Bedeutung von Sprache und Erkenntnistheorie

  • Auch für die Bibel gibt es eine "Sache", die unabdingbar ist (selbst, wenn alles andere weg gelassen werden könnte): Sprache.

    Ein Sprachforscher sagte einmal in einem Artikel: "Hätten wir keine Sprache, würden wir gar nicht existieren." - Wer ein wenig drüber nachdenkt, muss dem zustimmen.

    Wäre "das Wort" nicht, gäbe es nichts; es gäbe zwar Lebewesen (animalus), aber keine Existenz.

    Ich möchte hier nun mit euch etwas über "Sprache" im Sinne von Erkenntnistheorie nach-denken (wer Lust dazu hat). Es ist auch für die Bibelbetrachtung zuträglich, wenn man sich darüber etwas Gedanken macht, denke ich.

    Dazu kurz (und zusammengefasst) etwas von einem der bedeutendsten Philosophen der Geschichte:

    Immanuel Kant erklärt in seiner "Kritik der reinen Vernunft", dass der Mensch von sich aus das "Ding ansich" (also das, was eine Existenz wirklich ist) nicht sehen kann. Er sieht eigentlich nur die Erscheinung der Dinge und schreibt ihnen eine Benennung zu.
    Der Mensch macht sich also "das Ding" fassbar, indem er es benennt und ihm etwas zu-spricht.

    Philosophisch betrachtet ist das Gesamtwerk von Kant eigentlich nicht zu widerlegen (er ist der "Alles-Zermalmer", der die Philosophie eigentlich getötet hat); nach ihm kam eigentlich nur noch "naturwissenschaftliches Philosophieren".

    Wie "benennen" wir also?

    Was können wir "erkennen"?

    Wen solche Themen interessieren, der kann sich hier die Hörner abstoßen ;)

  • Ich muss in Eile aus dem Handhgelenk zitieren :


    Wittgenstein : Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt.

    Paul Watzlawick : "How Real is Reality" und "The Language of Changes" (Bücher, bei Amazon)

    ein in Syrien geborener Schriftsteller, tätig in der BRD, Goethes "Werther" handschrfiftlich zwecks Erlernen der deurtschen Sprache abgeschrieben habend :

    "Die Sprachen

    (- i.e.die orientalischen), wo der Klang der Worte höher als die i Logik des Satzes rangiert " (Radio - Interveiw OE 1, letzten Juli).

    - - - - - - - - - - - - -

    Nihil hic determino dictans : Conicio, conor, confero, tento, rogo, quero - -

    Leider kann ich nicht mit der alleinerziehenden Mutter aufwarten - -

  • philoalexandrinus:

    richtig, den Wittgenstein hatte der Sprachforscher auch zitiert in seinem Artikel.

    Ja, im orientalischen oder auch im asiatischen wird sehr stark mit den Tonlagen gearbeitet, während unsere europäischen (am stärksten die Deutsche) Sprachen den Ausdruck verstärkt über den Inhalt und die Erklärung des Inhalts geben.

    Meines Erachtens (und das ist keine Wertung) ist es bei uns "reflektierter", denn die Worte werden durch Worte abermals erklärt; die Auseinandersetzung mit dem Inhalt ist stärker (kann aber auch zur Quasselei und "Reden um den Brei" führen).

    Die Sprachen, die stärker "phonisch" sind, drücken gezielter und stärker Emotionslage und Befinden aus. Der Hörer nimmt stärker durch die Phonie das Befinden des Gegenübers wahr.
    Bei uns im Deutschen will man teilweise noch eine Abhandlung über das Gesagte..

    • Offizieller Beitrag

    Ein Gedanke dazu:
    Ich denke, dass die Verarmung der Sprache in unserer Zeit die Verkündigung des Evangeliums erschwert.

    Gott offenbart sich IM WORT (nicht im Bild, nicht im Theater, der Pantomime oder im Video) und die Tatsache, dass eine ganze Generation bei uns inzwischen nicht mehr in der Lage ist einen komplexen Satz zu erfassen macht da Lesen der Bibel für Viele zu einer schwierigen Sache.

