Rolle.

    Das Zeichen wird auf-erlegt und vorausgesetzt und der Mensch kann später im mündigen Alter be-stätigen (Bar Mizwa/ Konfirmation).

    Warum am 8. Tag?

    Weil das Leben nicht irgendwann erst schmerzhaft wird, sondern mit Schmerz beginnt!

    Der 8., weil dieser Bund der Schöpfung (7) hinzu-gefügt wird als eine Anordnung, und somit das Volk aus-sondert.

    Es geht primär nicht um Hygiene oder Ästhetik, wie bei den Ägyptern, sondern im Judentum um etwas ganz anderes.

    Warum die Frauen nicht?

    Weil die Frauen die Bedeutung von Schmerz & Tod bereits in sich haben: Schwangerschaft, Geburt, Menstruation.

    In der Schöpfungsgeschichte steht Adam nicht für "den Mann" und Eva für "die Frau",

    sondern Adam steht für "DEN Menschen" und Eva für "DAS Leben".

    Adam steht für den lebenden Menschen (das Individuum), Eva steht für den Lebensverlauf (die Biografie).

    Erst nach Gottes Sanktionsworten nennt Adam sie Chawah: Mutter allen Lebens. Denn erst mit der Vertreibung beginnt das "neue Leben" fortan mit Schmerz.

    Die Frau hat den Prozess von Leben & Tod bereits physisch in sich in-tegriert durch den Menstruationszyklus.

    Deshalb verstehen wir Kerle auch die Schmerzen und Empfindungen der Frauen nicht, weil sie ungleich anders sind.

    In den weiteren Geschichten sehen wir auch: WER "lenkt" denn die Biografien? Die Frauen, nicht die Männer! Sarai, Leah, Rebekka usw.

    Ist doch bis heute so! Was veranlasst den Mann, sein Leben wirklich umzugestalten, Entwicklungen zu machen? - Erst die Mutter, dann die Frau oder Partnerin.

    (Archetypisch gesprochen! Ich weiß, dass das auch anders sein kann!)

  • Ich habe hin und her überlegt, ob man Beschneidung und Kindstaufe überhaupt miteinander vergleichen sollte. Mir sind die Argumente pro Erwachsenentaufe und gegen die Kindstaufe schon klar. Als Ähnlichkeit sehe ich einfach, dass beides auch ein Zeichen, eine Deklaration für eine Zugehörigkeit ist. Man könnte auch argumentieren, dass mit der Kindstaufe für das Kind selbst und nach aussen deklariert wird, wie man sich als Eltern die Zugehörigkeit (zu einer Kirche) und den Lebensweg vorstellt.

    Hallo Doriane,

    es wird Dich sicherlich nicht wundern, dass ich als Volkskirchlicher schon der Meinung bin, dass die Taufe als Nachfolge der Beschneidung gesehen werden kann. Zumindestens für uns Christen.

    Die Beschneidung dokumentierte eine Zugehörigkeit zum Volk, wie im vorherigen Beitrag von Seele1986 ganz hervorragend dargelegt.

    Da das Christentum sich als neues Volk Gottes sieht, ist ein solcher Akt in dieser Religion ebenfalls naheliegend. (Nebenbei gesagt ist die Taufe auch etwas mehr geschlechtergerecht). Ob man in ein Volk hineinboren werden möchte oder nicht, kann man sich im richtigen Leben ja auch nicht aussuchen. Du bist es mit der Geburt automatisch. Aber selbstverständlich steht Dir das Menschenrecht zu, später auszuwandern, wenn DU denn entscheidungsfrei bist.

    Das Neue Testament äußert sich zur Kindertaufe nicht ganz eindeutig, steht ihr aber auch nicht entgegen. Die Menschen, über die eine Erwachsenentaufe berichtet wird, haben das Evangelium erst in der Mitte ihres Lebens kennen gelernt. Was zu dieser Zeit ja auch nicht anders ging.

    Darüber, wie für Kinder mit bereits christlichen Eltern zu verfahren ist, finden wir im NT nichts. Streng genommen müsste man sie ja sogar heidnisch erziehen, um ihnen die Möglichkeit einer Bekehrung nicht zu verbauen. Das halte ich aus naheliegenden Gründen aber für nicht sehr sinnvoll.

