Karl Barth und Rudolf Bultmann

    • Offizieller Beitrag

    Auf Wunsch von Babylonier erstelle ich hier ein neues Thema zu einer Diskussion rund um die Theologien Barth und Bultmann.

    Ein paar Hinweise:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Bultmann

    http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Barth


    Sollte ich noch Beiträge zu dem Thema übersehen haben, die auch hierher verschoben gehören, bitte um Hinweise per PN oder Meldung.

  • Hallo Seele,

    Du schreibst an Armin:
    Du machst etwas, was heute viele "Christen" und Nicht-Christen tun:
    Du redest von dem "Jesus von Nazareth"; ein jüdischer Wanderprediger, der "gute Dinge" getan hat und ein "politisches Opfer" war.


    Das kann ich in Armins Anfragen nicht erkennen. Im Gegenteil.


    Du schreibst:
    Das Bekenntnis von uns Christen ist aber nicht: "Du bist Jesus, der Nazarener", sondern unser Bekenntnis ist mit Petrus: "Du bist Jesus, der Christus!", und vor allem mit Thomas: "Mein HERR und mein GOTT!"


    Wo hat Armin geschrieben, er glaube an Jesus, den Nazarener?
    Ich denke, du unterstellst ihm da etwas, weil er nicht deiner Interpretation folgt.
    Es geht in dieser Debatte elementar um die Frage des Gottesbildes. Ist Gott, der Vater ein nachtragender und strafender Jurist, wie Augustinus und Anselm lehren, oder ist er ein barmherziger und verzeihenden Vater, wie Jesus ihn in den Evangelien verkündigt?

    Du schreibst über Armin:
    Du redest ständig von einem bedeutenden Menschen; das wissen und anerkennen auch Nicht-Christen, dass Jesus ein bedeutender Mensch war! Wer sollte es leugnen?
    Ein gläubiger Christ redet aber vom Christus! Du stellst sämtliche geistliche Dinge ständig in Frage!


    Wo sagt Armin: Jesus war nur ein bedeutender Mensch?
    Wie kommst du dazu, dass Armin sämtliche geistlichen Dinge in Frage stellt?
    Für die Dinge und die Haltung, die du Armin vorwirfst, hast du meiner Ansicht nach keine Belege. Es ist für mich auch auffällig, dass ausgerechnet du, der sonst sehr emsig zitiert, in diesem Fall kein einziges Zitat bringt, das deine Vorwürfe stützt.


    Nun noch etwas Generelles von meiner Seite.
    Und das, Seele, betrifft deine Sicht der Bibel und Jesu Christi, wie du sie im Thread Sinn des Gesetzes am 21.3 Beitrag 7 entwickelt hast.

    Du meinst, den Jesus der Evangelien dürfe man nur über die Theologie des Paulus verstehen. Ich sehe das umgekehrt. Der Jesus der Evangelien hat eine unüberbietbare Theologie in Wort und Tat verkündigt, denn als Sohn und präexistenter Logos kennt Jesus Gott, Jesus ist Gott unüberbietbar näher als jeder Mensch , auch näher als Paulus, denn Jesus IST das Wort Gottes. Deshalb ist Gott, wie Jesus ihn in de Evangelien verkündigt, klarer als alle nachfolgende Deutung und menschliche Theologie und allen nachfolgenden Interpreten vorzuziehen.

    ####################################

    Da du mit Vorwürfen gegen Armin nicht sparst, will auch ich zumindest eine Vermutung und Anfrage dich betreffend in den Raum stellen.
    Mir kommt es so vor, als wandeltest du auf den Spuren der protestantischen Extrem-Theologen Karl Barth und Rudolf Bultmann.
    Der eine – Karl Barth - stellte Paulus und vor allem dessen Römerbrief über alles und betrachtete den Jesus der Evangelien als für den Glauben zweitrangig.
    Der andere – Rudolf Bultmann – tat alle Wunder Jesu als legendenhaftes Beiwerk ab. Auch die Auferstehung wollte er nicht als historische Realität gelten lassen.
    Könnte es sein, dass du – sekundiert – von deinem Pastor viel von dieser Sichtweise hier vertrittst?

  • Hallo Babylonier,
    Ich hatte an Seele geschrieben:
    Hier zeigt sich, dass du entweder ein schlechtes Gedächtnis hast oder andere Beweggründe dich leiten.

    Du, Babylonier, meinst dazu:
    Was bitte meinst Du Mit den "anderen Beweggründen"??? Höre ich da etwas die adventistentypische Unterstellung heraus, gemäß der aus jedem, der eine andere Meinung vertritt, "ein falscher Geist" ,sprich der Leibhaftige, redet?

    Erstens - bin ich kein Adventist, sondern seit 25 Jahren (konfessionell-organisatorisch) rein gar nichts.

    Zweitens - respektiere ich andere Meinungen, seien sie religiös oder atheistisch. Zu meinen Freunden zählen neben vielen (huch!) Atheist(inn)en ein protestantisches Pastorenehepaar in Berlin und ein protestantischer Pastor am Bodensee. Die beiden in Berlin kenne ich seit 40 Jahren, den am Bodensee seit 45 Jahren, es sind Freunde seit Schul- und Studientagen. Studiert habe ich übrigens in Tübingen.

    Drittens - überziehe ich andere nicht mit dem Verdacht, sie seien von finsteren Mächten geleitet. Das lässt sich meinen Beiträgen entnehmen.

