„HERR, du hast mich erforscht und erkannt. Du kennst mein Sitzen und mein Aufstehen, du verstehst mein Trachten (o. Wollen, Absicht, Gedanken) von ferne. Du prüfst mein Wandeln und mein Liegen und bist vertraut mit allen meinen Wegen. Denn das Wort ist noch nicht auf meiner Zunge, siehe, HERR, du weißt es genau.“ Ps 139,1-4 ELB
Handelt es sich in diesem Textabschnitt wirklich um zukünftige Dinge, oder erkennen wir durch das im vorliegenden Text beschriebene „Sitzen“ bzw. „Aufstehen“ Davids (Vers 2), dass es sich hier um Ereignisse in der Gegenwart handelt, die GOTT erkennt? Auch in Vers 3 lesen wir, dass GOTT das Wandeln Davids kennt, mit seinem „Liegen“ und allen seinen Wegen vertraut ist und in Vers 4, dass GOTT das Wort schon weiß, ehe es auf der Zunge Davids war, was wie schon in Vers 2 beschrieben, das Wissen Gottes um das gegenwärtige Trachten bzw. Vorhaben Davids anspricht. Wir sollten auch vordringlich beachten, dass David wusste, wie GOTT sein „Sitzen“ bzw. „Aufstehen“ und sein „Trachten“ – seine Gedanken bzw. seine Absicht, oder sein Wollen (Vers 2), sowie das „Wandeln“ und „Liegen“ Davids (Vers 3) erkannt hatte. Ganz am Anfang des Psalmes 139 lesen wir im ersten Vers als Grundlage für die weiteren Aussagen Davids, dass GOTT ihn deshalb durch und durch erkennen konnte, nicht weil er absolutes Vorherwissen besitzt, sondern weil er ihn erforscht hatte: „HERR, du hast mich erforscht und erkannt.“ Dass dieses Erforschen Davids mit daraus folgendem Erkennen Gottes nicht irgendwann vor Grundlegung der Welt geschah, sondern in der gegenwärtigen Lebenszeit des Psalmschreibers, wird aus den letzten Versen des vorliegenden Psalms deutlich:
„Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne meine Gedanken!“ Ps 139,23+24 ELB
Dort wünscht sich David als abschließenden Zusatz zum einleitenden Vers 1, dass GOTT ihn weiterhin durch sein Prüfen erforschen möge, damit er sein Herz bzw. all seine Gedanken erkennen würde. Hier sollten wir uns fragen, ob dieser Psalmtext den herkömmlichen Glauben an ein absolutes Vorherwissen Gottes zulässt, oder ob GOTT etwa durch sein prüfendes Erforschen an David in der selben Weise seine gegenwärtigen Gedanken, samt seinem momentanen Trachten bzw. Vorhaben erfahren konnte, wie es auch schon viele Jahrhunderte zuvor durch die Prüfung des Abraham (1.Mo 22,1+12), des Volkes Israel (5.Mo 8,2; 13,1-3) und bei Hiskia (2.Chr 32,31) der Fall war? Lesen wir in diesen Texten nicht etwa klar und deutlich, dass GOTT durch sein Prüfen bzw. Erforschen die Herzen des Abraham, der Israeliten und des Hiskia erkennt?
Ein weiterer Textabschnitt des vorliegenden Psalms des David wird bei oberflächlicher Lektüre oft als vermeintlicher Beweis für das absolute Vorherwissen Gottes herangezogen:
„Denn du hast meine Nieren bereitet, du hast mich gebildet im Mutterleibe. Ich danke dir, daß du mich wunderbar gemacht hast; wunderbar sind deine Werke, und meine Seele erkennt das wohl! Mein Gebein war dir nicht verborgen, da ich im Verborgenen gemacht wurde, als ich gebildet wurde unten in den Tiefen der Erde. Deine Augen sahen mich, als ich noch unentwickelt war, und es waren alle Tage in dein Buch geschrieben, die noch werden sollten, als derselben noch keiner war.“ Ps 139,13-16
In den Versen 13-16 geht es um das in der Vergangenheit liegende Embryonalstadium Davids im dunklen Mutterleibe, was weder einen gegenwärtigen, noch einen zukünftigen Zustand darstellt. Selbst als er noch gar nicht geboren war, sah unser aller Schöpfer ihn schon im dunklen Mutterleib. Dass alle Tage schon in ein Buch geschrieben waren, die noch werden sollten, von denen noch keiner da war, ist m. E. keinesfalls im Sinne der Prädestination (Vorherbestimmung) der Lebenszeit zu verstehen, sondern im Sinne von 1.Mo 6,3, dass für den nachsintflutlichen Menschen aufgrund der veränderten Lebensumstände grundsätzlich eine Lebenszeit von etwa 120 Jahren bereitsteht und er diese je nach Erbveranlagung (Genstruktur) und eigenen Lebensstil konsumieren kann. Diese Erbveranlagung bzw. Beschaffenheit der Genstruktur Davids kannte GOTT natürlich, samt seinem zukünftigen Aussehen, da er ihn ja auf der Basis der Gene seiner Eltern erschaffen hatte. Deshalb auch die Aussage, dass der Schöpfer „alle Tage“ (der maximal möglichen Lebenszeit), von denen noch keiner da war, da ja David noch als Embryo im Mutterleib verharrte, bereits kennen würde, indem ER sie in einem Buch vermerkte. Dieses genannte Buch würde ich einem Kalender gleichstellen, in dem alle Tage des bevorstehenden Jahres vermerkt sind, die noch kommen würden – z. B. Kalender 2015. Die Tage jenen Jahres stehen zwar schon im Kalender angeführt, sind jedoch noch nicht da und trotzdem wissen wir, dass sie in der genannten Reihenfolge kommen werden, vorausgesetzt natürlich, der Planet Erde mit seiner Schöpfung existiert noch.