hallo zusammen,
ich möchte an dieser Stelle mal sagen, was mich bei der Bibelbetrachtung und dem Studium doch enorm ärgert, und ich manchmal das Gefühl habe, ich müsste meine Bibel irgendwo in die Ecke schmeißen.
Als ich anfing die Bibel zu studieren, vor nunmehr 25 Jahren hatte ich eine gute alte Lutherbibel. Ich war irgendwie davon überzeugt, SIE ist das Wort Gottes, und somit brauche ich mich nur mit ihr zu befassen, und ich habe stets das Wort Gottes vor Augen. Doch schon die zeugen Jehovas selbst hatten ihre eigene Bibel. Merkwürdiger Weise störte mich das damals noch nicht, weil ich persönlich felsenfest der Meinung war : "Studiert ihr ruhig eure Bibel, ich nehme meinen alten Luther und bin somit näher an der Wahrheit als ihr!".
Das ging auch einige Jahre gut. man kann sagen mindestens die nächsten sieben bis acht Jahre. In dieser Zeit habe ich unheimlich viel aus meiner Lutherbibel gelernt, und vor allem ich nahm alles für wahr, was darin stand, auch und vor allem die chronologischen Angaben.
Jedenfalls hatte ich dann, weil ich mich nur mit der Lutherbibel auseinandersetzte ein ganz bestimmtes geschichtliches Bild vor Augen über die biblisch relevante Menschheitsgeschichte, die für mich unzweifelhaft der Maßstab war. Es war damals für mich enorm wichtig, daran glauben zu können, dass das, was ich da las, egal was es war, bedingungslos richtig war. In diesem sinne versuchte ich dann auch meine Erkenntnisse in der Wissenschaft der Lutherbibel gewissermaßen anzupassen. Und es funktionierte eigentlich wunderbar.
Doch schon bald, als ich eine zeit in der Adventgemeinde war, wurde mir im Rahmen der Sabbatschule mehr oder weniger klar gemacht, dass die Lutherbibel nur eine Version von vielen sei, und ich sie nicht so bedingungslos, wie ich es bis dahin tat, annehmen dürfte, weil Luther offenbar einiges doch nach eigenen Gesichtspunkten übersetzte und es somit nicht überall stimmen würde.
Dies war für mich damals ein Schlag ins Gesicht, eine schallende Ohrfeige. Denn einerseits wurde mir unmissverständlich klar gemacht, man müsse die Bibel wörtlich nehmen und sie dementsprechend so verstehen, wie es da steht, auch mit Hinweis auf Offenbarung 22, nichts hinzuzufügen oder hinweg zunehmen, andererseits wenn ich daraus dann meine Schlüsse zog und sie in der Sabbatschule erläuterte, wurde mir eine andere Bibel entgegen gehalten, wo der Wortlaut doch ein wenig anders sei, und wieder ein anderer hatte natürlich eine noch bessere genauere Übersetzung.... es war zum Kotzen! Ich ärgerte mich damals schon sehr, weil eine andere Bibel immer dann herhalten musste, wenn ich mit meiner liebgewonnenen Lutherbibel felsenfest argumentierte.
Ich muß sagen, dieses Bibelwirrwarr, was ich dann erlebte im Rahmen der Sabbatschulbetrachtungen, aber auch oftmals bei Predigten selbst "irritierte" mich doch sehr, um es freundlich auszudrücken. Man konnte also jedes mal, wenn man nicht einer Meinung war, am besten eine vollkommen anderslautende Bibel verwenden, die natürlich auch nichts als das Wort Gottes enthielt, und die Argumentation eines anderen in seinen Grundfesten erschüttern, weil es tatsächlich nicht selten an irgend einem dussligen Wort scheiterte, welches natürlich anders übersetzt werden musste, und Luther hier nicht seine Hausaufgaben gemacht hätte.
Jedenfalls, seit jener Zeit bekomme ich immer mehr zu hören, wenn ich etwas aus der Lutherbibel vorbringe und zu erklären versuche, oder dann auch schon mal aus einer anderen, weil ich mir dann vorsichtshalber noch andere Bibel beschafft hatte, dass ich diesen oder jenen Wortlaut nicht so verstehen könnte, weil ... und jetzt kommt noch die Steigerung hinzu : es im Urtext erst recht noch ganz anders stehen würde. Nun ja, und den Urtext konnten denn nur jene lesen, die hebräisch griechisch oder aramäisch konnten...
Fazit: Es gab und gibt immer jemanden, der mir mein Verständnis der Worte der einfachen Lutherbibel, oder auch einer anderen einfachen Bibel in Frage stellen kann und mir aufzeigen wird, dass es doch eigentlich auch noch ganz anders dasteht im Urtext. Ätsch, mein lieber Seeadler, du kannst meinen was du willst, es wird nie mit dem Urtext übereinstimmen, weil dieser ja dann doch noch ganz anders geschrieben ist und somit etwas anderes aussagen kann, als ich für mich erkannt habe.
Leider , oder doch nicht leider? haben wir auch hier im Forum einige, die den Urtext kennen und somit immer einen Einwand setzen können, und was mir dabei so aufstößt, sie können einen stets zu verstehen geben: "Ich bin derjenige, der dir sagen kann, ob das richtig ist, was du denkst, oder nicht!" Um es mal deutlich zu sagen, es ist nicht anders wie damals in der katholischen Kirche. Die Priester, Bischöfe und wie sie alle sich nennen, waren diejenigen, die die Urschriften und somit das Verständnis in den Händen hielten und damit in der Lage waren, ihren Schäfchen nur soviel an Wissen zu gewährleisten, wie sie ihnen vorsetzten, damit sie sie stets unter Kontrolle halten konnten.
Nun, dieser Vorwurf, resultierend aus einer jahrelangen Erfahrung im Diskurs mit ewigen "Besserwissern", hört sich vielleicht ein wenig hart und manchmal auch ungerechtfertigt an, aber er beinhaltet eine Grundsatzfrage, auf die ich hinaus möchte: Was genau aus der Bibel kann man als das Wort Gottes bezeichnen und muss deshalb in allen Bibeln genau gleich formuliert werden, so dass es auch keine Missverständnisse gibt, und was hat sozusagen Narrenfreiheit der Interpretation? Wie kann ich als unbedarfter Lutherbibelbesitzer herausfinden, wo meine Bibel mich anschwindelt, bewusst oder unbewusst, weil Luther auch nur ein Mensch war, und wo darf ich ihr bedingungslos vertrauen?
Was ist also das Wort Gottes???
Gruß
Seeadler