    Viertens - wenn ich nach Seeles Ansicht meinen Beitrag mit Pfeffer gewürzt habe, dann löst er hier regelmässig ganze Pfeffer-Hurrikans aus. So viele Ausrufungszeichen wie Seele in diesem Forum schon verwendet hat, habe ich in meinem ganzen Leben nicht benutzt. Aber soll er. Mich amüsiert es nur, wenn ich nun plötzlich als das „enfant terrible avec poivre“ erscheine.


    Fünftens - sollten wir zur Sache kommen.

    Seele hatte am 21.3. im Thread "Sinn des Gesetzes" Beitrag Nummer 7 an Armin geschrieben:
    Dafür brauchst du die Paulusbriefe! Wenn du nämlich nur die Evangelien liest, dann liest du nur von Jesus ALS Juden. Jesus spricht als Jude in ihrer hebraistischen Sprache, weil Juden das gut verstehen.
    Wir verstehen das aber nicht. Wir brauchen Paulus, denn Paulus erklärt die Theologie. Jesus hat keine Theologie erklärt, weil die Juden das nicht brauchten.

    Siehst du, Babylonier, das auch so wie Seele?

    Falls ja, hier nochmals meine Entgegnung an Seele:
    Paulus ist von Jesus her zu verstehen und nicht umgekehrt.
    Nochmals.
    Du meinst, den Jesus der Evangelien dürfe man nur über die Theologie des Paulus verstehen. Ich sehe das umgekehrt. Der Jesus der Evangelien hat eine unüberbietbare Theologie in Wort und Tat verkündigt, denn als Sohn und präexistenter Logos kennt Jesus Gott, Jesus ist Gott unüberbietbar näher als jeder Mensch , auch näher als Paulus, denn Jesus IST das Wort Gottes. Deshalb ist Gott, wie Jesus ihn in den Evangelien verkündigt, klarer als alle nachfolgende Deutung und menschliche Theologie und Jesu Wort ist allen nachfolgenden Interpreten vorzuziehen.


    Zu dieser Entgegnung hätte ich gern eure Ansicht gewusst.

    Da Seele auf meine Entgegnung nicht näher einging und seine ursprüngliche äusserst apodiktische Äusserung abgeschwächt hatte zu
    Und ich hatte geschrieben, dass man, will man die christliche Lehre verstehen, Paulus lesen MUSS. (O-Ton Seele1986).
    nahm ich an, er erinnert sich nicht mehr an den Wortlaut seiner ursprünglichen Fassung oder er hat erkannt, dass er sich mit seiner ursprünglichen Formulierung vergaloppiert hat und will das nun aus Image-Gründen nicht zugeben.

    DAS meinte ich mit den anderen Beweggründen.


    Noch ein Wort zu Barth und Bultmann.
    Mit meinen Pastorenfreunden diskutiere ich öfter über die beiden „Giganten“ protest. Theologie (Wal(fisch) und Elefant), manchmal nächtelang, ohne dass ich übrigens gleich als Pfefferstreuer tituliert werde.

    Ich halte den Römerbrief-Kommentar von Barth für extrem expressionistisch. Derart einseitige Thesen lassen sich rein textlich nicht halten, und sie schaffen Missverständnisse.
    Das Entmythologisierungskonzept von Bultmann halte ich aus rein exegetischen Gründen für im Kern falsch. Nicht nur die archäologische Forschung hat Bultmanns Ansatz einer reinen Kerygma-Theologie widerlegt.

    Um es thesenhaft zu sagen: Barth und Bultmann lesen und verstehen Jesus vor allem von Paulus, von dessen Kerygma, her.
    Sie entwerten den Jesus der Evangelien. Sie stellen die Sichtweise des Paulus über die Worte Jesu, wie sie zB in der Bergpredigt überliefert sind.
    Das halte ich für einen grossen Fehler.

    2 Mal editiert, zuletzt von Menschino (24. März 2014 um 16:13)

    • Offizieller Beitrag

    Meine Ansicht - sans poivre ;)

    Mir ist die "Trennung" zwischen einem "Jesus der Evangelien" und einem "Jesus des Paulus" eigentlich fremd und theologische Werke, die eine solche unterstellen oder betonen lese ich in der Regel nicht vollständig bzw. konzentriert zu Ende, denn sie haben damit einen Ansatz, den ich nicht teile.
    Mit Barth und Bultmann konnte ich daher noch nie wirklich etwas anfangen, darüber hinaus lehne ich ein Zerlegen der Bibel in "authentische" Teile und den "legendenartigen" Rest ab.

  • Erstens - (...) Viertens

    Vielen Dank für die Klarstellung, Vorwurf zurückgenommen und Thema erledigt.

    Fünftens - sollten wir zur Sache kommen.

    Gerne doch, bei mir aber ohne viel Pfeffer .

    Seele hatte am 21.3. im Thread "Sinn des Gesetzes" Beitrag Nummer 7 an Armin geschrieben:
    Dafür brauchst du die Paulusbriefe! Wenn du nämlich nur die Evangelien liest, dann liest du nur von Jesus ALS Juden. Jesus spricht als Jude in ihrer hebraistischen Sprache, weil Juden das gut verstehen.
    Wir verstehen das aber nicht. Wir brauchen Paulus, denn Paulus erklärt die Theologie. Jesus hat keine Theologie erklärt, weil die Juden das nicht brauchten.

    Siehst du, Babylonier, das auch so wie Seele?

    Ich habe da wohl einen etwas anderen Ansatz, komme aber zu einer ähnlichen Wertung.