    Wie Du siehst, argumentiere ich da eher lebenspraktisch. Eine bewusste Entscheidung zum christlichen Glauben lässt sich aber eh nicht durch eine „Erwachsenen“taufe oder Konfirmation/Firmung herbeiführen. Wie alt sind denn in der Regel Täuflinge, die bereits freikirchliche Eltern haben?

    Wie viel und wie weit der christliche Glaube wirklich trägt, zeigt sich frühestens erst mit der ersten Lebenskrise, die früher oder später jeden erwischt, der das Glück hat, ein normales Lebensalter zu erreichen.

    Bis dahin sind alle christlichen Bekenntnisse, egal welcher Art, lediglich gut gemeinte Absichtserklärungen.

    Da sich ein solcher Entscheidungspunkt aber nicht herbeizwingen lässt und man Krisensituationen auch nicht künstlich vorziehen kann, bleibt jungen Menschen allerdings auch nicht viel anderes übrig, als sich so zu verhalten, wie sie es mit einer Taufe oder Konfirmation tun.

    Herzliche Grüße, B.

    Einmal editiert, zuletzt von Babylonier (14. Juni 2014 um 20:10)

  • Da sich ein solcher Entscheidungspunkt aber nicht herbeizwingen lässt und man Krisensituationen auch nicht künstlich vorziehen kann, bleibt jungen Menschen allerdings auch nicht viel anderes übrig, als sich so zu verhalten, wie sie es mit einer Taufe oder Konfirmation tun.

    Das ist ja der große Irrtum. Die Juden und manche Christen glauben das durch Äußelichkeiten eine Zugehörigkeit erreicht und Erlösung selbstverständlich ist.

    Jesus und die Bibel sprechen aber von Liebe auf Beziehungsebene! Von Kraft und Wachstum aus Glauben und Gesetz an Jesus Christus zu Glauben. Das ein Heiligunsprotzess mit sich bringt.

    Davon schreiben alle Apostel. Jeder der ein anderes Evangelium lehrt ist ein Falschlehrer!

    Deswegen ist die Erwachsennentaufe ein Bund mit Jesus, in dem sich Der Täufling an Jesus Bindet und Jesus Verheißungen sich erfüllen.

    Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Joh. 3,16

  • Zitat

    Zitat Babylonier
    Hallo Doriane, es wird Dich sicherlich nicht wundern, dass ich als Volkskirchlicher schon der Meinung bin, dass die Taufe als Nachfolge der Beschneidung gesehen werden kann. Zumindestens für uns Christen.


    Babylonier: - Ehrlich gesagt, es hatte mich doch gewundert. ;) Vielleicht auch einfach deswegen, weil ich mir noch nie Gedanken darum gemacht hatte, ob die Taufe so etwas wie ein Ersatz- oder Nachfolgeritus für eine Beschneidung sein könnte. Wobei Jacob der Suchende oben es auch anders zu verstehen scheint als du, wenn er schreibt:

    Zitat

    [...]für deine Frage sollte man von der Tatsache ausgehen, dass die NT-Taufe nicht gleich AT-Beschneidung ist. Taufe hat die Beschneidung nicht ersetzt (wie von vielen Christen gesehen wird), es handelt sich um völlig verschiedene "Rituale".


    In meiner Antwort an tricky war ich mir einfach unsicher gewesen, ob es zwischen beiden Handlungen überhaupt einen Zusammenhang gäbe. Hier die Beschneidung als Zeichen der automatischen Zugehörigkeit zu einem Volk mit einem speziellen Bündnis – dort die Taufe als individuelle Willensbekundung zum christlichen Glauben (was aber schon auch eine Gruppenzugehörigkeit mit einschliesst).

    Zitat

    Zitat Babylonier
    Ob man in ein Volk hineingeboren werden möchte oder nicht, kann man sich im richtigen Leben ja auch nicht aussuchen. Du bist es mit der Geburt automatisch. Aber selbstverständlich steht Dir das Menschenrecht zu, später auszuwandern, wenn DU denn entscheidungsfrei bist.


