Was ist evangelisch?
Was würden sie wohl sagen, würden sie heute leben, die großen Reformatoren, die teilweise sogar mit ihrem Leben für ein Buch und eine Wahrheit bezahlt haben?
Die Kirche ist eingeschlafen und hat ihr Profil verloren. Es scheint geradezu ein "Markenzeichen" zu sein, dass sich unzählige Gemeinschaften, Freikirchen und Denominationen herausentwickeln, die sich allesamt evangelisch (oder vielleicht noch evangelikal) nennen, ohne, dass hinterfragt wird, was dieser Begriff in seinen Anfängen eigentlich bedeutete bzw. bedeuten sollte.
Die Bibel warnte die Gemeinde bereits: Ich kenne deine Werke; dass du weder kalt noch heiß bist. Wenn du doch kalt oder heiß wärest! So aber, weil du lau bist und weder kalt noch heiß, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde. (Offenbarung 3,15.16)
Doch was ist eigentlich evangelisch im ursprünglichen Sinn? Der Reformator Martin Luther hat es wahrscheinlich am besten zusammengefasst:
Die vier soli:
sola gratia (allein durch Gnade)
sola fide (allein durch Glauben)
sola scriptura (allein durch die Schrift)
solus Christus (allein durch Christus)
-Ich kann mir durch meine Taten und Werke bei Gott nichts verdienen, weil mein gefallenes Wesen am Maßstab Gottes immer scheitern wird. Alles, was ich habe und alles, was ich erhalte, ist eine reine Gnade Gottes!
-Ich bin frei, die Gnade Gottes abzulehnen. Ich kann sie glaubend annehmen oder verwerfen. Wenn ich keinen Glauben daran habe, kann nichts mich gegen meinen Willen retten.
-Gottes Charakter wird nur in der Bibel offenbart. Sie ist "Gottes Wort in Menschen Mund und Feder".
-In Jesus Christus offenbart Gott seinen ganzen Willen, nämlich uns Menschen von unserer und von der Sünde zu erlösen.
Allein im Glauben an die Person Jesu Christi wird Gottes Gnade durch die Schrift bezeugt!
Nicht die Kirche hat die Schrift zu maßregeln (wie es fast alle Gemeinden tun), sondern die Schrift muss die Kirche maßregeln.
Diese "Maßregelung" kann von Theologen und Gliedern immer nur prinzipiell verkündigt werden und sollte liebevoll nahegebracht werden, denn jeder Einzelne steht mit seinem Gewissen allein vor Gott ("mit seinem Tun und seinem Lassen").
Die reformatorische Erkenntnis muss auch reformatorisch bleiben, anstatt zu sagen: "Wir gehen nicht weiter als Luther" oder "Wir gehen nicht weiter als Calvin" usw. Diese "Relativität" des reformatorischen Geistes ist erstens ehrlich und schützt zweitens vor Fundamentalismus oder falschen Lehren. Ein evangelischer Christ muss sagen können: "Was ich vorgestern nicht wusste, weiß ich heute, und was ich letztes Jahr noch für richtig hielt, habe ich dieses Jahr abgelegt!"
Gott wird keine gegründete Kirche belohnen, sondern nur ein ernstes Suchen nach Wahrheit, das im Alltagsleben des Menschen real wird.
Die Schrift selbst kann nur zur "Mitte der Schrift" führen, wie Luther es nannte, und die ist Jesus Christus! Führt eine Auslegung nicht zu Christus, ist sie nicht biblisch und darf somit eigentlich nicht evangelisch sein. Tatsächlich aber ist diese reformatorische Eschatologie fast schon ausgestorben und ins Zentrum rücken Israel, der "Heilige Geist" oder der besondere Auftrag irgendwelcher Leitungspersonen oder Propheten.
Wenn ich nur dich habe, so frage ich nicht nach Himmel und Erde. Wenn mir auch Leib und Seele verschmachten, so bist du doch, Gott, zu jeder Zeit meines Herzens Trost und mein Teil.
(Psalm 73,25.26)
Weise mir, HERR, deinen Weg, damit ich in deiner Wahrheit lebe; erhalte mein Herz bei dem einen, dass ich deinen Namen fürchte. (Psalm 86,11)
Denn jetzt sehen wir nur durch einen Spiegel in einem undeutlichen Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, genau wie auch ich erkannt bin. (1. Korinther 13,12)
Kehre wieder um zur Suche nach der Wahrheit!
Die ich lieb habe, die strafe und erziehe ich. So sei nun eifrig und kehre um!
Sieh, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören und die Tür öffnen wird, zu dem werde ich hineingehen und werde mit ihm essen und er mit mir.
(Offenbarung 3,19.20)
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