Heute habe ich mir die Ausarbeitungen "Ist Gott eine Familie?" und "Die Frage nach dem Wesen Gottes" von Siegfried Wittwer durchgelesen. Siegfried Wittwer ist ein evangelischer Theologe, der den meisten Adventisten als Leiter des Internationalen Bibelstudien Instituts bekannt sein dürfte. Ich hatte vor einiger Zeit schon mal seine Arbeit "Unsterblichkeit der Seele oder Auferstehung?" gelesen, in der Wittwer darauf verweist, welche Bedeutungen die hebräischen Wörter für "Seele", "Geist" und "Totenreich" haben. Wer sich gerne mit den Sprachen der Bibel beschäftigt, wird schnell die Bestätigung dafür finden, dass Wittwer in diesem Werk völlig im Einklang mit der hebräischen und griechischen Sprache, sowie dem Verständnis der Hebräer (und der ersten Christen) argumentiert. Dementsprechend war ich sehr gespannt darauf, was der Autor über die Dreieinigkeitslehre zu sagen hat. Auch hier habe ich mir vorgenommen, die Hinweise auf sprachliche Besonderheiten nachzuprüfen. Das Ergebnis habe ich schriftlich festgehalten. Es geht mir dabei nicht um die Argumentation für oder gegen die Dreieinigkeit, denn ich konnte in den beiden Ausarbeitungen keine neuen Argumente finden. Vielmehr geht es mir darum, wie der Autor argumentiert. Sind seine Hinweise auf die Sprachen der Bibel im Einklang mit dem, was Altphilologen zu sagen haben? Sind Wittwers Aussagen belegbar? Ich beginne mit einem Zitat aus "Ist Gott eine Familie?":
Aber steht nicht in 5. Mose 6,4 wörtlich: „Jahwe, unser Elohim, Jahwe ein“? Wie kann man dann von zwei oder gar drei Personen der Gottheit sprechen? Im Hebräischen gibt es zwei unterschiedliche Worte für den Begriff „ein“. Zunächst finden wir das Wort ächad. Es meint Einheit in der Mehrheit. Man kann es demnach auch mit „einig“ übersetzen. So werden Verheiratete in der Bibel als „ein Fleisch“ bezeichnet, obwohl sie doch zwei Menschen sind (1. Mose 2,24). Genauso ist Jahwe nicht ein einziger Gott, sondern ein einiger Elohim, oder – kurz gesagt – eine einige Gottheit. Für „einzig“ benutzt das Alte Testament dagegen ein anderes Wort (hebr.: jachid). Isaak wird beispielsweise „einziger Sohn“ Abrahams genannt (1. Mose 22,2; Ismael war kein rechtmäßig mit seiner Ehefrau gezeugter Sohn). Dieses Wort „einzig“ wird nicht auf Gott angewandt.
Wittwer trifft hier drei Aussagen:
1.) Das ebräische „ächad“ steht für eine „Einheit in der Mehrheit“ und kann mit „einig“ übersetzt werden.
2.) Jahwe ist nicht ein einziger, sondern ein einiger Gott.
3.) Für „einzig“ gibt es im Hebräischen ein anderes Wort, nämlich „jachid“, welches aber auf Gott nicht angewandt werde.
Ist das haltbar? Laut Wilhelm Gesenius ist „ächad“ ein Zahlwort und zu den Bedeutungen von „ächad“ gehört unter anderem „einer, eine, eines; häuf. betont: ein einziger“. Für 5. Mose 6, 4 gibt er die Bedeutung „ein einziger Jahve“ an (Quelle: Wilhelm Gesenius, Hebräisches und Aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testament, 17. Auflage 1921, Seite 22). Von einer „Einheit in der Mehrheit“ ist keine Rede.