    Und wenn man dann "moderne Übersetzungen" nimmt, dann verflachen die den Text häufig sehr...

    Liebe Grüße, Heimo

  • HeimoW:

    meine volle Zustimmung! Das ist ein Thema, auf das ich auch noch gekommen wäre bzw. was ich hier im Verlauf auch noch einfließen lassen wollte.

    Wir sind einfach eine "Wort-Religion" bzw. "Buch-Religion" (ich spreche bewusst allgemein). Das teilen wir (mehr oder weniger) mit den Juden, den Moslems und auch mit den abendländischen Philosophen (alle Detail-Kritik jetzt mal ausgenommen).

    In indischer Mythologie und Philosophie geht es viel mehr ums "Spüren" und Erfahren in einer Versenkung. Die Worte (Gedanken) sollen laut Buddha "angehalten" werden.

    Bei uns ist es genau anders (auch in der Philosophie): Es wird durch das Wort begriffen und begreiflich gemacht. Dafür ist Sprache unersetzlich!

    Und die Bibel ist das sprachlich gewaltigste Buch; das ist bis heute (auch bei Nicht-Christen) unbestritten, weshalb es auch von strikten Atheisten als Kulturgut voll und ganz anerkannt wird.

    Wie du sagtest: Wir brauchen Sprache, vor allem für die Heilige Schrift.

  • Immer mehr Lehrer und auch Uni-Dozenten beklagen, dass die Schüler dort immer weniger Kompetenzen haben.

    Der Philosoph R. D. Precht sagte in einem Interview im Schweizer Fernsehen, dass die Sprach-Qualität zu den elementarsten Kompetenzen gehört, die wir unbedingt lernen müssen; noch vor dem Rechnen.

    Denn meine "Selbstoffenbarung" an andere Menschen geschieht nicht durch Zahlen, sondern durch Sprache.

    P.S.: Sorry, wenn ich manchmal so einen Schreib-Schwall habe, aber ich find das so wichtig. Soll also keine Besser-Wisserei sein! :)

  • 1. Korinther 2, 9. : " - was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört und in keines Menschen Herz gekommen ist - - "

    darf man das als eine klare Entgegnung zur Thesen des frühen Positivisten Epikur und dessen lateinischen Künders Lukrez ( De rerum natura ) sehen ?

    1. Korinther 13, 9. : " aus dem Bruchstück erkennen wir - aus dem Bruchstück weissagen wir - " - - " - wie in einem Spiegel in einem dunklen Wort - - "

    - ist das eine Antithese zu Platons Höhlengleichnis, ohne dessen pessimistischen Ausgang :

    - " Wenn aber das Vollkommene kommen wird - - "

    Nihil hic determino dictans : Conicio, conor, confero, tento, rogo, quero - -

    Leider kann ich nicht mit der alleinerziehenden Mutter aufwarten - -

  • Ein inspirierter Schreiber des - sagen wir - Neuen Tetaments formuliert etwas in einem Brief, der vorzulesen ist. Mit Worten und deren Klängen baut er in der eher rechtshirnigens Sprache des Grundtextes assoziative Bilder im Zuhörer auf.


    Dann kommen am linkshirnigen Latein ( - dessen Consecutio temporum zum Beispioel !) in ihrem Denken Geschulte und lesen still den (bereits übersetzten) Text. Und deuten sprachpositivistisch.

    - - Ist dies nicht ein Problem der Exegese ? Mahnt dies nicht zur ehrfürchtigen Beschränkung ?

    Nihil hic determino dictans : Conicio, conor, confero, tento, rogo, quero - -

    Leider kann ich nicht mit der alleinerziehenden Mutter aufwarten - -

  • Zitat

    darf man das als eine klare Entgegnung zur Thesen des frühen Positivisten Epikur und dessen lateinischen Künders Lukrez ( De rerum natura ) sehen ?

    Ich würde sagen JA! Paulus beschreibt eigentlich mehrmals den "natürlichen Menschen" als jenen, "der nicht sieht und nicht hört".