    Eine der grundsätzlichen Auseinandersetzungen der frühen Christenheit war nun einmal die Frage, ob sie sich als eine Gruppierung innerhalb des Judentums oder als eine neue Weltreligion für alle Menschen sehen. Durchgesetzt hat sich spätestens seit der Zerstörung des Jerusalemer Tempels die Weltreligions-Gruppierung, für deren Theologie Paulus nunmal maßgeblich war.

    Insofern lesen wir als Christen immer Jesus von Paulus her, das geht meiner Meinung nach auch gar nicht anders.

    Daher bewerte ich Barth und Bultmann wohl deutlich positiver, als Du. (Zudem rauche ich auch ganz gerne Pfeife, aber natürlich nicht in der Fastenzeit ;) )

    Ich halte den Römerbrief-Kommentar von Barth für extrem expressionistisch

    :thumbup: Na dann bin ich ja nicht der einzige, der damit nichts anfangen konnte. Ich habe mich auch Seite für Seite gefragt, was das Werk eigentlich soll. Aber man muss es wahrscheinlich kirchenhistorisch sehen: nach fast zweihundert Jahren Theologischen Liberalismus und preußisch-wilhelminischer Theologie muss das Buch direkt nach der Katastrophe der 1. Weltkrieges in der evangelischen Szene extrem eingeschlagen haben.

    Mein Zugang zu Karl Barth ist dann eher die Barmer Theologische Erklärung und seine Abschiedsvorlesung "Einführung in die evangelische Theologie"

    Herzliche Grüße, B.

    Einmal editiert, zuletzt von Babylonier (24. März 2014 um 22:33)

  • Soweit ich weiß, lässt Bultmann vom Gott der Bibel nicht viel übrig. Manche Theologen reduzieren Christus auf den Wettergott Jahwe, der von den Naturvölkern verehrt wurde. Aber das schießt weit am wirklichen Wesen Gottes vorbei. Gott ist eine Entitaet von außerhalb des Universums so wie es das Johannesevangelium bereits mit dem Wort treffend ausdrückt. Am Anfang war die Information, die eine intelligente Quelle hat.

  • Mit Barth und Bultmann konnte ich daher noch nie wirklich etwas anfangen, darüber hinaus lehne ich ein Zerlegen der Bibel in "authentische" Teile und den "legendenartigen" Rest ab


    Unabhängig von der Frage, ob Du die Bibel "zerlegen" möchtest oder nicht, ist es doch aber eine Tatsache, das sowohl die Autoren der Bibel als auch die damaligen Empfänger der Schriften deutlich anders gedacht haben, als wir heute. Und zumindstens haben sich Barth und Bultmann der Frage gestellt, was dies für das heutige Christentum bedeutet und welche Rückschlüsse dieses für den christlichen Glauben notwendig macht.

  • Ich hatte ein wenig zum Thema Barth und Bultmann zusammengestellt.

    Die AKTUELL überhandnehmenden imho willkürlichen Aktionen der Moderation - Löschen meines Beitrags zu "Sünde und Verstrickung", Entfernen von Text-Passagen in Zitaten, das inflationäre Thread-Eröffnen und Beiträge-Verschieben durch die Moderation empfinde ich jedoch als Zensur.

    Allein zu Ellen White gibt es eine völlig unnötige Vielzahl an alten und neuen Threads.
    Da würde EIN Thread mit dem Thema "Ellen G. White - ihre Bedeutung" völlig genügen.

    Beiträge zu Erbsünde, Sühnetod und Gesetz überschneiden sich zwangsläufig. Das immer wieder aufzusplitten, ist Unsinn. Es behindert eine sinnvolle Diskussion.

    Kurzum: Ich fühle mich von der Moderation bevormundet.
    Sie sollte ihre Reglementierungslust eindämmen.

    Niemand schreibt gern ausführliche Antworten und Erklärungen, nur um ein paar Stunden später feststellen zu dürfen, sie wurden gelöscht oder irgendwohin verschoben.

  • Hallo Babylonier,

    da du dir die Mühe gemacht hast, dieses Thema einzubringen, hier ein paar Worte zu Barth, später noch zu Bultmann.


    KARL BARTH

    Es gibt den Barth des Römerbriefs, den Barth der Barmer Erklärung, den Barth der Kirchlichen Dogmatik.


    Der Barth des Römerbriefs

    Mich stört das Extremistische in Barths Römerbrief. Insbesondere die Behauptung, Gott sei "der ganz Andere".
    Das halte ich für überzogen. Gott hat uns zu seinem Ebenbild geschaffen. Wäre Gott der ganz Andere könnte Jesus nicht sagen: Wer mich sieht, sieht den Vater.

    Gott ist der alles Überbietende in positivem Sinne. Zwar gibt es zwischen Mensch und Gott bei aller Ähnlichkeit eine je grössere Unähnlichkeit, aber das ist nicht so zu deuten, dass Liebe bei Gott das Gegenteil von Liebe ist, wie wir sie verstehen. Gott als die Liebe überragt nur all unsere Vorstellungen von Liebe.

    Es geht imho auch um den Unterschied von analogia entis und analogia fidei.
    Das durchzieht das ganze Werk und Denken von Karl Barth.
    Dazu hätte mich deine Ansicht interessiert.