Auch die Vorkommnisse von „ächad“ im Alten Testament zeigen deutlich, dass Wittwer hier ein verzerrtes Bild der Bedeutung von „ächad“ vermittelt. So bezeichnen sich Josephs Brüder in 1. Mose 42, 31-32 als „zwölf Brüder“ und sagen über Joseph: „...der Eine (=ächad) ist nicht mehr!“ War Joseph eine „Einheit in der Mehrheit“? Nein, „ächad“ ist hier schlicht und ergreifend ein Zahlwort, das eine einzelne, ganz bestimmte Person (nämlich Joseph) bezeichnet. Auch in Prediger 4, 8 heißt es: „Da ist ein einzelner (=ächad) und kein zweiter...“! Ganz offensichtlich steht „ächad“ auch hier keineswegs für eine „Einheit in der Mehrheit“. Man könnte auch noch Maleachi 2, 10 erwähnen, wo gefragt wird: „Haben wir nicht alle einen (=ächad) Vater? Hat uns nicht ein (=ächad) Gott erschaffen?“ Auch die Trinitätslehre kennt nur „einen (einzigen) Vater“, so dass „ächad“ hier auch aus der Sicht eines Siegfried Wittwers nur die allgemein anerkannte Bedeutung haben kann. Bezogen auf 5. Mose 6, 4 versucht Wittwer ganz offensichtlich dem Wort „ächad“ eine Bedeutung zu geben, die sich weder in Hebräisch-Wörterbüchern, noch im Alten Testament finden lässt. Tatsächlich übersetzen selbst bekennende Trinitarier in 5. Mose 6, 4 mit „ein einziger Jehova“ (Elberfelder 1905), „nur einer“ (Textbibel 1905), „ein Herr“ (Zürcher Bibel 1931), „Jahwe ist einzig“ (Einheitsübersetzung 1980), oder „Jahwe allein“ (Neue evangelistische Übersetzung 2014). Es sollte auch nicht unerwähnt bleiben, wie jüdische Übersetzer das Wort „ächad“ in 5. Mose 6, 4 verstehen:
Deutsche Volks- und Schulbibel für Israeliten, Gotthold Salomon 1837: Höre Jisrael, Gott, unser Herr, Gott ist Einer.
Die Schrift, Buber & Rosenzweig 1929: Höre Jissrael: ER unser Gott, ER Einer!
Die Heilige Schrift, Naftali Herz Tur-Sinai 1954: Höre, Jisraël! Der Ewige ist unser Gott; der Ewige ist Einer.
Wenn Wittwer schreibt, dass „ächad“ für eine „Einheit in der Mehrheit“ stehe, dann lässt sich das weder mit Texten aus dem Alten Testament belegen, noch nennt er irgendeine Quelle für diese Aussage. Auch der Verweis auf das Wort „jachid“, welches laut Wittwer tatsächlich „einziger“ bedeutet, aber nicht auf Gott angewandt wird, ist irreführend. Laut Wilhelm Gesenius wird das Wort „vom einzigen Kinde“ gebraucht, kann aber auch „einsam, verlassen“ bedeuten (Quelle: Wilhelm Gesenius, Hebräisches und Aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testament, 17. Auflage 1921, Seite 297). Es würde keinen Sinn machen, dieses Wort auf Gott zu beziehen, denn er ist niemandes „einziges Kind“. Außerdem kommt „jachid“ nur zwölf mal im Alten Testament vor, es ist also ein relativ seltenes Wort. Um JHWH als „einen einzigen“ zu bezeichnen, reicht „ächad“ vollkommen aus. Der Autor möchte aber unbedingt beweisen, dass JHWH keineswegs „einer“ ist, sondern mehrfach existiert:
In 1. Mose 19, 24 lesen wir dann: „Da ließ Jahwe Schwefel und Feuer regnen von Jahwe aus dem Himmel.“ So lautet der Text im Hebräischen. Was heißt das? [...] Einer befand sich bei diesem Bericht im Himmel, einer stand neben Abraham. Und deshalb konnte auch Jahwe Schwefel und Feuer regnen lassen von Jahwe aus dem Himmel. Jahwe ist also eine Art „Familienname“ für Vater und Sohn.
Gemäß dieser Argumentation müsste auch „Salomo“ ein Familienname gewesen sein, der laut 2. Könige 8, 1 von mindestens zwei Personen zeitgleich getragen wurde. Auch für diesen Vers zitiere ich eine wörtliche Übersetzung des hebräischen Textes:
2. Könige 8, 1 (Schlachter 2000): Damals versammelte Salomo die Ältesten von Israel und alle Häupter der Stämme, die Fürsten der Vaterhäuser der Kinder Israels, zum König Salomo nach Jerusalem...
Wie man sieht, finden wir sowohl in 1. Mose 19, 24, als auch in 2. Könige 8, 1 eine hebräische Ausdrucksweise, die sich jeweils auf ein und dieselbe Person bezieht. Dementsprechend geben nicht nur kommunikative Übersetzungen den von Siegfried Wittwer angeführten Vers wie folgt wieder:
Luther 2017: Da ließ der HERR Schwefel und Feuer regnen vom Himmel herab auf Sodom und Gomorra
Neue evangelistische Übersetzung 2016: Da ließ Jahwe Feuer und Schwefel auf Sodom und Gomorra regnen. Es kam von ihm, vom Himmel herab,
Die Heilige Schrift, Hermann Menge 1939: ließ der HERR Schwefel und Feuer vom Himmel herab auf Sodom und Gomorrha regnen
Siegfried Wittwers Umgang mit der hebräischen Sprache ist auch an dieser Stelle fragwürdig. Leider ist sein Umgang mit der griechischen Sprache auch nicht sorgfältiger:
Dann fährt Paulus fort: „Jesus ist der Erstgeborene vor aller Schöpfung.“ Dieses eine Wort „vor“ erklärt eigentlich schon alles. Er ist nicht der erste Geborene, sondern der Herr über die Schöpfung.
