Was ist ein Wissenschaftler ?

  • Stephan Zöllner

    Ich habe auch studiert und hatte Vorlesungen die waren unterirdisch schlecht. Aber ich mache nicht dem Professor ein Vorwurf sondern dem Studienreglement. Ein Professor wird nämlich primär angestellt um zu forschen, die Vorlesungen sind für gewisse nur Mühsames Beiwerk. Man sollte statt solchen Professoren lieber einen Doktoranden oder einen andern Wissenschaftlichen Mitarbeiter vor die Studenten stellen. Ich glaube aber nicht, dass das primär etwas mit Hochmut zu tun hat sondern vielmehr damit, dass sie nicht gerne unterrichten. Man darf nicht vergessen, Wissen weitergeben zu können ist nicht jedem gegeben. Bei dem einen Professor war es auf alle Fälle so, dass die Vorlesungen eine echte Katastrophe waren, dafür war die Betreuung bei Studienarbeiten etc. überdurchschnittlich gut. Ich durfte den Herrn dann auch durch meine Vertiefung in seinem Bereich näher kennen lernen und menschlich war der Super, der hat einfach nicht gerne unterrichtet. Ich möchte jetzt nicht behaupten, dass alle Professoren menschlich top sind, aber das kann man auch nicht von allen "Durchschnittsmenschen" behaupten. Ich glaube im Schnitt sind da so ziemlich alle gleich.
    Das Nichtwissenschaftler ebenso viel wie Wissenschafter geleistet haben steht für mich sowieso ausser Diskussion. Viele Wissenschafter haben übrigens nur unter den Ihrigen ein hohes Ansehen, von der breiten Bevölkerung nimmt die keine wahr. Es sind wahrscheinlich keine Handvoll die man wirklich kennt. Der grösste Teil sind stille Schaffer, die einfach ihren Interessen folgen.

    Liebe Grüsse
    DonDomi

  • Als erster in den verschneiten Institutshof morgens hineinkurvend begann ich als kleines Assistentoid die Parkplätze händisch freizuschaufeln. Al s zweiter kam der Ordinarius, o. Univ. Prof. Dr xxxx , nahm eine zweite Schaufel und schaufelte mit - -

    Dienstag, Tarockabend des zweiten im Hause , ao. Univ. Prof. Dr. yyyy- 19 Uhr : Nicht wahr, Herr Kollege, sie sind eh noch da, sie schalten dann ab - - Die Wasserkühlung des Elektronenmikroskopes hatte - Budgetgründe - keine Zeitschaltur, also sass ich noch eine Stunde da, um dann endlich den Wasserhanhn abzudrehen. Auf mikch wartete schlioesslich keine Tarockrunde.

    Nihil hic determino dictans : Conicio, conor, confero, tento, rogo, quero - -

    Leider kann ich nicht mit der alleinerziehenden Mutter aufwarten - -

  • Ich habe leidenschaftliche Kollegen erlebt, die sich ihre Erfolge und ihr Ansehen hart erarbeitet haben und wirklich viel zur Erweiterung unseres Wissens beitragen. Ich habe auch den Eindruck, dass unser Wissenschaftssystem in seiner jetzigen Gestaltung auch nur für die Besten wirklich durchlässig ist, alle anderen werden über kurz oder lang aus der Wissenschaft ausscheiden, weil die Zahl der festen Stellen sehr begrenzt ist. Nur eines hat mich sehr getroffen und mir gezeigt, dass auch die Wissenschaft keine blitzsaubere Sache ist: Wer weit genug kommt, um auch mal unter die Haube zu sehen, der sieht dann auch den zerstörerischen Einfluss der "Wissenschaftspolitik" und des Ringens um Forschungsmittel. Zumindest ist das in den Naturwissenschaften so, woanders vielleicht auch. Die Konkurrenz belebt zwar das "Geschäft", aber sie sorgt auch dafür, dass man zunehmend weniger Zeit im Labor verbringt, aber sich mehr mit Randtätigkeiten auseinandersetzen muss. Und wenn sie darin bestehen, auch mal eine konkurrierende Gruppe auszumanövrieren. Oder sich gar dafür einzusetzen, dass ihre Finanzierung gekürzt wird (alles erlebt). Keine schöne Sache. Trotzdem: Es werden zwar Veröffentlichungen gezählt, aber immer noch vorher auch geprüft, so dass kein Nonsens oder inhaltsfreie Artikel durchkommen, sondern durchaus Qualität. Erarbeitet von den Leuten, die trotz allem im Labor stehen (dürfen) und dort fantastische Entdeckungen machen.