    Der Barth der Barmer Erklärung

    Der Barth der Barmer Erklärung ist der seelsorgerlich-praktische, aber auch politische Barth. Der Barth, der Gottes Wort gegen die Nazis stellt.
    Das ist mutig und begrüssenswert. Vor allem relativiert Barth in den Thesen die blinde Obrigkeitshörigkeit im Protestantismus.
    Römer 13 gilt nicht mehr als alles bestimmende Devise und als Verhalenskodex im Verhältnis zum Staat.
    Sondern Staat und Führung werden eingegrenzt auf das, was ihnen durch Gottes Anordnung zusteht.

    Immerhin zitiert die Barmer Erklärung in Artikel 4 Matthäus 20,25f:
    „Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker niederhalten und die Mächtigen ihnen Gewalt antun. So soll es nicht sein unter euch; sondern wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener.“

    Ich weiss, dass Barth das auf die innerkirchliche Struktur münzt, aber eine Kritik am Staat, an blinder Staats- und Obrigkeitsverehrung steckt dennoch in dieser Bibelstelle und ist mit diesem Zitat auch beabsichigt.

    In Artikel 5 wird das dann ja auch ausformuliert.



    Der Barth der Kirchlichen Dogmatik

    Schliesslich der Barth der Kirchlichen Dogmatik, Barths Lebenswerk. Ich kenne die KD vor allem über den Barth-Kenner Eberhard Jüngel.

    Problematisch finde ich bei Barth folgende Formulierung:
    "Eben weil der, der Gott liebt, weiss, dass das ein Dürfen ist, das er sich als solches nicht genommen hat, sondern das ihm gegeben ist... - eben darum wird er ihn fürchten als den, ohne den er nicht lieben dürfte, und als den, den nun dennoch nicht zu lieben, sein eigenes Ende mit Schrecken bedeuten müsste."
    KD II/1, S.37

    Das heisst laut Jüngel:
    "Gott ist also der, den wir über alles lieben dürfen und deshalb über alles fürchten müssen... " (vgl. Eberhard Jüngel, Gottes Sein ist im Werden, S.69f.)

    Das klingt mir zu verschlungen und exaltiert, fast schon nach Heidegger. Vor allem aber widerspricht dieser Passus 1 Joh 4,18:
    "Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus, denn die Furcht hat es mit Strafe zu tun. Wer sich aber fürchtet, ist nicht vollendet in der Liebe."

    Wie siehst du die Aussage Barths?


    Schlussfrage

    Die Protestanten stellen ja sehr vehement die Aussage in den Vordergrund:
    "Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ (Joh 14,6)
    Das steht ja auch über der ersten These der Barmer Erklärung.


    Was ist mit den vielen Milliarden Menschen, die von Jesus nie gehört haben?
    Bei Barth habe ich dazu keine Antwort gefunden, bei Jüngel auch nicht.
    Aber ich bin kein Barth-Experte. Vielleicht kennst du dazu Aussagen von Barth oder Jüngel.

  • Barth und Bultmann halte ich entgegen die jüngst erschienene Schrift von KLAUS BERGER mit dem Titel "Die Bibelfälscher". BERGER greift die liberalen und modernen Theologen an und wirft ihnen die Zerstörung des Neuen Testaments vor.

  • Zitat

    Barth und Bultmann halte ich entgegen die jüngst erschienene Schrift von KLAUS BERGER mit dem Titel "Die Bibelfälscher". BERGER greift die liberalen und modernen Theologen an und wirft ihnen die Zerstörung des Neuen Testaments vor.

    BERGER´s Neues Testament wird durch sie mit Sicherheit zerstört!

    Denn BERGER ist (müsst ihr wissen), wie er selbst mal sagte: DER EXEGET!!! :rocks:

  • Hallo zusammen,

    ein paar Worte zu

    RUDOLF BULTMANN

    Rudolf Bultmann gilt selbst heute noch unter nicht wenigen Protestanten als bedeutender Exeget. Sein eigentlicher Ruf und Einfluss beruht aber auf seinen systematisch-dogmatischen Schlussfolgerungen und auf seinem Konzept der Entmythologisierung.

    Bultmann als EXEGET

    Bultmann hat sich zunächst eingehend mit den Synoptikern beschäftigt, danach mit dem Johannesevangelium. Sehr umstritten, um nicht zu sagen widerlegt, ist Bultmanns Hypothese, der Evangelist Johannes habe sich auf eine Quelle mit Wundererzählungen gestützt, die sogenannte Semeiea-Quelle. Johannes, so Bultmann, habe dies aber nur getan, um die Wundererzählungen in seiner Gemeinde zu relativieren. Für diese Theorie gibt es keine historisch greifbaren Belege, keine Quellenschriften, auch keine älteren abweichenden Textversionen des Evangeliums.


    Babylonier und Seele, wie seht ihr den "exegetischen Ruf", die rein exegetische Bedeutung Bultmanns heute in der evangelischen Kirche (und Theologie)?



    PAULUS vor/statt JESUS?

    Bultmann meint, in allen vier Evangelien seien fast durchweg nur nachösterliche Gemeindelegenden zu finden. Er erklärt, "dass wir vom Leben und der Persönlichkeit Jesu so gut wie nichts mehr wissen können." Bultmann geht noch weiter: "Es braucht inhaltlich von Jesus nichts gelehrt zu werden als dieses Dass, das in seinem historischen Leben seinen Anfang nahm und in der Predigt der Gemeinde weiter Ereignis wird." Nur das Kerygma (des Paulus) ist für Bultmann wichtig. Er findet erfreulich, dass Paulus den "Christus nach dem Fleisch" - gemeint ist der irdische Jesus - nicht mehr gekannt habe (ich finde es traurig).