    Der Mensch von sich aus kann nur nehmen, was er an-schaut: also sich selbst als Lebewesen (animalus), das geboren wird und stirbt. Die Existentialisten sagten: "In die Welt ge-worfen." (ohne Absicht und ohne Ziel);

    da der Mensch aber einen Wunsch zu sich selbst hat, will er bleiben. Er illusioniert sich zum ewigen Wesen; er hätte einen Ätherleib oder eine Brahma (Weltenseele) oder dergleichen. Er versucht sich selbst in den Himmel zu ziehen. Das alles ist aus dem Menschen.

    Paulus sagt uns nun, dass es einen Geist gibt, der nicht aus den Menschen ist, sondern zu den Menschen kommt. "Geistlich" bedeutet das vollkommen andere, das nicht gegenständlich ist, sondern nur geglaubt oder geleugnet werden kann.

    Er sagt den Heiden, was sie zwar vermuten, aber nicht erkennen: Sie hatten unter ihren Götterbildern einen Altar, auf dem Stand "Dem unbekannten Gott". Dieser Gott, den der natürliche Mensch gar nicht kennen kann, den bringt Paulus ihnen dann (Apg 17,22.23).

    Zitat

    ist das eine Antithese zu Platons Höhlengleichnis, ohne dessen pessimistischen Ausgang :

    Das Höhlengleichnis ist stark gnostisch: der Mensch bricht aus dieser Sphäre aus und erkennt seine eigene Göttlichkeit. Ja, Paulus ist dazu die absolute Antithese, würde ich auch sagen.

    Zitat

    Und deuten sprachpositivistisch.

    - - Ist dies nicht ein Problem der Exegese ?

    Denke ich auch. Allerdings dazu 2 Dinge:

    1) zumindest sobald es eine Tradition gibt, wird es immer mehr oder weniger positivistisch; ich glaube, das lässt sich kaum vermeiden. Das berühmte "keine Tradition" bringt hier nicht viel, denn dann geh ich als Einzelperson hin und positiviere für mich selbst, was mir am besten gefällt. Man braucht eine Lehre, einen Rahmen, von wo aus man startet und woran man sich dann auch stoßen kann und soll. Erkenntnis kommt durch Resonanz. Es ist ein Irrtum, dass der Heilige Geist einem das "Paket" von oben herab ins Gehirn sendet (auch wenn das manche glauben). Gott hat sowohl beim Volk Israel als auch bei Christen Tradition gewollt, denn der Mensch braucht das und Menschen lernen miteinander und auch gegen-einander; das gehört dazu.

    2) der einzelne Autor eines biblischen Buches hat ja selbst nur "sein Stück" (und halt die früheren Schriften, in denen er selbst gelehrt wurde); er weiß ja nicht, dass sein Buch später einmal im Kanon sein wird.
    Wir lesen also heute dieses abgeschlossene Buch natürlich "von außen" und alle Bücher im Zusammenhang zueinander. Es muss sich ja ein "rundes Bild" ergeben. Daher ist natürlich unsere heutige Exegese nicht gleichbedeutend mit Empfindung und Meinung des Autors; soll auch gar nicht. Was der Autor selbst wusste ist nicht relevant.

    Andernfalls müsste man sagen, es sind nur einzelne Weisheitsschriften (wie die von Platon oder Buddha), und dann dürften wir nicht so einen Wind um die Bibel machen, wie wir das immer tun!

    Wir glauben ja aber, dass dieses ganze Buch ein zusammenhängendes "Thema" hat.

  • 1. Korinther 2, 9. : " - was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört und in keines Menschen Herz gekommen ist - - "

    darf man das als eine klare Entgegnung der Thesen dess frühen Positivisten Epikur und de3ssen lateinischen Künders Lukrez ( De rerum natura ) sehen ?

    1. Korinther 13, 9. : " aus dem Bruchstück erkennen wir - aus dem Bruchstück weissagen wir - " - - " - wie in einem Spiegel in einem dunklen Wort - - "

    - ist das eine Antithese zu Platons Höhlengleichnis, ohne dessen pessimistischen Ausgang ?

    - " Wenn aber das Vollkommene kommen wird - - "

    Nihil hic determino dictans : Conicio, conor, confero, tento, rogo, quero - -

    Leider kann ich nicht mit der alleinerziehenden Mutter aufwarten - -