Wenn dieses Wort „vor“ tatsächlich alles erklärt, dann gibt es keine Erklärung, denn es ist im griechischen Text nicht zu finden! Gemäß einer Fußnote in der Schlachter 2000 lautet die wörtliche Übersetzung: „der Erstgeborene aller Schöpfung“. Zahlreiche Übersetzer haben den Vers in diesem Sinne wiedergegeben und der Blick in eine Interlinear-Übersetzung bestätigt, dass Wittwer hier mit einem Wort argumentiert, das manche Übersetzer in den Text einfügen, obwohl es im Griechischen gar nicht vorkommt. An anderer Stelle versucht der Autor mit Hilfe der griechischen Grammatik zu beweisen, dass der heilige Geist eine „Person“ ist:
Zitat von Siegfried WittwerHier müssen wir uns wieder einmal ein wenig mit der griechischen Sprache beschäftigen. Das Wort „Geist“ (pneuma) ist im Griechischen ein Neutrum. Grammatisch richtig ist deshalb, wenn wir sagen: „Das Pneuma“ und nicht „Der Pneuma“.
„Wenn aber jener Pneuma der Wahrheit kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selber reden; sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen.“
Johannes 16,13Johannes schreibt tatsächlich nicht „jenes Pneuma“, das wäre grammatisch richtig, sondern „jener Pneuma“, das ist grammatisch falsch, wenn der Heilige Geist kein persönliches Wesen ist (für Grammatik-Fans: Das Demonstrativpronomen ekeinos steht hier im Maskulinum).
Zunächst fällt auf, dass Wittwer Johannes 16, 13 in seiner Übersetzung falsch wiedergibt, denn gemäß dem griechischen Text steht dort nicht "Wenn aber jener Pneuma der Wahrheit kommen wird...", sondern "Wenn aber jener, DAS pneuma der Wahrheit kommen wird...". Den bestimmten Artikel τὸ (= das) vor πνεῦμα (= Geist) hat Wittwer in seiner Übersetzung einfach unterschlagen. Aber τὸ ist sächlich, und passt somit zu dem ebenfalls sächlichen πνεῦμα! Das Demonstrativpronomen ἐκεῖνος (= jener) steht aber tatsächlich im Maskulinum. Allerdings bezieht es sich nicht auf das sächliche πνεῦμα, sondern auf das maskuline παράκλητος (= Beistand, Helfer, Anwalt) im Vers 7. Darauf haben diverse Kenner der griechischen Sprache hingewiesen, u. a. der Gelehrte Daniel B. Wallace (siehe Daniel B. Wallace, Greek Grammar and the Personality of the Holy Spirit – erschienen in Bulletin for Biblical Research 13.1 2003, Seite 97-125). Johannes verwandte maskuline Demonstrativpronomen für das maskuline παράκλητος, und sächliche Demonstrativpronomen für das sächliche πνεῦμα. Als studierter Theologe hätte Siegfried Wittwer dies erkennen müssen. Stattdessen unterstellt er Johannes grammatisch falsche Sätze, welche Hinweise auf die Natur des heiligen Geistes geben sollen. Auch Paulus bleibt nicht verschont:
Zitat von Siegfried Wittwer„In ihm seid auch ihr, die ihr das Wort der Wahrheit gehört habt, nämlich das Evangelium von eurer Seligkeit – in ihm seid auch ihr, als ihr gläubig wurdet, versiegelt worden mit dem heiligen Geist, der verheißen ist, welcher ist das Unterpfand unsres Erbes, zu unsrer Erlösung, dass wir sein Eigentum würden zum Lob seiner Herrlichkeit.“
Epheser 1,13.14Wir finden bei Paulus einen ähnlichen Hinweis, wenn er vom heiligen Pneuma schreibt, „der verheißen ist“. Grammatisch richtig wäre es, wenn er geschrieben hätte, „das verheißen ist.“ Aber offensichtlich ist der Heilige Geist auch für Paulus keine unpersönliche Kraft.