    Nein, man kann es sich nicht aussuchen. Ich würde sogar noch weiter gehen. Jeder (selbst wenn er nicht-religiös ist) wird in eine Kultur hineingeboren. Und trägt damit selbst als Nichtreligiöser das ganze Selbstverständnis, die Werte seiner Kultur (auch die religiöse Vorerfahrung) in sich. Umso mehr noch ein getaufter Christ.
    Daher ändert auch eine Auswanderung nichts, seine Kultur, sein Vorverständnis, sein Volk wird man nie abschütteln können.

    Um noch mal auf die Eingangsfrage von tricky zurückzukommen. Nein, freiwillig ist weder die Verpflichtung die man dem Kind mit der Beschneidung zumutet, noch eine Kindertaufe und auch eine Taufe, welche im Jugendalter stattfindet. Oder um Seele1986 zu zitieren: „Es geht überhaupt nicht um eine Willensbestätigung des einzelnen Menschen“. Muss es überhaupt freiwillig sein? Was wäre denn die Alternative?

    Ich denke, nicht zu erziehen, nicht vorzuprägen geht überhaupt nicht. Alleine durch Beschneidung oder Kindstaufe kommt man Gott nicht näher, schadet oder nützt man dem Kind nicht. Es ist eine Deklaration, eine Willenserklärung der Eltern. Den wirklichen Schritt muss der erwachsene Mensch selber tun. Ich sehe es damit ebenfalls eher lebenspraktisch.

    Zitat

    Zitat Bogi111
    Das ist ja der große Irrtum. Die Juden und manche Christen glauben das durch Äußerlichkeiten eine Zugehörigkeit erreicht und Erlösung selbstverständlich ist.


    Keine Ahnung, ob du das wirklich so gemeint hast, wie man es lesen könnte. Es ist mir unter Juden jedenfalls noch nie begegnet, dass man glauben würde, durch Äusserlichkeiten eine Erlösung zu erreichen. Das Tempelopfer wurde inzwischen abgeschafft...

  • Zitat

    Alleine durch Beschneidung oder Kindstaufe kommt man Gott nicht näher, schadet oder nützt man dem Kind nicht. Es ist eine Deklaration, eine Willenserklärung der Eltern.

    Vollkommen richtig.

    Die Beschneidung war kein "automatisches Bündnis", sondern (wie Gott ja sagt): Ein Zeichen des Bundes.

    Der Gedanke dahinter ist: Das Gute wird voran-gestellt, der Mensch muss antworten durch sein Leben. (Juden verstehen dieses Denken sehr gut: Erst der Abend, dann der Morgen).

    In diesem Sinne halten wir Evangelen es mit dem Taufverständnis auch: Es ist nichts "automatisches", sondern ein Zuspruch und dadurch Anspruch.

    Tut Buße und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden, so werdet ihr empfangen die Gabe des Heiligen Geistes.
    Denn euch UND euren Kindern gilt diese Verheißung und allen, die fern sind, so viele der Herr, unser Gott, herzurufen wird. (Apg. 2,38.39)

    Die Taufe ist beides, laut Bibel: einmal das Sterben und Auferstehen in Christus; und auch das Bundeszeichen.

    Luther sagte: "Wir müssen jeden Tag sterben! Zum Taufwasser kehren und den alten Adam ersäufen!"

    Da wir das jeden Tag tun müssen, geht es für uns nicht primär darum, dass der tatsächliche Tauf-Akt im "mündigen Alter" (gewollt) geschieht; denn der Taufakt selbst sagt beim 17 jährigen genauso wenig, wie beim 1 jährigen!
    Beide haben den Anspruch an ihr Leben; das ist essentiell gleich.

    Auch im Negativen wäre es gleich: das Baby, das getauft wird, bleibt vielleicht nur aus Tradition in der Kirche... möglich...

    Der 17 jährige lässt sich vielleicht nur aus Tradition ebenfalls taufen (denn es machen ja alle so in der Gemeinde)... möglich...

    Deshalb macht das (unserer Ansicht nach) keinen Unterschied.

    Jeder ist auf-gefordert, mit seinem Leben Gott zu antworten.

  • P.S.:

    Das ist aber keine "richtig oder falsch"-Frage!

    Natürlich ist die Großtaufe biblischer! Viele bei uns machen das ebenfalls so.

    Mein Cousin und meine Cousine sind beide nicht als Baby getauft worden, sondern haben sich beide mit 15, 16 taufen lassen.

