- Offizieller Beitrag
Wenn ich dich richtig verstehe:
- du hältst den Bericht über die Beschneidung des Timotheus für unglaubwürdig, weil Paulus in seinen Briefen eine - deiner Meinung nach - andere Theologie vertrat
- du hältst den Bericht über das Apostelkonzil in der Apostelgeschichte ebenso für unglaubwürdig, weil Paulus in Gal 2,6 etwas anderes behauptet.
Du argumentierst, dass die Briefe des Paulus (und damit "sein" Evangelium) vor der Niederschrift der Apostelgeschichte geschehen ist:
[...]
Udo Schnelle "Einleitung in das Neue Testament", 2007. - S. 113 datiert den Brief des Apostels Paulus an die Galater auf den Spätherbst 55 n. Chr.
[...]
Die Apostelgeschichte datiert Schnelle auf zwischen 90-100 n. Chr.
[...]
Dem widerspricht sein Brief an die Römer verfasst im Frühjahr 56 n. Chr. (Schnelle), sein Vermächtnis.
Als Schreiber der Apostelgeschichte erkennst du Lukas an, der anscheinend nicht isoliert von Paulus wirkte (2. Tim 4,11 / Pihilemon 24 / Kol 4,14). Ich gehe daher davon aus, dass Lukas das Evangelium von Paulus gut kannte - schriftlich, wie auch mündlich - und zwar als er die Apostelgeschichte aufschrieb! Wenn dem so war - und das halte ich für sehr wahrscheinlich - wieso hat sich Lukas dann solche Irrtümer beim Apostelkonzil und der Beschneidung des Timotheus erlauben können? Er hätte wissen MÜSSEN, dass das, was er aufgeschrieben hat, dem Galaterbrief widerspricht (nach deiner Auffassung).
Du bist der festen Überzeugung, dass Paulus das Gesetz im Galaterbrief (und auch im Römerbrief) für abgeschaft erklärt. Das ist deine persönliche Schlussfolgerung, die für dich eindeutig ist. Auf Grundlage dieser Schlussfolgerung betrachtest du nun die Apostelgeschichte, insbesondere Apg 16,3 - und kommst du zu dem Schluss, dass hier etwas nicht stimmen kann, da sich dieses Ereignis nicht mit deiner Schlussfolgerungen aus den Galater- und Römerbrief verträgt. Es gibt nun zwei Möglichkeiten:
- Du korrigierst deine Schlussfolgerungen, die du aus dem Römer- und Galaterbrief gezogen hast
- Du "korrigierst" die Apostelgeschichte, indem du die besagte Stelle für unglaubwürdig erachtest
Wie du sicher mitbekommen hast, tendiere ich eher zu Punkt 1, weil es für mich im Galater- und Römerbrief (in der Gesamtschau!) nicht um die Abschaffung des Gesetzes geht, sondern um die Klarstellung, welchen Zweck das Gesetz hat. Das wurde hier nicht nur von mir so gesagt und ist auch allgemeine adventistische Überzeugung, wie du sicher schon weißt. Du wählst die zweite Möglichkeit. Diesen Weg der Bibelauslegung halte ich für gefährlich, weil du damit deine eigenen persönlichen Schlussfolgerung über andere Stellen der Bibel stellst. Wer sagt denn eigentlich das Paulus recht hatte? Vielleicht hatte ja Lukas recht und Paulus irrte sich. Diese These wurde hier übrigens auch schon vor kurzen von Hans Dieter vertreten (War Paulus ein Irrlehrer?). Er wendete quasi die gleiche Auslegungsmethode an wie, nur halt in das andere extrem, vielleicht hast du es ja mit bekommen.