Was dem Leser verschwiegen wird, ist die Tatsache, dass es hier zwei verschiedene Schriftzeugnisse gibt. In vielen griechischen Handschriften steht hier gar nicht ὅς (= der), sondern ὅ (= das), was perfekt zum sächlichen πνεῦμα passt. Aber selbst wenn ὅς die richtige Leseart wäre, könnte man das maskuline Demonstrativpronomen auch auf das nachfolgende ἀρραβών (= Unterpfand) beziehen, welches ebenfalls maskulin ist. Über die beiden Textvarianten schrieb der Kommentator Frank Thielmann folgendes:
Grammatically, either reading works equally well: the neuter relative pronoun agrees in gender with its neuter antecedent πνεύματι, and the masculine relative pronoun agrees in gender with the predicate nominative ἀρραβών. Since the issue is one simply of grammatical gender, the question of whether the Holy Spirit is a person or a force does not come into play (Wallace 1996: 338).
(Quelle: Frank Thielman, "Ephesians - Baker Exegetical Commentary on the New Testament")
Auch hier gibt Siegfried Wittwer seinen Lesern falsche Informationen, obwohl diese sich darauf verlassen, dass er als Kenner der alten Sprachen zuverlässig ist. Die Liste lässt sich fortsetzen, dieses mal mit einem Zitat aus "Die Frage nach dem Wesen Gottes":
Zitat von Siegfried WittwerAuch der Segenspruch des Paulus enthält einen Hinweis auf eine dreieinige Gottheit (2 Kor 13,13): Nicht nur die Gnade Jesu und die Liebe Gottes soll uns begleiten, wir dürfen auch mit dem heiligen Geist Gemeinschaft haben. Das Wort „Gemeinschaft“ weißt aber daraufhin, dass der Heilige Geist keine unpersönliche Kraft sein kann oder für den „Geist“ Gottes (im Sinne von „Bewusstsein, Denken“) steht.
Das griechische Wort für „Gemeinschaft“ ist κοινωνία, welches auch für die „Gemeinschaft mit dem Blute Christi“ (1. Korinther 10, 16; Zürcher Bibel 1931), für „die Gemeinschaft mit seinen Leiden“ (Philipper 3, 10; Einheitsübersetzung 1980), oder auch für die „Gemeinschaft deines Glaubens“ (Philemon 1, 6; Schlachter 1951) gebraucht wird. Daraus leitet niemand ab, dass das Blut Christi, das Leiden Christi, oder der Glauben Personen sind. Das Wort κοινωνία bedeutet soviel wie „Gemeinschaft“, „Anteil“ und „Teilnahme“ (siehe Wilhelm Gemoll, Griechisch-Deutsches Schul- und Handwörterbuch, 9. Auflage 1965, Seite 444), hier könnte also auch schlicht und ergreifend vom "Anteil am heiligen Geist" die Rede sein. In zahlreichen Wörterbüchern zum Neuen Testament sind es die Bedeutungen „Anteil“ und „Teilnahme“, welche für 2. Korinther 13, 13 genannt werden (siehe Gerhard Kittel, Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Dritter Band 1938, Seite 807; Lothar Coenen, Theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament (1967), Seite 497-498; Joseph Henry Thayer, Greek-English Lexicon of the New Testament 1889, Seite 352; Xavier Leon-Dufour. Wörterbuch zum Neuen Testament 1977, Seite188 u.a.). Die Übersetzung „Gemeinschaft“ sagt über die Natur des heiligen Geistes noch gar nichts aus. Doch Siegfried Wittwer präsentiert noch einen weiteren „Beweis“ für die Dreieinigkeit:
Zitat von Siegfried WittwerNeben diesen Hinweisen finden wir im Neuen Testament tatsächlich auch den Begriff „Gottheit“ (griech.: theotes). So ist in Jesus „die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig“ (Kol 2,9). Bei einer „Gottheit“ handelt es sich – sowohl im Deutschen als auch im Griechischen – um mindestens zwei Personen.