  • Kennter auch solche ? Armer Bauern Kind,Kloster , Universität Prag, dann Brotberufe. In einem Kammer errechnete er seine loschmidsche Konstante - - erst spät gelang es ihm, zuerst als ao. dann doch als o. Prof. an die Universität zu kommen.

    Die präzise, wissenschaftlich einwandfreie, durch langes Suchen und Studieren uralter Akten belegte Geschichte seines Heimatdorfes Jois durch fast tausend Jahre durch einen pensionierten Priester ? - - -

    Das sind Wissenschafter, mit einer Frage, einem Ziel, unbändigem Fleiss und kriticsher, prüfender Haltung, sich nicht mit billigem Wortgebimmel zufrieden gebend. Ud dann mit Stil im Darstellen der Ergebniusse ihres Fleisses.

    Was auffällt : Sie sind sehr sparsam mit der Zahl ihrer Publikationen. Ihre (!!) Wissenschaft erlaubt nicht Vielschreiberei.

    Nihil hic determino dictans : Conicio, conor, confero, tento, rogo, quero - -

    Leider kann ich nicht mit der alleinerziehenden Mutter aufwarten - -

  • Auch bei der Entdeckung der Fullerene und dem in dem Zusammenhang verliehenen Nobel-Preis gibt es Vergessene, die aber durchaus Pionierarbeit geleistet haben.

    Ich war ganz sicher auch nicht der Einzige, der beim Spielen mit einem Molekül-Baukasten plötzlich einen Fußball in der Hand zu haben schien - aus reinem Kohlenstoff -> (das ist das C60-Fulleren!). Nur gab es in meinem Umfeld Niemand, der in der Lage gewesen wäre die Bedeutung dieses "Spielergebnisses" zu beurteilen auch wenn mein Chemie-Lehrer scherzeshalber in einer ähnlichen Molekül-Spielerei sagte: "Nobel-Preise gibt es später!"

    Es ist übrigens keine Seltenheit, daß eine Entdeckung von mehreren Leuten gleichzeitig gemacht wird oder, dass manche Entdeckung mehrfach gemacht werden muß bevor sie - dann meist durch den letzten Entdecker - überhaupt aufmerksam findet. Die frühen Entdecker bleiben dabei meist unerwähnt oder werden oft erst Jahre oder Jahrzehnte später gefunden.
    Es spielt dabei nicht nuch die Forschertätigkeit oder Wissenschaftsgemeinde sondern auch die Publikations- und Marketing-Strategie im näheren Umfeld der Forscher eine Rolle. Für die Bekanntheit einer Entdeckung oder ihres Entdeckers spielen also ein paar mehr Faktoren eine Rolle als die Qualität der Forschungsergebnisse ...

  • Hallo zusammen,

    es gibt ja eine wissenschaftliche Annnäherung an die Frage, was Wissenschaft ist - nämlich in den sog. Wissenschaftstheorien.


    Der erste Ansatz war, dass jede wissenschaftliche Aussage in WIEDERHOLBAREN Beobachtungen und Experimenten nachprüfbar sein muss.
    Also immer wieder.
    So haben Kepler, Galilei und Newton Wissenschaft verstanden.
    Die Jupitermonde sind immer wieder auffindbar, die Fallgesetze ergeben in Experiment und Beobachtung immer wieder die gleichen von der Theorie in Naturgesetzen vorhergesagten Ergebnisse.