    • Offizieller Beitrag

    Ganz prinzipiell lässt sich zunächst einmal sagen, dass das AT als auch das NT zwischen der "fleischlichen" und "geistlichen" Beschneidung unterscheidet.

    Einige Bibeltexte dazu "auf die schnelle" (Ergänzungen sind erwünscht!):

    1. Im Alten Testament

    1.1. Die "fleischliche" Beschneidung:
    1.1.1. 1. Mose 17

    • sollte am 8. Tag an allen männlichen Knaben geschehen
    • ist nicht nur für die direkten "fleischlichen" Nachkommen Abrahams verbindlich, sondern für sein ganzes "Haus"
    • Ist "nur" Zeichen des Bundes mit Abraham, aber nicht der Bund selbst - dennoch ist das Verweigern der Beschneidung Grund zur "Ausrottung"

    1.1.2. 2. Mose 12,43-49

    • wird für einen Ausländer zur Voraussetzung um am Passah teilnehmen und sich in das Land Israel "integrieren" zu dürfen

    1.1.3. 3. Mose 12,3

    • wird im Bund mit Mose beibehalten und damit auch gesetzlich verbindlich

    1.1.4. Josua 5,1-7

    • wurde durchgeführt (eigentlich: wiedereingeführt, s. Abraham) beim Auszug aus Ägypten (Passah), wobei sich die Beschnittenen dann weigerten ihre Kinder in der Wüste zu beschneiden und damit ungehorsam waren.
    • wurde von Josua beim Einzug ins "gelobte Land" nachgeholt


    1.2. Die "geistliche" Beschneidung:
    1.2.1. 5. Mose 10,14-16

    • geschieht am Herzen

    1.2.2. 5. Mose 30,6

    • geht von Gott aus, man muss sie nur "zulassen" - dazu fordert Mose sein Volk auf
    • ist Voraussetzung um Gott zu lieben

    1.2.3. Jeremia 4,4

    • steht hier für die Bekehrung des Herzens: Wenn die Beschneidung des Herzens nicht stattfindet, bricht der Zorn Gottes aus

    1.2.4. Jeremia 9,22-25

    • wird der "fleischlichen Beschneidung" gegenübergestellt: Sie nützt nichts - ja sie ist damit sogar auf dem gleichen Level wie die Beschneidung der Heiden - wenn das Herz unbeschnitten ist


    2. Im Neuen Testament

    2.1. Die "fleischliche" Beschneidung
    2.1.1. Lukas 1,57-60; 2,21

    • Johannes der Täufer und Jesus wurden selbstverständlich beschnitten (ebenso Paulus (Phil 3,5))

    2.1.2. Johannes 7,22-24

    • Jesus will anhand der gesetzlich-verordneten Beschneidung klar machen, dass sich Gottes Gebot in sich selbst nicht widerspricht: Wenn schon die Beschneidung am Sabbat kein Gesetzesbruch ist, so ist die Heilung eines ganzen Menschen auch keiner. Das Heilen von Menschen ist ein Gebot, welches dem Sabbat nicht widersprechen kann. Gott fordert also zum heilen genauso wie zur Beschneidung auf, unabhängig vom Wochentag.
    • Jesus bestätigt, dass die Beschneidung ursprünglich von Abraham kam und Mose sie lediglich übernommen hat

    2.1.3. Apostelgeschichte 7,8

    • Der Bund der Beschneidung ist der Bund mit Abraham

    2.1.4. Apostelgeschichte 10,45 und 11,2

    • Christusgläubige Juden werden als "Gläubige aus der Beschneidung" bezeichnet. Die Beschneidung ist hier Synomym für die Herkunft (aus dem Judentum)
    • Charakteristisch für sie ist, dass sie sich von den Heidenchristen bewusst abgrenzen indem sie sich auf ihre Herkunft, d.h. ihre Beschneidung, berufen
    • Man beachte: Es geht hier vornehmlich um eine Abgrenzung innerhalb der Christusgläubigen
    • Gott gibt daraufhin Petrus die Vision vom "leinenen Tuch", die da besagt, dass Gläubige im Unterschied zu den Tieren nicht in rein und unrein unteilt werden (im Gegensatz zu Tieren, aber das ist ein Thema für sich)

