Gestern habe ich einen Bibelkreis von Adventisten besucht, gelesen wird seit einigen Wochen das Johannesevangelium, diesmal wurde unter anderem die Brotvermehrung (Joh. 6, 1-15) gelesen und besprochen.
Das Gespräch kam in eine Einbahnstraße, nachdem ich eine zusätzliche Auslegung, die ich vor eine Weile entwickelte, angesprochen hatte. Wieder einmal habe ich es aufgegeben eine These weiter zu erläutern oder zu verteidigen, weil ich den Eindruck hatte, dass keine Chance besteht, dass sich eine der anwesenden Personen so weit öffnet, um diese Denkmöglichkeit nicht wie einen feindlichen Angriff abzuwehren.
Was lief in der Diskussion, die übrigens sehr friedlich ablief, falsch?
ZitatMan schafft ein „künstliches Dilemma“; es scheint nur zwei Möglichkeiten zu geben: eine, zu deren Gunsten argumentiert wird, und eine andere, die gewöhnlich unerwünscht ist – dabei gibt es aber in Wirklichkeit mehrere Alternativen.
[quelle]Zeugen Jesu (Bonn): "Arten der Argumentation"[/quelle]
Ich kann es auch mit meinen Worten sagen, da ich früher mal die Absicht hatte, Rhetor und Kommunikatiosntrainer zu werden: Es wurde eine falsche Alternative behauptet. Man könnte es auch volkstümlich und etwas vereinfachend Schwarz-Weiß-Denken nennen.
Was ich ungefähr gesagt habe
Nachdem über die Brotvermehrung schon ein Weilchen gesprochen worden war, ließ ich mich dazu hinreißen, anzuführen, dass ich mir eine weitere Auslegung vorstellen könne. Ich erklärte, dass ich mich damit nicht unbedingt dagegen wende, dass Jesus tatsächlich Brote vermehrt haben könnte. Meine Interpretation ging dahin, dass in der Erzählung von der Brotvermehrung der Vorgang des Lehrens an sich dargestellt werde: Jesus gibt die Lehre an seine vertrautesten Mitstreiter, die 12 Apostel und vielleicht noch andere Jünger weiter, diese gehen in einzelne Gruppen und geben in jeder Gruppe die Lehre wieder. Wie heute, wenn jemand die Kopie einer Datei per E-Mail verschickt, handelt es sich um eine Vermehrung, genauer gesagt um einen vielfachen Nachbau von Inhalten, ähnlich wie wenn ein Baum seine Samen über den Wind verteilt hat und sie dann vielerorten Wurzeln austreiben bis an manchen Orten ein neuer im wesentlichen gleicher Baum erwächst. (Ich habe es nicht mit diesen Worten erklärt und mich im Bibelkreis mehr auf die verwendeten Zahlen vor allem die 5 Brote und die 2 Fische als Indizien für meine Deutung bezogen und darauf, dass Jesus selber in anderen seiner Reden Brot und Sauerteig als Symbole für gute oder falsche Lehrinhalte benutzt hat.)
Reaktionen
Eine freundliche, sehr gläubige Frau neben mir berichtete von einer Erfahrungen aus einer evangelischen Gemeinde, ein Pastor habe dort einmal am Ende eines Gespräches über die Brotvermehrung festgestellt, dass diese Geschichte nicht wörtlich, sondern nur symbolisch zu verstehen sei. Dies sei, so die Frau neben mir, natürlich falsch, man dürfe, so sie und andere Teilnehmer des Bibelkreises, die Fähigkeit Jesu Brot zu vermehren und Wunder zu wirken nicht leugnen. Deswegen, so die mehr oder weniger ausgesprochene Schlußfolgerung, sei auch meine Deutung unzulässig.
Warum mir tiefergehende Gespräche manchmal aussichtslos erscheinen
Es kam mir relativ aussichtslos vor, gegen dieses aus meiner Sicht eindeutig falsche Gegenargument etwas zu erwidern, da daraus meiner Ansicht nach vermutlich nur Streit oder Mißstimmung erwachsen wäre, ich aber keine wirkliche Einsicht meiner Gesprächspartner mehr erwarten zu können glaubte.
Trotzdem handelt es sich um eine falsche Alternative, um ein unlogisches, unzureichendes Gegenargument. Wenn jemand die Geschichte von der Brotvermehrung als metaphorische Darstellung auslegt, folgt daraus nicht, dass er Jesus keine Wunder zutraut. Selbst wenn jemand eine metaphorische oder eine ausschließlich symbolische Auslegung der Brotvermehrungsgeschichte für die einzig richtige hielte, würde er damit nicht behaupten, dass Jesus Wunder dieser Art unmöglich seien. Diesem Gedanken können sich aber offensichtlich viele Siebenten-Tags-Adventisten nicht öffnen, das heißt Vorurteile siegen über die Vernunft. Selbst gestellte und erworbene Denkverbote.
Grüße
Daniels