    Luther hatte davor gewarnt, die Bibel zum "papierenen Papst" zu machen. Die Lutheraner hatten das nicht wirklich beherzigt. Mit Bultmann, so mein Eindruck, wird Paulus endgültig zum Ersatzpapst, werden seine Schriften zu unfehlbaren Enzykliken erhoben. Der Jesus der Evangelien verflüchtigt sich in Bultmanns Schriften, wird unwichtig.

    Wichtig, so Bultmann, seinen nicht die einzelnen ergeinisse im Leben Jesu, sondern nur das reine Dass der Offenbarung.

    Babylonier und Seele, ihr als Evangelische könnt das sicher beantworten. Gilt es Jesus vn Paulus her zu verstehen oder Paulus von Jesus?
    Und wie versteht ihr, Bultmanns reines "Dass der Offenbarung"?



    Bultmann und Heideggers "existentiale Interpretation"

    Bultmanns Sehweise ist stark beeinflusst durch die Philosophie Martin Heideggers. In Bultmanns Bibel-Exegese und Deutung Christi geht es um "existentiale Interpretation", um "existentielles Betroffensein". Wenn Bultmann "Krisis, Entscheidung und Gehorsam des Menschen" angesichts der Offenbarung betont, dann meint er imho nicht Jesu Ruf in die Nachfolge, sondern eher den Aufruf Heideggers zur "Eigentlichkeit".

    Mir kommt das sehr individualistisch und privatistisch vor- dem Zeitgeist geschuldet. Die Wirklichkeit wird auf die Sicht des Menschen eingeengt. Die Schöpfung als Ganzes tritt im Konzept Bultmanns nicht auf, sie wird nicht mit erlöst.

    Babylonier und Seele: Wie seht ihr das? Ich meine damit Bultmanns Sicht in diesem Punkt.

    Bultmanns Konzept der Entmythologisierung

    Als Quintessenz seiner exegetischen und philosophischen Überlegungen und Hypothesen entwickelt Bultmann eine Entmythologisierungsprogramm. Grob gesprochen erklärt Bultmann alles, was in der Bibel nach Wunder klingt, Heilungen, Totenwerweckungen, Verklärung, Naturwunder zu Fabelei und Legende, auch die Auferstehung Jesu,
    ZU Erfindungen (="Gemeindebildungen"), Halluzinationen, Übertreibungen, Missverständnissen und Fehldeutungen.

    Wichtig ist FÜR BULTMANN nur der Christus der Verkündigung (=Kerygma). Das Kerygma wie es bei Paulus begegnet, ist das erste und einzig ernstzunehmende Glaubensfundament.

    Wunder, Engel, Satan und Dämonen: Gibt es nicht.
    Das leere Grab: Unwichtig,
    Die leibliche Auferstehung Jesu: Muss nicht historisch passiert sein.
    Der Jesus der Evangelien: Vornehmlich, Mythos, - also Märchen, Fabel, Legende.


    Ich sehe das anders.
    Ich glaube an Wunder, ich habe sie erlebt an anderen, am eigenen Leib.
    "Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist" hat David Ben-Gurion einmal gesagt.

    Bultmanns Theologie hat sicher zwei Generationen protestantischer Pastoren zumindest in Deutschland stark beeinflusst. Dass immer mehr Gläubige die evangelische Kirche verlassen, dass heute gerade noch 3% aller Protestanten regelmässige Kirchgänger sind, hat meiner Ansicht nach zumindest teilweise zunindest mit Bultmanns Entmythologisierungsprogramm zu tun.


    Bultmanns Entmythologisierung fasziniert vor allem ein akademisches Publikum.
    Einfache Mitglieder empfinden das anders. Mir haben einige einfache ehemalige Protestantinnen ihr Leid geklagt.
    Sinngemäss: Als ich in der Kirchenbank sass und die Predigt hörte , dachte ich mir, wozu sitze ich hier , wenn die Wunder und gar nicht wahr sind, wenn alles erfunden und halluziniert ist. Was mache ich dann hier?
    Und jemand anders:
    Welchen Trost spendet eine Trauerfeier, wenn man weiss und hört, dass für den Pastor da vorne das alles unwichtig ist, dass er meint, Jesus gar nicht wirklich auferstanden ist

    Nicht nur aus Laienmund kommt Kritik, auch Theologen äussern Unverständnis gegenüber Bultmmanns Konezpt. ZB. Wolfhart Pannenberg:
    "Bultmanns Versuch einer Entzeitlichung der urchristlichen Hoffnungen, so Pannenberg, habe sich als „den neutestamentlichen Texten gegenüber als unangemessen erwiesen."


    @Seele und Babylonier, ich denke, ihr kennt Pannenberg, ein anerkannter protestantischer Theologe. Wie schätzt ihr diese Aussage von ihm über Bultmann ein?


    Fortsetzung folgt

  • Bultmanns Entmythologisierung und das moderne naturwissenschaftliche Wirklichkeitsverständnis

    In seinem programmatischen Aufsatz zur Entmythologisierung aus dem Jahr 1941 schreibt Bultmann:
    „Man kann nicht elektrisches Licht und Radioapparat benutzen... und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments glauben. Und wer meint, es für seine Person tun zu können, muß sich klar machen, daß er, wenn er das für die Haltung des christlichen Glaubens erklärt, damit die christliche Verkündigung in der Gegenwart unverständlich und unmöglich macht.“
    (R.Bultmann, Neues Testament und Mythologie, 1941, S. 18)


    Bultmann begründet seine Entmythologisierung mit dem Fortschritt von Wissenschaft und Technik. Leider übersieht er völlig, dass gerade die moderne NATURwissenschaft (zB Einsteins Relativitätstheorien, Astronomie und Quantenphysik) das schlicht-mechanistische Weltbild Bultmanns radikal in Frage stellt.