    2.1.5. Apostelgeschichte 15

    • Das Apostelkonzil sollte klären, ob die Beschneidung heilsrelevant ist
    • Man lese genau: Letztendlich wurde die Frage ob die Rechtfertigung durch die Beschneidung und des Gesetz Mose (V.1 und 5) kommt mit der Rechtfertigung durch den Glauben bzw. allein durch die Gnade (V.9-11) beantwortet
    • Es bedarf keiner Beschneidung mehr wenn das Herz gereingt wurde (V.9) - weil ohnehin nur dies zählt (genau diesen Gedanken findet man im AT schon so angedeutet (s. oben) - meiner Meinung nach geschahen die Entscheidungen des Apostelkonzils daher auch im "Geiste" des AT und sind damit auch keine "Auflösung" oder ein Überbordwerfen der Thora, sondern nur die konsequente - auf den "inneren Menschen" abzielende - Anwendung)

    2.1.6. Apostelgeschichte 16,3

    • Paulus lies Timotheus beschneiden - hier gibt es mindestens zwei Erklärungen: 1) Timotheus holte die Beschneidung nach, denn er war von Geburt her Jude, aber unbeschnitten. 2) Um andere Juden besser zu erreichen, nahm er die Beschneidung auf sich - wohlweislich das sie nicht rechtfertigt (wie im Apostelkonzil diskutiert), aber auch auch kein "Rückschritt" ins AT ist

    2.1.7. Im Römerbrief

    • Paulus diskutiert die fleischliche Beschneidung in mehreren Kapiteln
    • Wie schon im Apostelkonzil ist die Problemstellung die Frage, ob die fleischliche Beschneidung heilsnotwendig ist: Ein klares nein, denn die Gerechtigkeit kommt aus dem Glauben
    • Die fleischliche Beschneidung macht noch keinen "wahren" Juden (Röm 2,28.29)
    • Paulus ordnet der fleischlichen Beschneidung klar eine "äußere" (zeichenhafte) Funktion zu - er deutet keine AT-Texte um, stattdessen stellt er gewisse biblische Missverständnisse klar

    2.1.8. 1. Korinther 7,17-19

    • Berufung von Gott zum Dienst und das Halten der Gebote stehen klar über der Beschneidung

    2.1.9. Im Galaterbrief

    • Die "Beschnittenen" bzw. die "aus der Beschneidung" sind die Juden - die "Unbeschnittenen" sind die Heiden - es geht um die Herkunft
    • Es wird von Paulus der Beschluss des Apostelkonzils verteidigt: Die Beschneidung ist keine Voraussetzung um gerechtfertig zu werden vor Gott. Wer durch die Beschneidung gerechtfertig werden will, muss durchs ganze Gesetz gerechtfertigt werden - Rechtfertigung kommt aber durch den Glauben und nicht durchs Gesetz. (Gal 5,1-5)
    • In der Beschneidung liegt keine Kraft (Gal 5,6)
    • Die Beschneidung wurde von einigen benutzt um Ansehen zu erlangen - ein Irrweg


    2.2. Die "geistliche" Beschneidung
    2.2.1. Römer 2,17-29

    • Paulus greift die Beschneidung des Herzens auf und macht sie zur wahren und wirksamen - d.h. rettenden - Beschneidung
    • Die geistliche Beschneidung ist die Beschneidung "im Geist" und nicht "im Buchstaben"

    2.2.2. Philipper 3,3-4

    • "Geistlich beschnitten" ist der, der im Geist Gottes dient und sich in Christus rühmt und sich nicht auf das "Fleisch" verlässt

    2.2.3. Kolosser 2,11-12

    • Die geistliche Beschneidung geschieht nicht durch "Hände", " sondern im Ausziehen des fleischlichen Leibes" usw. (s. Vers 12)
    • "Christus in mir" bzw. der Heilige Geist in mir kann m.M.n. als Synoym für ein "beschnittenes Herz" betrachtet werden