Ist das tatsächlich so? Das griechische Wort θεότης (= Gottheit) ist das Abstraktum zu θεός (Gott). Abstrakta legen naturgemäß den Schwerpunkt auf eine Eigenschaft. Laut Franz Passow bedeutet θεότης „Gottheit, Göttlichkeit, göttliches Wesen, göttliche Würde“ (Quelle: Franz Passow, Handwörterbuch der Griechischen Sprache, Erster Band 1831, Seite 1054). Dass θεότης mindestens zwei Personen bezeichnet, ist eine Behauptung, für die Siegfried Wittwer weder Quelle noch Beweis vorlegt. In keinem Wörterbuch konnte ich einen Hinweis darauf finden. Das Gleiche gilt für das deutsche Wort „Gottheit“. Gemäß dem Duden bedeutet „Gottheit“:
1. Gott
2. nicht eindeutig bezeichneter Gott bzw. Göttin
3. das Gottsein; Göttlichkeit, göttliche Natur
(Quelle: Duden | Gott­heit | Rechtschreibung, Bedeutung, Definition, Synonyme, Herkunft)
Auch hier findet sich kein Hinweis darauf, dass mindestens zwei Personen vorausgesetzt sind. Weder das griechische Wort θεότης, noch das deutsche Wort Gottheit spricht dafür, dass JHWH mehr als EINER ist.
Zitat von Siegfried WittwerAuch Johannes nennt Gott-Vater „Wahrhaftigen“, bezeichnet aber ebenso Jesus als „wahrhaftigen“ oder „wahren Gott“ (1 Joh 5,20 – vgl. griech. Grundtext). Vater und Sohn werden somit als „wahrer Gott“ bezeichnet. […] Der Satz „Dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben“ kann sich grammatisch nur auf den zuletzt genannten Jesus Christus beziehen.
Wenn Siegfried Wittwer schreibt, man könne 1. Johannes 5, 20 („Dieser ist der wahrhaftige Gott...“) grammatisch nur auf den zuletzt genannten Jesus Christus beziehen, dann muss man sich fragen, warum es so viele Werke zur Sprache des Neuen Testaments gibt, die den selben Satz keineswegs auf Jesus, sondern auf den zuvor genannten „Wahrhaftigen“ (= Gott) beziehen (siehe: Samuel Christoph Schirlitz, Griechisch-Deutsches Wörterbuch zum Neuen Testamente, 3. Auflage 1868, Seite 269; Joseph Henry Thayer, Greek-English Lexicon of the New Testament 1889, Seite 466; Dr. Georg Benedict Winer, Grammatik des Neutestamentlichen Sprachidioms, 7. Auflage 1867, Seite 148; Wilhelm Martin Leberecht de Wette, Kurze Erklärung des Evangeliums und der Briefe Johannis, 2. verbesserte und vermehrte Ausgabe 1839, Seite 271 u.a.).
Gemäß Dr. Georg Benedict Winers "Grammatik des Neutestamentlichen Sprachidioms" bezieht sich das Pronom οὗτoς (=dieser) „zuweilen nicht auf das der Wortstellung nach nächste, sondern auf ein entferntes Nomen, das als Hauptsubject zu betrachten und darum dem Schriftsteller psychologisch das nächste, das im Geiste gegenwärtigste war“ (Quelle: Dr. Georg Benedict Winer, Grammatik des Neutestamentlichen Sprachidioms, 7. verbesserte und vermehrte Auflage 1867, Seite 148). Alleine im Neuen Testament finden sich dafür zahlreiche Beispiele und Belege.
Sollte es trotzdem Gründe geben, die gegen den Bezug von οὗτoς (= dieser) auf „den Wahrhaftigen“ sprechen, dann sollte es möglich sein, diese Gründe zu nennen, oder Werke zur griechischen Sprache zu zitieren, die Wittwers Standpunkt untermauern. Weder das eine, noch das andere ist der Fall. Stattdessen stellt Wittwer auch hier einfach nur eine Behauptung auf, die sicherlich von vielen Lesern geglaubt wird, weil der Autor eben kein Laie, sondern ein studierter Theologe ist.
Alles in allem finde ich, dass Siegfried Wittwer mit solchen wilden (und leicht widerlegbaren) Thesen nicht viel zur Glaubwürdigkeit der Dreieinigkeitslehre beiträgt. Hinsichtlich der biblischen Sprachen sollte man sich auf seriöse Aussagen beschränken, die im Einklang mit dem sind, was Standartwerke zur hebräischen und griechischen Sprache sagen (siehe Wittwers Ausarbeitungen zur "Unsterblichen Seele"). Ansonsten muss man sich die Frage gefallen lassen, ob der „normale“ Bibeltext denn nicht ausreicht, um das zu beweisen, was Siegfried Wittwer hier beweisen möchte...
Letzte Worte:
Dieser Artikel ist weder als Angriff auf Siegfried Wittwers Person zu verstehen, noch habe ich beabsichtigt mit dieser Arbeit die Dreieinigkeitslehre zu widerlegen. Bitte betrachtet diese Arbeit als ein Plädoyer für mehr Sorgfalt. Für sachliche Kritik und Gegenargumente stehe ich jederzeit zur Verfügung...
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