    Die Wirklichkeit funktioniert im Grössten und Kleinsten absolut nicht nach dem angeblich so modernen, banalen und anti-wundersamen Alltagsmuster Bultmanns und seiner Vorstellung von Zeit und Raum.

    Der protestantische Theologe Jürgen Moltmann gibt gegen Bultmann zu bedenken:
    „Ist der kosmische Geist der Geist Gottes, dann kann das Universum nicht als ein geschlossenes System angesehen werden. Es muß als ein für Gott und seine Zukunft offenes System verstanden werden.“

    Und Werner Thiede, ebenfalls ein protestantischer Theologe, kommentiert diese Worte Moltmanns:
    "In diesem Sinn hat Rudolf Bultmann die kosmische Dimension des Wirklichkeitsverständnisses und ihre Relevanz für die existentielle Interpretation sträflich unterbelichtet."


    @Seele und Babylonier: Wie seht ihr den Einfluss von Bultmanns Entmythologisierungskonzept heute im protestantischen Raum und wie steht ihr selbst dazu?

    N

  • Zitat

    Babylonier und Seele, wie seht ihr den "exegetischen Ruf", die rein exegetische Bedeutung Bultmanns heute in der evangelischen Kirche (und Theologie)?

    Menschino:

    warte Babyloniers Antwort noch ab, denn ich kann dir da wenig zu sagen.. Der Name Bultmann ist mir natürlich total geläufig, aber ich habe noch nichts von ihm gelesen und weiß auch nicht, wie er heute in der EKD betrachtet wird.

    Zitat

    Babylonier und Seele, ihr als Evangelische könnt das sicher beantworten. Gilt es Jesus vn Paulus her zu verstehen oder Paulus von Jesus?
    Und wie versteht ihr, Bultmanns reines "Dass der Offenbarung"?

    Nein, absolut nicht! Wie soll ich verstehen, was Paulus da alles schreibt, ohne den MENSCHEN & GOTT Jesus zu betrachten?!? Jesus ist der Inhalt Paulis; ich darf Paulis Texte nur "zu Christus hin" und "von Christus her" ansehen und auslegen, nicht um Paulus willen! Das schreibt Paulus übrigens selbst!

    Was Paulus macht, ist, den ganzen Heilsprozess theologisch auszurollen. Er erklärt es umfangreich für uns Leser. Das käme (hätten wir nur die Evangelien) sicher nicht ausreichend zu Geltung, der Meinung bin ich auch; deshalb sind seine Briefe auch in der Bibel, das hat ja einen Grund.

    Paulusbriefe ohne Evangelien wären undenkbar, denn ohne "Gegenstand" bzw. ohne "Thema" brauche ich den Paulus nicht lesen! Das Thema ist aber der Gottessohn, der Mensch wurde, starb und auferstand.

    Bei allen Schriften muss man "auf Christus hin" & "von Christus her" lesen! Deshalb nannte Luther ihn "die Mitte der Schrift", oder auch den sensus litteralis ("Sinn der Schrift").

    Mit dem "Dass der Offenbarung" meint Bultmann wohl, dass Paulus nur den erhöhten Christus, aber nicht den erniedrigten Menschen kennengelernt und gepredigt habe..
    Wie gesagt: Für mich nicht haltbar.

    Die Frage ist natürlich, was Bultmann meinte! Wenn er einfach nur historisch-chronologisch die Fakten aufzählt, dann stimmt es natürlich, dass Paulus NACH dem irdischen Jesus kam und predigte, sie sich "nie kennenlernten". Das sind fassbare Fakten. Wir sehen aber theologisch auf etwas anderes, was entscheidend ist.

    Zitat

    Babylonier und Seele: Wie seht ihr das? Ich meine damit Bultmanns Sicht in diesem Punkt.

    Zur ex. Exegese: Rein bezogen auf den einzelnen Menschen, der das Wort hört und daran gläubig wird oder nicht, lässt sich die existentialistische Betrachtung nicht leugnen; es ist ja eine.
    Das ist aber nur die "halbe Miete", denn wir sind ja nicht ein Haufen von "gläubigen Individuen", die alle für sich glauben (auch wenn moderne Atheisten das gerne hätten), sondern wir geben unserem Glauben ja eine äußere Gestalt durch Kirche, Zusammenkunft, Rituale, Gottesdienst, Liedgut, Schriften, Lehre usw.

    Die ex. Sicht ist nur die reine Eigenbetrachtung des Einzelnen (schon lange vorher bei Kierkegaard ausgearbeitet und betrachtet): Der Mensch, der sich in der natürlichen Welt als "geworfen" vorfindet, sich aber im Glauben als "getragen" und gewollt ansehen kann und dadurch "ganz Mensch" wird, weil als ganzer Mensch gewollt. (Ich schreibe zurzeit über dieses Thema)
    Aber wie gesagt: der Rest gehört auch noch dazu!

    Zitat

    @Seele und Babylonier, ich denke, ihr kennt Pannenberg, ein anerkannter protestantischer Theologe. Wie schätzt ihr diese Aussage von ihm über Bultmann ein?