    Zusammenfassung:
    Das AT kennt beide Beschneidungen. Einerseits ist die "fleischliche" Beschneidung verbindlich (Missachtung wird hart bestraft). Andererseits ist den Propheten (Mose/Jeremia) auch bewusst, dass nicht die äußerliche Form heilsentscheiden ist, sondern die Beschneidung des Herzens. Was bleibt ist ein Bundeszeichen, welches das Heil nicht bringt, aber dessen bewusste Missachtung es in Frage stellt. Eine sakramentale Wirkung der Beschneidung schließe ich deshalb auch schon im AT aus.
    Ferner finde ich im AT bemerkenswert:
    1. Die Beschneidung ist das Bundeszeichen mit Abraham und nicht nur mit Mose - was sagt uns das, die wir uns auf den Abrahams-Bund berufen als Christen? Vgl. Römer 4; Galater 3
    2. Der Auftrag zur Beschneidung geht an die Eltern. Sie sind für die Beschneidung in erster Linie nach dem Gesatz zuständig. Die Folgen der Missachtung tragen die Eltern, denn sie sind es, die das Gebot der Beschneidung brechen würden.
    Das NT greift die Aussagen des AT auf: Es wird deutlich gemacht, das die fleischliche Beschneidung nichts nützt, wenn man nicht moralisch einwandtfrei lebt (s. o. Punkt 1.2.) - und da alle einmal gestrauchelt sind, brauchen auch alle die Gnade Gottes, denn diese ist es, die rechtfertigt. Die rechtfertigende Beschneidung geschieht im Geist bzw. durch den Geist. Dennoch entbindet die geistliche Beschneidung nicht vom "Glaubensgehorsam" bzw. vom Halten der Gebote Gottes (1. Kor 7,17-19) - denn die geistliche Beschneidung sagt nur etwas über die Motivation aus, weshalb ich nach Gottes Willen leben möchte: Nicht um gerettet zu werden, sondern weil ich Gott nun in rechter weise liebe möchte (5. Mo 30,6; Joh 14,21; 1. Joh 5,2-3; 2. Joh 6)

    Was hat das ganze nun mit der Kindertaufe zu tun?
    Wenn man die Kindertaufe als eine Art von Ersatz der (fleischlichen) Beschneidung versteht, begibt man sich mit diesen sakramentalen Verständnis in die gleiche Gefahr wie die ersten Christen. Ich weiß nun, dass die Kindertaufe nicht von allen evangelischen Kirchen als Sakrament verstanden wird (Luther, Calvin, Zwingli, Müntzer etc.). Deshalb wäre es für mich erstmal interessant, welches Verständnis der Kindertaufe eigentlich untersucht und mit der Beschneidung vergliechhen werden soll?

    Hier ein Vorschlag: http://www.lutherischegemeinde.de/html/kindertaufe.html

    Ein bemerkenswertes Zitat daraus:

    Zitat

    War die Beschneidung das Zeichen für die Aufnahme und Zugehörigkeit zum Volk Israel, so ist es heute Taufe, das das wirksame Sakrament ist und uns ins Reich Gottes aufnimmt.

    Meiner Meinung nach ist so ein sakramentales Verständnis genau jenes, gegen welches die Apostel damals geschrieben haben.

  • Bemo:

    hier muss ich kurz etwas grundlegendes korrigieren!

    Wir haben 2 Sakramente:

    Die TAUFE & das Abendmahl.

    Das Sakrament heißt nicht KINDERtaufe, das Sakrament heißt TAUFE.

    Es wird bei Kindern aus Tradition gemacht, aber das ist nicht zwingend. Es gibt keinerlei Vorschrift oder "Muss", das Kind zu taufen.

    Bitte dabei "korrekt" bleiben. Bei dem Wort "Das Sakrament der Kindertaufe", denkt man nämlich, es sei ein Sakrament, dass ein Kind getauft werde; das ist nicht richtig.

    Heute lassen sich immer mehr Leute in der ev. Kirche erst später taufen bzw. die Eltern überlassen es ihren Kindern. Bei uns im Ort sind das schon viele mittlerweile.

  • P.S.:

    dein Link ist eine SELK.

    eine "Selbständig Evangelisch-Lutherische Kirche".

    Die haben auch die Kommunion beibehalten.

    Meine beste Freundin ist in einer SELK groß geworden.

    Als sie das erste Mal von Kommunion erzählte, fragte ich: "Was für ne Kommunion? Du bist doch evangelisch!?"