    Die Planeten oder Monde müssen also immer wieder dort auffindbar sein, wo die Theorie sie vorhersagt, ansonsten ist die Theorie unwissenschaftlich.
    Die Spuren des Higgsteilchen müssen immer wieder reproduzierbar sein und die gleichen Messergebnisse liefern.

    Die Philosophenschule um den "Wiener Kreis" (u.a. Carnap, Schlick) hat das dann um 1920 zur "Sprach-und-Wissens-Theorie" des logischen Empirismus und Neopositivismus ausgebaut. Das Verifikationsprinzip gilt hier als Grundlagen-Kriterium für Wissenschaft.
    Wissenschaftliche Aussagen müssen immer wieder (in Beobachtung und Experiment) verifizierbar sein. Sie müssen Dinge oder Sachverhalte beschreiben.

    Ich überspringe nun die Diskussionen um das Falsifizierungsprinzip und komme gleich zu einem entscheidenden Punkt.

    Das Verifikationsprinzip, die Wiederholbarkeit von Aussagen und Theorien in Beobachtung und Experiment, lässt sich nur in den Naturwissenschaften durchhalten.


    In den Geisteswissenschaften ist das nicht (durchgängig) möglich. Die Feldzüge Napoleons oder das Leben Jeanne d'Arcs, aber auch das Auftreten Jesu, lassen sich nicht im Labor wiederholen.

    In den Geistes- und Sozialwissenschaften sind wir auf Quellen angewiesen, um herauszufinden, was wirklich geschehen ist oder was gilt.
    Geistes- und Sozialwissenschaften - von der Geschichtswissenschaft bis zur Ökonomie - sind zum grossen Teil Deutungswissenschaft und eine Frage der Gewichtung. Welche Quellen und Dokumente oder auch welche Statistiken und Methoden werden als glaubwürdig eingestuft - welche nicht. Und warum werden die einen als glaubwüdiger betrachtet als die anderen. Darüber müssen die Forscher - wiederum in begründeten und möglichst belegten Aussagen und Theorien - in den Geisteswissenschaften Rechenschaft ablegen.

    Das heisst: in den Geisteswissenschaften - und damit auch in der Theologie - müssen Quellen, Statistiken, Texte und Textzusammenhänge genannt und ihre Glaubwürdigkeit und Aussagekraft begründet werden. Wer das nicht tut, nicht kann oder nicht will - geht unwissenschaftlich vor.

    Es ist klar, dass in der Geschichtwissenschaft, in der Theologie, - aber auch in Ökonomie, Soziologie, Psychologie - die einen Forscher jene Quelle oder Theorie für glaubwürdig halten - andere Forscher ganz andere Quellen, Statistiken und Theorien für aussagekräftig(er) befinden.

    Es können daher in den Geisteswissenschaften mehrere - auch einander widersprechende - Erklärungen oder Theorien existieren.
    Solange die Erklärungen und Theorien sich auf Quellen, Analysen, Statistiken stützen und von daher als logisch begründet gelten dürfen, sind sie als wissenschaftlich zu betrachten.

    Hier genau liegt aber der Haken.

    In der Theologie zum Beispiel wird das Johannesevangelium von den meisten Forschern als jüngstes betrachtet, vor allem weil es "vergeistigter" sei, den protokollhaften Aussagen ferner als die synoptischen Evangelien (des Markus, Matthäus, Lukas).

    Der Exeget Klaus Berger (und einige andere) hingegen sieht das Johannes-Evangelium als das älteste an, vor allem weil es keinerlei Anspielung auf die Zerstörung Jerusalems enthält.

    Ich halte beide Ansichten zum Alter des Johannesevangeliums für gut begründet und durch Quellen belegt. Beide Aussagen sind in meinen Augen wissenschaftlich. Sowohl Klaus Berger als auch die anderen Exegeten gehen wissenschaftlich vor, sie sind in meinen Augen Wissenschaftler.