    Ich kenne ihn nicht, teile aber seine Kritik. WAS wir Christen haben, ist doch unser Glaube!! Wir glauben, gegen jede Vernunft, gegen jeden "logischen" Widerspruch!

    Natürlich ist Jungfrauengeburt "undenkbar"! Deshalb glaube ich auch nicht an Menschen, sondern an Gott!

    Es ist die Aufgabe der Ungläubigen, das alles als "Quatsch" oder Fabeln abzutun, nicht die Aufgabe eines Theologen! Wir sollen aus voller Brust sagen, was wir glauben und die Theologen sollten eigentlich unsere "belesenen Wortführer" sein.

    Dass man das alles als "Geschichten" deuten kann ist nichts neues! Das wird er Ungläubige sowieso tun. Ein Theologe, der das totschlägt, ist ein schlechter Theologe, eigentlich gar kein Theologe!

  • Zitat

    @Seele und Babylonier: Wie seht ihr den Einfluss von Bultmanns Entmythologisierungskonzept heute im protestantischen Raum und wie steht ihr selbst dazu?

    Der Einfluss scheint leider sehr stark zu sein.

    Ich widerspreche ihm!

    Dass heutige wissenschaftliche Erkenntnisse und Theorien einiges aus der Bibel unterstützen, ist für mich gar nicht das Thema! Ich brauche als Christ keine Beweisführung auf wissenschaftlicher Ebene anzutreten; es ist Glaube.

    Dass dieser Glaube aber der heutigen Verkündigung schaden oder sie unverständlich machen würde, zeigt, dass Bultmann sich zumindest sehr mangelhaft mit Luther befasst hat und die "Welten" nicht auseinanderhalten kann.

    Radioapparat und elektrisches Licht (beides Erzeugnisse des Menschen) als Argumente gegen die geistliche Welt (die eigentlich die Sache des Theologen sein sollte), ist schon sehr arm.

  • Hallo gemeinsam,

    vielleicht einmal ein paar Grundgedanken vorweg:

    In 2000 Jahren Kirchengeschichte gab es auf jede Bewegung früher oder später immer auch eine Gegenbewegung. Ich bin kein Theologe und beschäftige mich "nur" freizeitmäßig mit der Theologiegeschichte.

    Anders als vielleicht einige andere Forumsteilnehmer vertrete ich nicht die Ansicht, dass das Christentum irgendwann in Gänze vom rechten Wege abgekommen ist und durch ein besonderes Ereignis oder durch das Entstehen einer neuen Glaubensgemeinschaft zur Wahrheit zurückgeführt wurde. Selbst da, wo viel Schatten war, ist immer auch ein bisschen Licht erkennbar. Man kann dies durchaus auch als Hinweis sehen, dass irgendwo doch jemand einen Blick auf sein Bodenpersonal wirft.

    Ich habe mich noch nie auf den Standpunkt gestellt, dass es in der Kirchengeschichte Personen gibt, deren Ansichten man 1:1 auf die heutige Zeit übertragen kann und soll. Umgekehrt gehe ich natürlich auch nicht davon aus, grundsätzlich allen anderen Christen meine persönliche Meinung überhelfen zu müssen.

    Nicht immer sind für mich der Wortlaut der Äußerungen von bedeutenden Personen der Kirchengschichte entscheidend. Viel wichtiger ist für mich die Grundhaltung, die hinter ihren Aussagen steht. Davon hoffe ich ganz bescheiden, mir die ein oder andere Scheibe abschneiden zu können.

    Christen ringen jeden Tag aufs neue um die Auslegung des Evangeliums, das sie nun seit mittlerweile 2000 Jahre durch die Weltgeschichte tragen. Keine noch so eindrucksvolle Persönlichkeit kann dem Einzelnen dies abnehmen, in dieser Frage bin ich knallharter Protestant.

    Andererseits hat es auch etwas, Teil dieser großen alten Familie und ihrer Auslegungsbemühungen zu sein.

    Im diesem Rahmen sehe ich auch Theologen wir Karl Barth und Rudolf Bultmann.
    Mich stört das Extremistische in Barths Römerbrief. Insbesondere die Behauptung, Gott sei "der ganz Andere".

    Das halte ich für überzogen. Gott hat uns zu seinem Ebenbild geschaffen.

    Nun, da sind wir beim Thema Gegenbewegung. Vor Karl Barth gab es 200 Jahre "liberale Tehologie", die versucht hat, moderne Wissenschaften, den "gesunden Menschenverstand" und das Christentum zusammen zu brigen. Teilweise mit recht skurrilen Ergebnissen.

    Da war es schon ganz angebracht, dass Barth dazwischengedonnert hat, dass Gott nicht rational erklärbar, sondern "der ganz andere" ist.

    Es geht imho auch um den Unterschied von analogia entis und analogia fidei.
    Das durchzieht das ganze Werk und Denken von Karl Barth.
    Dazu hätte mich deine Ansicht interessiert.

    Da bin ich im Moment etwas überfragt. So weit bin ich in die kirchliche Dogmatik nicht eingedrungen. Könnte daran liegen, dass ich sie (noch) nicht gelesen habe. ;)

    Problematisch finde ich bei Barth folgende Formulierung:
    "Eben weil der, der Gott liebt, weiss, dass das ein Dürfen ist, das er sich als solches nicht genommen hat, sondern das ihm gegeben ist... - eben darum wird er ihn fürchten als den, ohne den er nicht lieben dürfte, und als den, den nun dennoch nicht zu lieben, sein eigenes Ende mit Schrecken bedeuten müsste."
    KD II/1, S.37

    Das heisst laut Jüngel:
    "Gott ist also der, den wir über alles lieben dürfen und deshalb über alles fürchten müssen... " (vgl. Eberhard Jüngel, Gottes Sein ist im Werden, S.69f.)