    Es hat 3 Anläufe gebraucht, bis ich verstanden hatte, dass das augenscheinlich eine andere Kirche ist...

    denn mir war damals nur bekannt, dass sie "evangelisch-lutherisch" sei (so wie ich).

    • Offizieller Beitrag

    Danke für die Klarstellung,
    korrekt wäre aber die Formulierung, dass du ein sakramentales Verständnis der (im konkreten Fall) Kindertaufe hast, oder? Teilst du die Argumentation für die Kindertaufe in dem von mir bereitgestellten Link? Gibt es dort Aussagen, denen du nicht ohne weiteres zustimmen würdest? Welche wären das?

    Meiner Meinung nach ist es eigentlich unerheblich, in welchen Alter das Sakrament der Taufe "verliehen" wird - bei Paulus ging es doch um genau das gleiche: Die Heiden sollten im Erwachsenenalter die Beschneidung "nachholen" um nicht verloren zu gehen (heilsrelevante Handlung!). Und ja, du hast sicherlich recht, dass die Judenchristen dies forderten, die evangelische Kirche heute im Gegensatz dazu auf Freiwilligkeit setzt. Ich halte das jetzt mal als Unterschied zwischen der jüdischen (fleischlichen) Beschneidung und der sakramentalen evangelischen Taufe fest - ok?

  • Zur Thematik nochmal aus "evangelischer Sicht" (für die, die es interessiert), weil das ja irgendwie ständig ein Thema ist:

    Irgendwie werden ständig Bibelstellen gegen Bibelstellen ausgespielt...

    Die Beschneidung war ein Bundeszeichen/ die Taufe ist das in den Tod Christi gehen.

    Unserer Ansicht nach ist die Taufe BEIDES. So, wie Christus in seiner Person die verschiedenen Funktionen aus dem Tempeldienst vereint hat, so sehen wir auch die Taufe.

    Im AT wurde das eigene Bekenntnis durch die Beschneidung nicht abgenommen!

    Beschneidung = Zeichen (Sakrament)

    Opfer bzw. Taten = Bekenntnis und Wandel; die Opfer standen symbolisch für das "Sterben des alten Menschen"; die Nächstenliebe ist immer der Lebenswandel.

    Wir sehen beide Themen in der Taufe vereint:

    Taufritus = Zeichen. Das Gute wird OHNE Einwilligung voraus-gesetzt, voran-gestellt. Unabhängig vom tatsächlichen Wandel, den der Mensch dann haben wird, wird "auf Hoffnung" getauft; als Voraussetzung, als Zu-spruch, dem der Mensch dann immer selbst antworten muss.

    Deshalb fragt bei uns der Pastor die Eltern und Paten: "Willst du dieses Kind im christlichen Glauben erziehen und unterweisen?" - Denn Erziehung ist das Alpha & Omega.

    Während dieser Bund im AT äußerlich-bleibend vollzogen wurde, wird er in der Taufe durch das Wasser symbolisch vollzogen. (Der Kopf bleibt nicht nass, wenn man getauft ist..)

    Wie bereits erwähnt: Apostelgeschichte 2,39: "Dieser Bund ist euch UND euren Kindern..." - Daher unser Taufverständnis.

    Denn das Ritual selbst macht nicht gläubig und hält auch nicht gläubig. Der 20jährige, der sich aus eigenem Willen taufen lässt, steht in der gleichen Verantwortung vor der Bedeutung der Taufe, wie der Säugling im weiteren Leben. Es ist essentiell gleich.

    Das "Sterben des alten Menschen" wird unserem Verständnis nach nicht EINMAL in der Taufe gemacht (das kann der Säugling natürlich nicht), sondern es muss ständig gemacht werden!

    Luther nannte das: "Jeden Tag zum Wasser der Taufe kommen, um den alten Adam zu ersäufen!" - Diese Sicht finde ich viel realistischer und lebensnaher, als manche Gedanken der "totalen Umwandlung", weil man ja jetzt Jesus angenommen habe..

    Der Taufvorgang selbst symbolisiert den inneren Prozess nur. Er garantiert ihn nicht (weder beim Säugling, noch beim Erwachsenen).

    Der Erwachsene, der sich willentlich taufen lässt, ist innerlich genauso "am Anfang", wie der Säugling.

    Die Großtaufe ist vollkommen richtig und biblisch; kein ev. Christ wird das jemals ablehnen. Aber Kindertaufe geht auch, das ist alles, was wir sagen.