    Allerdings finde ich persönlich eine der beiden Theorien plausibler.

  • Allerdings finde ich persönlich eine der beiden Theorien plausibler.

    Das ist dann aber nicht Wissenschaftlich sondern Spannung aufbauen... eines Fortsetzungs.... :D

    Erzähl Deine plausible Theorie...

    Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Joh. 3,16

  • Nur meine persönliche Meinung: Ich halte Klaus Berger für keinen "guten Exegeten". Punkt. Nur meine persönliche Ansicht.

    Ich würde ebenfalls sagen, dass das Johannesevangelium das jüngste ist.

    1. Wenn es jener Johannes aus dem Apostelkreis Jesu war, dann war er (was man heute so weiß) jünger als die anderen Apostel und Jünger. (Gut, muss natürlich nichts heißen..)

    2. Dass er keine Anspielung auf die Zerstörung Jerusalems macht, hängt meines Erachtens damit zusammen, dass er eine andere Thematik und auch andere "Adressaten" hat.

    Oft wird ja Johannes als sehr "judenfeindlich" angesehen, was man oberflächlich betrachtet, nicht ganz leugnen kann.
    Seine "Adressaten" damals waren verstärkt Heiden und vielleicht Gnostiker. Ich sehe die Einstufung, dass es ein "gnostisches Evangelium" sei (wie man oft sagt), nicht als "gnostische LEHRE" in dem Sinne, sondern eher als Antwort auf Gnostiker.
    Es ist nämlich bei allen Autoren recht auffällig, dass sie immer "in der Sprache" der jeweiligen "Haupt-Adressaten" schreiben; Johannes schreibt also scheinbar recht "gnostisch", aber nicht, weil er gnostische Lehre verbreiten will, sondern um dem gnostischen Stil zu antworten und in "ihrer Sprache" das Evangelium richtig (und eben nicht gnostisch-esoterisch) auszulegen.

    Paulus tut das auch ständig mit hellenistischen Gruppen und Hintergründen; damit die Adressaten verstehen, worum es geht.

    Johannes hat auch viel mehr Verdolmetschungen drin als die anderen. Das ist nur nötig, wenn es an Heiden gerichtet ist; ebenso lauter Erklärungen betreffs jüdischer Gebräuche. Auch die wären für einen Juden unnötig.

    Daher kann er meines Erachtens nicht der älteste sein, denn das Evangelium ging eindeutig ERST an Juden und DANN an Heiden (kollektiv gesprochen; von Einzelfällen römischer und samaritanischer Personen mal abgesehen!)

    Ein Evangelium ist kein Schrieb an Einzelpersonen (z.B. einen römischen Soldaten oder so), sondern ein Text an Kollektive.

    Der "jüdischste" Evangelist ist Lukas; er hebt den Menschen Jesus stark hervor.

    Matthäus ist sehr "messianisch"; er hebt das Reich Gottes, die Verheißungen, den Königsanspruch Jesu hervor.

    Markus ist sehr "gebildet"; manche sagen, er schrieb an "gebildete Heiden".

    Johannes schließlich hebt den Gott Jesus hervor.

    Natürlich sind all diese Aspekte in allen Evangelien vermengt und nicht klar abgegrenzt. Aber man erkennt sozusagen "Themen-Schwerpunkte".

  • P.S.:

    Klaus Berger möchte Johannes als den "Ältesten Evangelisten" haben, weil das der römischen Kirche viel besser in die Hände spielen würde;

    denn aus Johannes (wie bei allen sehr "geistlichen" Texten), lässt sich exegetisch am meisten rausholen oder rausdeuten.

    Die jüdische Grundlage würde enorm abgeschwächt, wenn man Johannes an den Anfang setzt.

    Dadurch wird die Tatsache des "Einpfropfens der wilden Zweige", den Paulus im Römer beschreibt, enorm verdunkelt.