    Von Jüngel habe ich nur einen eher nichtssagenden Aufsatz gelesen und mal eine Predigt im Rahmen eines Gottesdienstes gehört. Er soll ja wohl recht wacker versuchen, Bultmann und Barth irgendwie zu vereinen. Die von Dir zitierte Zusammengehörigkeit von Liebe und Schrecken/Furcht ist nicht Bestandteil meines Alltagslebens. Mehr kann ich dazu auch nicht sagen.

    Was ist mit den vielen Milliarden Menschen, die von Jesus nie gehört haben?
    Bei Barth habe ich dazu keine Antwort gefunden, bei Jüngel auch nicht.

    Dann habe ich erst recht keine. Vielleicht liegt es daran, dass es hier auf dieser Erde wohl auch keine Antwort dazu geben kann. Ein gerechter Gott wird sich da bestimmt etwas einfallen lassen.


    Barth und Bultmann halte ich entgegen die jüngst erschienene Schrift von KLAUS BERGER mit dem Titel "Die Bibelfälscher". BERGER greift die liberalen und modernen Theologen an und wirft ihnen die Zerstörung des Neuen Testaments vor.

    Da sind wir wieder beim Thema Gegenbewegung. Obwohl Klaus Berger sicherlich manchmal etwas schräg auftritt, sind seine Gegenthesen zu Bultmann sicherlich interessant. Aber kleiner Hinweis: Karl Barth und Rudolf Bultmann keine KEINE liberale Theologen, sondern haben als Gegenbewegung anfang der 1920er der dialektischen Theologie zum Durchbruch verholfen, die trotz der modernen Wissenschaften den Glauben an Gott für zeitgemäß hält.

    30 Jahre später sind ihre Schulen zwar unterschiedliche Wege gegangen, aber die Vorgeschichte sollte man nicht vergessen.

  • RUDOLF BULTMANN

    Rudolf Bultmann gilt selbst heute noch unter nicht wenigen Protestanten als bedeutender Exeget. Sein eigentlicher Ruf und Einfluss beruht aber auf seinen systematisch-dogmatischen Schlussfolgerungen und auf seinem Konzept der Entmythologisierung

    Bultmann gilt nach meiner Information als bedeutender Theologe, weil er sehr akribisch die Urtexte analysiert und in Zusammenhang mit anderen geistigen Strömungen der damaligen Zeit in Palästina gebracht hat.

    Die "Entmythologisierung" versucht, das damalige Denken, das für das Christentum so ansprechbar war, für uns heute verständlich zu machen.

    Zudem hat er trotz seiner Interpretationen versucht darzulegen, warum der christliche Glauben aktuell ist.

    Wegen diesen Bemühungen wird er heute noch akzeptiert und gilt als bedeutend, nicht unbedingt wegen seiner Vermutungen, was von den berichteten Dingen damals wirklich passiert ist und was eher nicht

    @Seele und Babylonier, ich denke, ihr kennt Pannenberg, ein anerkannter protestantischer Theologe. Wie schätzt ihr diese Aussage von ihm über Bultmann ein?

    Ich habe nur das Buch "Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland" von Wolfhart Pannenberg gelesen. Da dies laut meinen Aufzeichnungen schon 2007 war, bin ich im Moment etwas überfragt. Aber der nächste Urlaub mit Zeit zum Lesen kommt ja bestimmt.

    Bultmann begründet seine Entmythologisierung mit dem Fortschritt von Wissenschaft und Technik. Leider übersieht er völlig, dass gerade die moderne NATURwissenschaft (zB Einsteins Relativitätstheorien, Astronomie und Quantenphysik) das schlicht-mechanistische Weltbild Bultmanns radikal in Frage stellt.

    Dem ist nichts hinzuzufügen. Wie oben ausgeführt, muss man nicht alle Aussagen von bedeutenden Pesönlichkeiten 1:1 auf die heutige Zeit übertragen. In diesem Punkt war Bultmann wohl doch noch ein geistiges Kind des späten 19. Jahrhunderts und der damals herrschenden Technikgläubigkeit, gemäß der es der Menschheit durch den Fortschritt Jahr für Jahr besser geht.

    Nachdem diese Technikgläubigkeit in der Katastrophe des 1. Weltkriegs zusammengebrochen ist, hat er immerhin in einigen Punkten umgedacht.


    So weit für heute, herzliche Grüße und schönes WE wünscht B.

  • Hallo Seele, hallo Babylonier,

    Danke für eure ausführlichen Antworten.

    Leider ;) gibt es zu wenig Dissens, um euch wiederum eine ausführliche Replik zu schreiben.

    Sicher hat vieles geschichtliche Gründe.
    Und auf eine Position folgt bekanntlich laut Hegel die rohe Negation und danach erst die Negation der Negation als neue Position.

    Dennoch denke ich, dass Bultmann auf die evangelische Theologie und in die Gemeinden hinein extrem verhängnisvoll gewirkt hat und wirkt.


    Danke nochmals und schönen Tag

    Menschino

    PS:
    Moltmann und Pannenberg nicht vergessen