    Und da zumindest früher die Familien noch "christlich" waren und christlich erzogen haben, hat man natürlich in diesem grundlegenden Denken stets die Nachkommen getauft, weil man es als selbstverständlich vorausgesetzt hat, dass die christliche Lehre weitergetragen wird.

    Das ist heute anders, und wie man sieht: Immer mehr Leute taufen ihre Kinder nicht, sondern lassen sie später entscheiden. Vollkommen ok.

    In der Apg. ist eine Szene, wo ein Mann gläubig wird. Dort steht, dass er die Apostel in sein Haus einlud, und die ganze Familie ließ sich taufen und feierte ein Fest,

    weil ER zum Glauben gekommen war.

    Wäre das nicht falsch? Das "ganze Haus" lässt sich taufen und feiert, weil ER gläubig wurde.

    Viele sagen dann, dass nur die Erwachsenen im Hause getauft wurden. - Das ergibt keinen Sinn, denn da steht: ... weil ER zum Glauben gekommen war!

    Das wäre grundlegend falsch, wenn ein Erwachsener sich taufen lässt, weil ein anderer gläubig ist, oder nicht? Zumindest nach freikirchl. Verständnis, oder nicht?

    Gemeint ist, dass dieser Hausherr sein "Haus" dieser Lehre unterstellt! Es wird nicht gefragt, ob man "möchte"; der Hausherr sagt: "In meinem Hause gilt nun diese Lehre, der ich glaube. Denn ICH bin der Herr!"

    Ich hoffe, dass es etwas verständlich gemacht werden konnte, wie wir das verstehen und warum wir die Kindertaufe beibehalten haben.

  • Zitat

    Teilst du die Argumentation für die Kindertaufe in dem von mir bereitgestellten Link? Gibt es dort Aussagen, denen du nicht ohne weiteres zustimmen würdest? Welche wären das?

    Bemo:

    Ich teile folgende Ansichten:

    - Der Mensch steht unter dem Fluch der Sünde.
    - Der Mensch kann sich nicht willentlich aus dem Fluch befreien bzw. ihn wegnehmen.

    Ich teile nicht:

    - Dass der Taufvorgang ansich sozusagen "magisch" den Fluch weg nimmt!

    In der Taufe wird das Geschenk vorangestellt, zu-gedacht, zu-gesprochen; aber es kann ja erst wirksam werden, wenn ein Mensch das einsehen kann! Ein Säugling kann nicht einsehen und braucht es auch gar nicht, denn würde der Säugling sterben, wäre er ohnehin erlöst.

    Eigentlich ist das simple Logik! Ich kann einem Menschen das "Gute" zu-sprechen, erwarten & erhoffen, darauf hin erziehen (wir erwarten doch immer, dass ein Mensch "das beste werde", was er werden kann).

    Aber "wirken" kann etwas doch erst IM Menschen, wenn er es selbst für wahr hält und einsehen kann. Das ist grundlegende Erkenntnistheorie nach Immanuel Kant; sollte eigentlich jeder wissen heutzutage.

    Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob der Schreiber des Textes das so meint, dass es "magisch" von selbst geschieht.

  • Luther betonte immer sehr stark den EIGENWERT der Taufe, aber nicht als magische Wirkung, sondern den Eigenwert als Zeichen.

    Mal angenommen: Meine Eltern ließen mich ja als Baby taufen.

    Angenommen ich wäre heute ein absoluter Gotteshasser, ein Atheist oder Satanist, oder sonst was...

    Das tut der Taufe selbst nichts! Die Taufe selbst bleibt bestehen als ein Mahnzeichen für mich; ob ich das will oder nicht.

    So tut Gott es ja auch ständig!

    Er spricht uns ständig das Gute zu. Das bleibt bestehen, unabhängig von unserem Wandel. Es wird uns zum Segen oder zum Gericht.

    So verstehen wir die Taufe. Deshalb heißt es bei uns, dass die Taufe niemals "abgelegt" werden kann (wie denn auch, sie ist ja geschehen).

    Man kann dorthin oder dorthin laufen, Gottes Zu-spruch in der Taufe bleibt bestehen und fordert vom Menschen eine Antwort.